"Die dunkle Seite des Mondes", das klingt mysteriös. Hat der Mond tatsächlich eine dunkle Seite, die er permanent vor der Erde verbirgt? Und wie sieht es darauf aus? Was einst für wilde Spekulationen gesorgt hat, ist inzwischen längst erforscht. Und dennoch hat die Rückseite des Mondes noch nicht alle ihre Geheimnisse offenbart.

Mehr zum Thema Weltraum

Von dem amerikanischen Schriftsteller Mark Twain ist das folgende Zitat überliefert: "Jeder Mensch ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt." Die erdabgewandte Seite des Mondes hat die Fantasie der Menschen seit jeher angeregt und längst ihren Platz in der Populärkultur erobert.

Die Band "Pink Floyd" hat 1973 ihr Album "Dark Side of the Moon" genannt, der Schriftsteller Martin Suter im Jahr 2000 seinen Roman "Die dunkle Seite des Mondes" getauft. In Science-Fiction-Romanen wurde spekuliert, ob dort Aliens eine Basisstation errichtet haben und in der Komödie "Iron Sky" aus dem Jahre 2012 dient die Rückseite des Mondes gar als Rückzugsort von Nazis.

Es stimmt, dass uns der Mond stets dieselbe Seite zeigt und die sogenannte Rückseite des Mondes im Verborgenen bleibt. Dass es auf der Rückseite des Mondes permanent dunkel ist, ist allerdings Unsinn.

Wann die Rückseite wirklich dunkel ist

"Wenn auf der Rückseite des Mondes Vollmond ist, dann haben wir Neumond. Wenn bei uns Vollmond ist, dann ist auf der Rückseite Nacht, dann ist es da dunkel. Für jeden Punkt auf dem Mond gilt: 14 Tage lang Tag und 14 Tage lang Nacht", sagt Ulrich Köhler, Planetengeologe vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Der Mond kreist dabei einmal um sich selbst, dreht sich also um die eigene Achse, während er einmal die Erde umkreist. Wirklich dunkel ist die Rückseite des Mondes also nicht permanent. Sondern nur dann, wenn bei uns gerade Vollmond herrscht.

So sieht es auf der erdabgewandten Seite wirklich aus

Wie es auf der Rückseite des Mondes aussieht, ist heute gut erforscht. Im Jahre 1959 lieferte die sowjetische Mondsonde Lunik 3 die ersten Bilder von der Mondrückseite.

Die Astronauten der Mondmission Apollo 8 waren 1968 die ersten Menschen, die sie live betrachten konnten.

Nahaufnahme der Mondoberfläche auf der Mondrückseite mit Blickrichtung nach Südwest. Der große Krater in der Bildmitte ist der International Astronomical Union Krater 308. Die Aufnahme wurde während der Apollo-11-Mission im Juli 1969 gemacht. © picture-alliance / dpa/dpa NASA

So unterschiedlich sind die beiden Mondhälften

Die Rückseite des Mondes habe tatsächlich für einige Überraschungen gesorgt, sagt Ulrich Köhler. Sie sei schon vom Augenschein her anders als die Mondvorderseite.

Auf der Vorderseite des Mondes habe es laut dem Planetengeologen große dunkle Flächen, die von hellen Flächen umgeben seien. Die dunklen Flächen stammten von der Lava, die einst aus dem Inneren des Mondes ausgetreten sei. Und das Helle sei die erste Kruste des Mondes gewesen, nachdem er vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden sei und die dann abzukühlen begann. Die Kruste sei durchschlagen worden und die dunklen Becken, die man Mare nennt, seien entstanden.

Auf der Rückseite hingegen habe man nur zwei dieser dunklen Flächen gefunden. Das liege laut Köhler aller Wahrscheinlichkeit nach daran, dass die Kruste des Mondes auf der Rückseite des Mondes fast doppelt so dick ist wie auf der Vorderseite des Mondes.

Die unterschiedliche Dicke der beiden Hälfte hänge mit der Rotation zusammen. Auf der erdzugewandten Seite hätten stärkere Gezeitenkräfte der Erde gewirkt, sodass die Kruste dünner blieb. Auf der erdabgewandten Seite sei die Kruste daher im Vergleich dicker.

