Immer mehr Flüchtlinge kommen derzeit nach Deutschland. Nicht immer werden sie herzlich empfangen. Viele Bürger sind gegen Migranten - und zeigen das öffentlich, beispielsweise auf Facebook. Diese Postings nehmen oft rassistische und hetzerische Dimensionen an. Im Interview erklärt Prof. Dr. Tobias Keber, Experte für Medienrecht, wie sich ein User bei solchen Postings verhalten soll.

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Wie verhalte ich mich, wenn Freunde, Familie oder Arbeitskollegen im Internet gegen Flüchtlinge hetzen?

Prof. Dr. Tobias Keber: Vor allem bei Familienangehörigen, Freunden und auch Arbeitskollegen sollte man reagieren. Das Schlüsselwort lautet 'Counter Speech'. Das bedeutet, man sollte sich mit diesen Postings argumentativ auseinandersetzen und seinen Standpunkt deutlich machen. Es geht darum, sachliche Argumente inhaltsleeren Parolen entgegenzusetzen. Dabei sollte man sich freilich so weit unter Kontrolle haben, dass man nicht selbst ausfällig wird und andere beleidigt. Wie immer gilt: Think before you post (Denk nach, bevor du etwas postest, Anm. d. Red.).

Wo sind die Grenzen zwischen diskriminierenden Sprüchen und freier Meinungsäußerung?

Die Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter in einer Demokratie. Man darf sich also kritisch äußern und beispielsweise die Frage stellen, ob andere europäische Staaten nicht ebenso viele oder mehr Flüchtlinge aufnehmen sollten. Die Grenze einer zulässigen Meinungsäußerung wird aber überschritten, wenn Einzelne oder eine Gruppe beschimpft werden, weil sie einen bestimmten ethnischen Hintergrund oder bestimmte religiöse Vorstellungen haben und zu Hass und Gewalt aufgerufen wird. Das muss man im Grunde für jedes Posting einzeln entscheiden. Menschenverachtende Verunglimpfungen erkennt man allerdings in der Regel leicht.

Wenn Facebook einen hetzerischen Post oder Kommentar löscht, sprechen viele von Zensur. Trifft das zu?

Nein. Richtig ist, dass unsere Verfassung Zensur verbietet. Die Frage ist aber: Kann Facebook überhaupt im rechtlichen Sinne zensieren? Zensur im Sinne unseres Grundgesetzes liegt vor, wenn der Staat eingreift und sagt: Bestimmte Inhalte dürfen nur nach Prüfung und mit Genehmigung veröffentlicht werden. Verboten ist also die Vorzensur durch den Staat. Facebook als privater Anbieter kann also schon per definitionem nicht zensieren. Dazu kommt, dass man bei der Facebook-Anmeldung die Community-Standards sowie die Nutzungsbedingungen akzeptiert. Dort steht, dass sich Facebook die Löschung unzulässiger (bspw. hetzerischer) Inhalte vorbehält. Facebook hat das virtuelle Hausrecht und kann auch entscheiden, dass ein User gänzlich gesperrt wird.

Wie soll sich die Gesellschaft gegenüber solchen Hetzpostings verhalten?

Es ist Aufgabe der Gesellschaft und auch jedes Einzelnen, Farbe zu bekennen. Schweigen ist eben nicht immer Gold. Jeder Einzelne hat Verantwortung. Das gilt im Internet genauso wie im 'echten Leben'. Es geht um Zivilcourage. Die brauchen wir.

Prof. Dr. Tobias Keber hat Rechtswissenschaften studiert und lehrt an der Hochschule der Medien in Stuttgart Medien- und Netzpolitik sowie nationales, europäisches und internationales Medienrecht. Er ist Mitbegründer des Instituts für Digitale Ethik an der Hochschule der Medien in Stuttgart und kommentiert aktuelle Geschehnisse bei Twitter unter @datenreiserecht.
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