Wenn eine Facebook-Debatte zur Schlammschlacht wird und in den Foren die Böswilligkeit regiert, drängen sich Fragen auf: Wo kommt der Hass im Internet her? Ist der Ton im Netz rauer geworden? Ein Experte klärt auf.

Ein Interview

Wir haben mit Dr. Bernhard S. Debatin, Professor für Multimedia Policy an der Universität in Ohio und Autor des Buchs "Facebook and Online Privacy" über Hass im Internet gesprochen.

Mehr zum Thema Digitales

Wir wollten wissen, ob man sich gegen digitale Anfeindungen schützen kann und was man machen muss, wenn man Opfer von Hasstiraden ist.

Fällt es im Internet leichter, zu hassen?

Dr. Bernhard S. Debatin: Schon seit den späten 80er Jahren ist bekannt und gut erforscht, dass Internet-Kommunikation die Hemmschwellen für aggressive Botschaften senkt. Durch den Mangel an direktem Kontakt werden Höflichkeit, Einfühlungsvermögen und soziale Rücksichtnahme herabgesetzt.

Das wird dann oft durch relativ geschlossene Gruppenstrukturen in sozialen Netzwerken verstärkt, so dass sich "soziale Kaskaden" bilden, in denen eine bestimmte Meinung oder ein Verhalten von den Gruppenmitgliedern gedankenlos übernommen und rasch weiterverbreitet wird.

Ist der Umgangston in sozialen Netzwerken rauer geworden als beispielsweise noch vor drei Jahren?

Insgesamt kann man sagen, dass soziale Netzwerke den Trend zur Nabelschau und zur sozialen Fragmentierung verstärken, so dass es in einzelnen Gruppen oft wenig Pluralität und Toleranz gibt.

Sowohl in Deutschland als auch in den USA kann man derzeit einen zunehmend raueren Umgang durch aktuelle Ereignisse sehen; in Deutschland wohl vor allem im Zusammenhang mit wachsender Ausländerfeindlichkeit und der Flüchtlingsdebatte, in den USA vor allem durch den Präsidentschaftswahlkampf und die zunehmende Polarisierung des Landes.

Wie sieht ein Soziogramm einer Person aus, die durch Hass-Kommentare auffällt?

Auch hier ist es nicht leicht, eine allgemeine Beschreibung zu geben. Es gibt hier wohl verschiedene Typen und es gibt auch das Phänomen, dass Leute, die sich vor ein paar Jahren nicht geäußert hätten, sich nun plötzlich durch ein verändertes politische Umfeld ermutigt fühlen, öffentlich Hass-Kommentare zu posten.

Der wohl am weitesten verbreitete Typus ist der anonyme Poster, der seine Hass-Kommentare unter dem Deckmantel des Internet-Pseudonyms verbreitet.

Der zweite, ebenso wichtige Typus ist der "in-group"-Poster, also Leute, die sich nur in einem ganz eng begrenzten Online-Umfeld von Gleichgesinnten bewegen. Das Internet, zumal in den sozialen Medien, erlaubt hervorragend die Herausbildung von Tunnelblick und isolierten Gruppenidentitäten.

Wer ist die typische Zielgruppe von Internet-Hass oder kann es jeden treffen?

Im Prinzip kann es jeden treffen, wenn man nur zur falschen Zeit am falschen Ort ist oder etwas gesagt oder getan hat, das zum Ziel einer netzgestützten Empörungsgemeinschaft wird.

Hier geht es in der Regel nicht um Fakten oder um den Versuch, ein Verhalten zu verstehen und darauf zu reagieren, sondern um das Hochschaukeln von vorgefassten Urteilen und Ressentiments gegenüber der Zielperson oder Zielgruppe.

Neben politisch-weltanschaulich motiviertem Hass gibt es hier auch viel Hass gegen scheinbar abweichendes Verhalten und gegen Schwache oder Außenseiter.

Das Problem ist, dass wir es im Netz zunehmend mit aus dem Kontext gerissenen Informationen zu tun haben. Fast alle Internet-Memes funktionieren so. Die meisten sind relativ harmlos, aber viele basieren auf Verschwörungstheorien oder böswilligen Verdrehungen, die die Zielperson in einem extrem schlechten Licht darstellen und Hass verbreiten.

Wie kann man sich selbst vor Anfeindungen im Internet schützen?

Sicher sollte man sich überlegen, was man wo und wann postet und ob das in einem anderen Kontext zu Hassreaktionen führen kann. Allerdings kann man natürlich die Reaktionen anderer nicht kontrollieren und man sollte sicher auch nicht aus purer Vorsicht oder aus Angst auf die Äußerung von auch unbequemen Meinungen verzichten.

Es ist ja oft gerade das Interesse von Bullies, andere einzuschüchtern und mit ihren Hass-Kommentaren in Furcht zu versetzen. Hier können mitunter Gegenkampagnen und Netzsolidarität helfen.

Wie soll man sich verhalten, wenn es doch zu Anfeindungen kommt? Was sollte man lieber nicht tun?

In fast allen Fällen bringt es absolut nichts, sich auf einen Streit einzulassen. Sobald man das tut, bedient man nur die Absichten der Hass-Verbreiter. Es ist hier meist sinnvoller, einen Schritt zurückzutreten und auf Eskalation und Gegenargumente zu verzichten, da es dem Hass-Verbreiter ohnehin nicht um vernünftige Argumente, sondern eben genau um die Eskalation geht.

An wen kann man sich wenden, wenn man Opfer von massiven Anfeindungen geworden ist?

Das hängt von der Art der Anfeindung ab. Mitunter kann der Hass-Level ja strafrechtlich relevant sein, sodass eine Strafanzeige sinnvoll sein mag. Wenn es sich etwas darunter abspielt - Mobbing, Bullying, Hass-Kommentare - hängt es von den Umständen ab.

Viele soziale Netzwerke haben die Möglichkeit, dass man entweder selbst Post und Threads löschen kann, oder dass man sie melden kann und sie dann durch Moderatoren gelöscht und der Hass-Kommentator aus dem Netzwerk ausgeschlossen wird.

Manchmal bringen auch Gegenkampagnen in sozialen Netzwerken etwas, allerdings muss man hier, wie schon erwähnt, aufpassen, dass man nicht bloß weiter eskaliert oder sich in hilflose Defensivkampagnen und Abwehrkämpfe verstrickt.

Wenn sich das Ganze so verselbständigt, dass die Hass-Kampagnen in sozialen Netzwerken ablaufen, zu denen man wenig oder keinen Zugang hat, die Kommentare aber in Google-Suchen auftauchen und sich weiter verbreiten, kann man unter Umständen auch bestimmte Internet-Dienste verwenden, die gezielt intervenieren, um zumindest die Google-Suchresultate so zu beeinflussen, dass die Hass-Kommentare erst nach fünf oder sechs Seiten auftauchen. Allerdings ist dies aufwändig und entsprechende Dienste, wie zum Beispiel Reputation.com, sind teuer.

Dr. Bernhard S. Debatin ist Professor für Multimedia Policy an der Universität in Ohio und Autor des Buchs "Facebook and Online Privacy".

Sollten Sie selbst auf hasserfüllte Inhalte im Internet aufmerksam werden, sollten Sie diese unbedingt melden. Eine Möglichkeit hierfür bietet die Beschwerdestelle auf www.hass-im-netz.info.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.