Während sich viele in den vergangenen Tagen über den sonnigen Frühling und die ungewöhnlich hohen Temperaturen freuten, bedeutet das gute Wetter für Allergiker schlechte Nachrichten. Denn genau diese Wetterlage begünstigt ein optimales Pollenflugwetter. Einige Menschen berichten, dass ihre Pollenallergie in diesem Jahr ausgeprägter ist als sonst. Kann das stimmen oder trügt das Gefühl?

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Dieser Winter war alles andere als winterlich. Stattdessen ist er als einer der wärmsten in die meteorologische Geschichte eingegangen. Im Frühjahr beherrschte hoher Luftdruck das Wetter und sorgte für eine außergewöhnliche Trockenheit, hohe Temperaturen und viel Sonnenschein.

Ob die Saison jedoch für Allergiker schlimmer als sonst ist, lässt sich laut Auskunft von Christina Endler vom Deutschen Wetterdienst nicht pauschal sagen.

Allergische Reaktionen hängen nicht allein von den Pollenkonzentrationen ab. Auch andere Faktoren, darunter persönliche Gegebenheiten, Kreuzreaktionen, die allergische Beschwerden deutlich verstärken können, oder die Umweltbedingungen spielen eine Rolle.

Pollensaison startete früh

Endler bestätigt jedoch: "Der milde und trockene Winter hat für einen vergleichsweise frühen Beginn des Pollenflugs gesorgt und somit Allergiker bereits früh im Jahr belastet“.

Im Deutschlandmittel setzte laut Auskunft des Deutschen Wetterdienstes die Haselblüte circa drei Wochen früher als im langjährigen Mittel (1992-2019) ein. Die Erlenblüte verfrühte sich um circa zwei Wochen (im Vergleich zum Mittel 2009-2019). Die Birkenblüte setzte nach aktuellem Meldeaufkommen circa eine Woche früher ein.

Angefangen mit Hasel und Erle, über die Esche, bis hin zur Birke: Diese Bäume und Sträucher zeigten 2020 zudem eine intensive Blüte. Auch dies liegt am extremen Übergang vom Winter zum Frühling. "Die warmen Temperaturen kamen schlagartig. Die Pflanzen bekommen dann quasi 'Stress' und fangen sofort an zu blühen", erklärt Uwe Berger, Leiter des Pollenwarndienstes der MedUni Wien.
Da jedes Jahr dennoch anders verläuft, muss jede Pflanzenart für sich betrachtet werden, sowie die meteorologischen Bedingungen zum Zeitpunkt der Entwicklung der Blühstände. "Nur weil zum Beispiel die Erle intensiver blüht, bedingt das nicht, dass auch die Birke intensiver blüht“, sagt Uwe Berger.

In diesem Jahr allerdings hat der milde Winter für eine frühere Blüte von Hasel und Erle und gleichzeitig ein warmer Frühling für eine frühe Blüte von Esche und Birke gesorgt.

Einfluss von Umweltfaktoren bei Pollenallergikern

Luft-Schadstoffe haben einen direkten, für den Allergiker ungünstigen, Einfluss sowohl auf die Pollen als auch auf den Menschen.

Kohlenstoffdioxid (CO2) beschleunigt das Pflanzenwachstum und somit auch die Pollenproduktion. Außerdem lagern sich Umweltschadstoffe wie Feinstaub und Ozon an den Pollen an und machen sie zunehmend aggressiver. In den Pollen wird vermehrt ein Stresseiweiß produziert, worauf manch ein Allergiker stark reagiert.

Gemäß Uwe Berger, dem Leiter des Pollenwarndienstes der MedUni Wien und Mitentwickler der Europäischen Pollendatenbank (EAN), zeigt das Ozon seinen ausgeprägten Einfluss vorwiegend bei Gräser- und Birkenpollenallergikern. Je höher die Ozonbelastung, desto stärker seien insbesondere Lungenbeschwerden. Die rund fünf Prozent der Bevölkerung, die an Asthma leiden, sind von dieser Kombination besonders betroffen – Kinder doppelt so oft.

Feinstaub und Stickoxide begünstigen ferner Entzündungsreaktionen im menschlichen Körper. Erschwerend kommt ein durch Stress geschwächtes oder durch übertriebene Hygiene unterfordertes Immunsystem hinzu.

Auftreten von Allergien auch im Alter möglich

All diese Faktoren können auch bei älteren Menschen, die früher nie mit Beschwerden zu kämpfen hatten, zu allergischen Reaktionen führen – vor allem, wenn das Immunsystem ohnehin geschwächt ist, etwa durch andere Krankheiten oder weitere schädliche Umwelteinflüsse.

Eine Pollenallergie äußert sich durch typische Heuschnupfensymptome wie Niesen und Augenjucken. Manche Menschen haben auch grippeähnliche Beschwerden wie Gliederschmerzen, fühlen sich außerdem matt und sind häufig gereizt. Ob es sich tatsächlich um eine Reaktion auf die Pollen oder um eine Erkältung handelt, lässt sich mittels Haut- und Bluttest herausfinden.

Besonders hoch ist die Pollenbelastung üblicherweise im April und Mai, wenn Esche, Birke, Eiche, Eibe und Flieder blühen.
Auch wenn die Birken zurzeit die größte Plage darstellen, Entwarnung kann nicht gegeben werden. Die Heuschnupfen-Saison zieht sich bis in den Oktober.

Der Pollenflug ist mittlerweile saisonal kaum noch einzuordnen. Durch die wärmeren Winter kann es sein, dass einige Pollen sogar bis in den November hinein fliegen, andere bereits im Januar wieder zum Start ansetzen. Von Insekten oder einem günstigen Wind befördert, fliegen sie manchmal mehrere Hundert Kilometer weit. Und das in großen Mengen.

Pollensaison 2020: Auswertung erst zum Jahresende

Ein Zusammenspiel zwischen Pollenkonzentration und Symptomstärke einer Allergie ist nicht von der Hand zu weisen. Betroffene Menschen reagieren auf Pollen in der Luft - ist die Konzentration erhöht, dann umso stärker.

"Spricht man hingegen von einer bestimmten Blütezeit und den Gesamtpollen, so gibt es diesen Zusammenhang nicht unbedingt“, erklärt Uwe Berger. "Was im Umkehrschluss bedeutet, dass Jahre mit einer höheren Gesamtpollenmenge in der Luft nicht unbedingt die schlimmeren Jahre für Pollenallergiker sind“.

Über den Experten: Uwe E. Berger ist Leiter des Österreichischen Pollenwarndienstes der MedUni Wien und leitet die Forschungsgruppe Aerobiologie und Polleninformation. Er forscht an der MedUni Wien zu den Zusammenhängen zwischen Pollen und Allergie, hat die Services des Pollenwarndienstes entwickelt und aufgebaut und war maßgeblich an der Entwicklung der Europäischen Pollendatenbank in Wien ("European Aeroallergen Network") beteiligt.

Verwendete Quellen:

  • Auskunft Deutscher Wetter Dienst
  • Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst
  • Gespräch Uwe E. Berger, Pollenwarndienst der MedUni Wien
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