Rückseite Mond
Diese Aufnahme der US-Weltraumbehörde Nasa vom 19.01.2012 zeigt die Rückseite des Mondes. © picture alliance/dpa/NASA

Ein tiefer Krater, der für Spekulationen sorgt

In der Nähe des sogenannten Südpols der Rückseite des Mondes wurde ein besonders tiefer Krater gefunden, das South-Pole-Aitken-Becken. Das größte Einschlagsbecken auf dem Mond hat einen Durchmesser von über 2.000 Kilometern.

Der Himmelskörper, der dort vor circa 4,2 Milliarden Jahren eingeschlagen sei, müsse etwa 200 bis 400 Kilometer groß gewesen sein, sagt Köhler. Für die Forschung sei das "South-Pole-Aitken-Becken" von besonderem Interesse: "Wir glauben, dass der Einschlag so tief runtergeht, dass es den frühen Mantel angekratzt hat. Deswegen würde man da so gerne landen und Proben holen."

Chinesischer Mond-Rover untersucht die Rückseite des Mondes

Ein chinesischer Mond-Rover ist derzeit auf der erdabgewandten Seite des Mondes unterwegs. Er habe jedoch nicht nur die Aufgabe, Gesteinsproben zu gewinnen, es ginge auch darum zu demonstrieren, dass man dort landen und eine Mission betreiben könne, sagt der Experte.

"Auf der Mondrückseite zu landen bedeutet natürlich auch, dass man dann keine direkte Funkverbindung zur Erde hat. Da muss man sich dann etwas einfallen lassen. Die Chinesen haben einen Relais-Roboter dort in der Umlaufbahn geparkt, um über Bande die Daten zu erwischen."

Noch verborgene Geheimnisse der Rückseite des Mondes

Rechnet der Experte noch mit neuen Erkenntnissen oder ist die Rückseite des Mondes inzwischen vollständig erforscht? "Beides ein bisschen", so Köhler. "Die Raumsonde der Nasa hat die Rückseite des Mondes in superhoher Auflösung fotografiert. Da haben wir jetzt ein komplettes Kartenwerk. Bei rund 80 Prozent der Mondrückseite wird es sicherlich keine Überraschungen geben."

Bei den restlichen 20 Prozent bleibe es dagegen spannend: "Im South-Pole-Aitken-Becken sind, so glaube ich, doch noch einige Erkenntnisse verborgen. Und dann gibt es noch den Nordpol und den Südpol des Mondes, die von besonderem Interesse sind."

Südpol und Nordpol des Mondes

Der Südpol und der Nordpol des Mondes könnten noch von entscheidender Bedeutung werden. "Da hat es Krater, in die dringen keine Sonnenstrahlen ein, und da vermutet man, dass es dort mit hoher Wahrscheinlichkeit Eis gibt, das von Kometen dort mal platziert worden ist. Wasser am Nordpol und am Südpol würde natürlich bedeuten, man könnte etwas damit anfangen", sagt Köhler.

Der Experte meint, dass dort beispielsweise eine permanent besiedelte Forschungsstation oder eine länger besiedelte Forschungsstation entstehen könnte. Dort könne man beispielsweise Tomaten züchten.

"Wasser kann man ja spalten in Wasserstoff und Sauerstoff, das ist ein sehr guter und effizienter Raketentreibstoff. Es gibt einige Überlegungen, dass - wenn der Mensch wirklich mal zum Mars aufbrechen sollte, was vermutlich in den 2040er-Jahren so weit sein könnte - er sich den Treibstoff auf dem Mond selber herstellen und vom Mond aus starten könnte. Denn am Mond müsste nur ein Sechstel der Erdanziehungskraft der Erde überwunden werden."

Für den Moment bleibt das Zukunftsmusik. Seine Faszination und Strahlkraft wird der Mond jedenfalls nicht verlieren. Auch dessen Rückseite nicht.

Zur Person:
Ulrich Köhler ist Planetengeologe am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Dort leitet er die Bild- und Datenauswertung verschiedener Missionen.
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.