Vor 120 Jahren trat die Thermosflasche ihren internationalen Siegeszug an. Hinter der Erfindung steht ein leidenschaftlicher Tüftler, dessen Beziehung zu der Flasche aber glücklos verlief.

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Kaum eine deutsche Erfindung ist so präsent in vielen Küchen, Picknickkörben und Aktenkoffern in aller Welt: Ohne großes Tamtam hat sich die Thermoskanne zu einem Bestandteil in jedem gut ausgestatteten Haushalt etabliert. Und dennoch fristet der meist schmucklose Behälter seit nunmehr 120 Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung ein bescheidenes Dasein. Und seinem Erfinder Reinhold Burger wurde nie großer Ruhm zuteil.

Warum Erfinder der Thermoskanne ausstieg, bleibt ein Rätsel

Bereits 1903 - kurz nachdem der Brandenburger Burger die Thermoskanne erfunden hatte - sei sie als "Modetorheit" verschrien worden, berichtet der Enkel des Erfinders, Axel Burger. Als am 1. Oktober 1903 Burger das Patent erteilt wurde, habe der Einzelhandel nicht an das doppelwandige Gefäß geglaubt. Der Erfinder und seine zwei Mitstreiter hätten die Werbekosten daher selber tragen müssen.

"Hält kalt und heiß, ohne Feuer - ohne Eis"

Erster Werbeslogan für die Thermoskanne

Der erste weltweite Werbeslogan für die Thermoskanne lautete 1907: "Hält kalt und heiß, ohne Feuer - ohne Eis". Ganzseitige Anzeigen in Zeitungen fraßen fast den gesamten Gewinn 1907 auf. Kurz darauf stieg Reinhold Burger aus der Thermos GmbH aus und ließ sich für 65.000 Deutsche Mark auszahlen. Aus heutiger Sicht ein Witz.

"Wir wissen nicht, ob er das bereut hat, dort auszusteigen", sagt sein Enkel. Vielleicht gab es auch Streit mit seinen zwei Geschäftspartnern. "Das hat er nie erzählt." Rückblickend hätte sein Großvater das "vielleicht etwas cleverer machen und drin bleiben können", sagt Burger. Aber es sei schwer zu sagen, ob das ein Fehler gewesen sei.

Der 1866 im brandenburgischen Glashütte/Baruth geborene Erfinder Reinhold Burger sei eher ein Tüftler als Geschäftsmann gewesen, erzählt sein Enkel. "Das war nicht sein Ding." Seine Leidenschaft bestand darin, verschiedene Glasgefäße auf Auftrag anzufertigen. In diesem Bereich hatte Burger aus seiner Sicht spannende Aufträge, die sich abwechselten - keine monotone Massenproduktion wie bei der Thermoskanne. Die 65.000 Mark steckte er in seine zweite Firma, in der er vor allem Röntgenröhren fertigte.

Reinhold Burger musste zusehen, wie sein Produkt zum Welterfolg wurde

Und so bekam Burger die Erfolgsgeschichte seiner eigenen Thermoskanne nur als Zaungast mit. Ab etwa 1912 startete in den USA die Serienfertigung. Bald schon gehörten Thermoskannen zur Grundausstattung in vielen Haushalten. Selbst das deutsche Militär versorgte vor dem Ersten Weltkrieg die Soldaten mit Thermoskannen.

Die beginnende Mobilität der Amerikaner, zum Beispiel durch den Autobauer Ford, war ein Glücksfall für die Vermarktung der "Thermos" und schuf einen großen Bedarf für Fahrten ins Grüne. Auch zum Warmhalten von Babynahrung war die Thermosflasche bald ein Renner.

Für Reinhold Burger folgten zwar jede Menge Ehrungen, "aber das Geld ist nicht geflossen", erzählt sein zweiter Enkel Sven Burger. Er vermutet, dass das an seinem Großvater genagt haben muss. "Weil es ein Punkt zum Ärgern war, wurde nicht drüber gesprochen." Das Thema blieb in der Familie Burger unter Verschluss. Im wahrsten Sinne des Wortes: Unterlagen, die zum Beispiel die Auszahlung zu Burgers Austritt aus der Burger GmbH belegen, wurden erst später in Steuerunterlagen gefunden.

Ein Leben voller Arbeit - und Familie

Burgers Charakter beschreibt sein Enkel Sven als "unwahrscheinlich korrekt" - "sinnlose Worte oder Getratsche gab es eher nicht und man hatte Respekt vor ihm". Der Erfinder fristete ein Leben, das sich hauptsächlich der Arbeit widmete. An Hobbys oder Gewohnheiten seines Großvaters nach getaner Arbeit erinnert sich sein Enkel nicht. "Das war allerdings auch eine ganz andere Zeit. Und in der Familie wollte er Frieden - bloß keinen Ärger."

"Ich will ja noch Kinder haben und sie sollen nicht gehänselt werden."

Thermoskannen-Erfinder Burger, warum er das Produkt nicht nach sich selbst benannte

Beim Markennamen "Thermos" blieb Reinhold Burger dieser Linie treu. Seine Erfindung benannte er nach dem griechischen Wort für Hitze anstatt nach sich selbst. "Ich will ja noch Kinder haben und sie sollen nicht gehänselt werden", soll Burger seine Entscheidung nüchtern begründet haben.

Die Bezeichnung "Thermos" oder "Termos" ist mittlerweile vom Markennamen in vielen Ländern in den gängigen Sprachgebrauch übergegangen. Allein das belege die Bedeutung des Produktes, sagt Erfinder-Enkel Axel Burger.

Thermosgefäße werden auch für Organtransport genutzt

"In Regionen mit extremen Klimaverhältnissen und geringer Elektrifizierung ist der Bedarf besonders groß", fügt Georg Goes, Vorsitzender des Museumsvereins Glashütte, an. Es gebe Haushalte, in denen nicht immer ein Gerät zum Heiß- oder Kalthalten zur Verfügung stehe. "Insofern hat es auch eine ökologische Dimension." Aber die technische Nutzung gehe über die temperaturkonstante Aufbewahrung von Lebensmitteln weit hinaus, sagt Goes. So würden beispielsweise Medikamente auch mitunter in Behältern mit der Burger-Technologie transportiert. Und der Transport von Organen für die Transplantation finde in Thermosgefäßen statt.

Übrigens: In wohl keinem anderen Land sind Thermoskannen so allgegenwärtig wie in Argentinien. Weil auf das Nationalgetränk Mate - eine Art Tee aus den Blättern des Mate-Strauchs - ständig heißes Wasser nachgegossen werden muss, haben viele Argentinier stets eine Thermoskanne bei sich. In der U-Bahn, am Arbeitsplatz, im Park mit Freunden, im Urlaub, die Isolierflasche mit heißem Wasser ist immer dabei. Pro Jahr werden in Argentinien rund 3,5 Millionen Thermosflaschen verkauft - bei einer Bevölkerung von 46 Millionen.

Trotz des ausbleibenden finanziellen Erfolgs wurde Burger über den Siegeszug seiner Thermosflasche nie bitter. Zu seinem 75. Geburtstag im Jahr 1941 sagte er: "Es ist mir eine besondere Freude (...), die Gewissheit zu haben, dass sich dieses Werk für Millionen von Menschen als ein unentbehrliches Hilfsmittel erwiesen hat." (Wilhelm Pischke, dpa/af)

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