• "Smash" ist das Jugendwort des Jahres. Zur Auswahl standen auch noch "Macher" und "bodenlos".
  • Eine Sprachexpertin erklärt im Interview mit unserer Redaktion, was diese Wörter bedeuten, wie sie die deutsche Sprache beeinflussen und welche Jugendwörter wir in den kommenden Jahren erwarten können.
Ein Interview

Frau Pauli, "Smash" ist das Jugendwort des Jahres. Vielen Menschen wird dieser Begriff nichts sagen. Was hat es damit auf sich?

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Maren Pauli: "Smash" finde ich persönlich am interessantesten. Es lässt sich aus grammatischer Sicht in allen möglichen Varianten benutzen. "Smash" kann ja als Adjektiv benutzt werden: "Der ist total smash". Es funktioniert auch als Nomen: "Der Typ ist ein Smash". Oder auch als Verb: "Den würde ich gerne smashen". Zur Bedeutung kann man sich Tinder vorstellen: Bei der Dating-Plattform wischt man in die eine oder andere Richtung, je nachdem, wen man gut oder schlecht findet. Im Englischen wird hier die Bezeichnung "Smash or Pass" verwendet, also in etwa "gut finden oder ablehnen". Irgendwer postet also ein Bild von einem Mann oder einer Frau und fragt "Smash or Pass?", also: "Findest du die Person attraktiv oder nicht?"

Zur Auswahl standen auch "Macher" und "bodenlos". Was bedeutet "Macher"?

Ich glaube, das versteht man ganz gut. Das ist eine Person, die etwas anpackt, die was macht und nicht zögert. Es ist ein einfaches, klares Wort, das man nicht groß erklären muss. Wir leben in einer Kultur, in der man sich gerne etwas offen hält. Ein Macher ist das Gegenteil.

Und wie hat es "bodenlos" in die Auswahl zum Jugendwort geschafft?

Das ist ein typischer Fall, bei dem ein Wort, das schon existiert und benutzt wird, nochmal ein bisschen anders interpretiert und als Übertreibung genutzt wird. In der Jugendsprache steht es für etwas unfassbar Schlechtes.

Durch was zeichnet sich Jugendsprache im Allgemeinen aus?

Die Art, wie Jugendliche sprechen, entwickelt sich besonders schnell. Es entstehen neue Wörter, und wenig später sind sie schon wieder uncool. Allgemein charakteristisch für die Jugendsprache ist: Es werden viele Übertreibungen genutzt und bekannte Wörter neu definiert, interpretiert und verwendet. Das sind bekannte Wörter, allerdings versteht man ihre Bedeutung als Erwachsener nicht mehr, weil sie in einem anderen Kontext genutzt werden. Das zeigt sich eben auch gut bei Ausdrücken wie "bodenlos" oder "Macher", die es in diesem Jahr unter die Top 3 der Wahl zum Jugendwort geschafft haben und die ihren Ursprung im Deutschen finden.

Sprache ist immer im Wandel. Das sieht man sehr gut an der Gender-Diskussion. Inwiefern spielt Jugendsprache eine Rolle bei der Entwicklung?

Es gibt einige Wörter in unserem Sprachgebrauch, die mal Jugendsprache waren und sich dann etabliert haben. Ganz platt denke ich an das Wort "cool", das auch irgendwann mal Jugendsprache war. Es gibt auch Wörter, die ein Revival erfahren, so wie Mode auch wiederkommt. Eines meiner Lieblingswörter ist das berlinerische "knorke". Das stammt eigentlich aus den 1910er und 20er Jahren und kam irgendwann wieder. Aber natürlich gibt es auch Wörter, die kurz benutzt wurden und dann einfach wieder ausgestorben sind. Genau das macht Jugendsprache aus: Neue Wörter kommen in den Wortschatz und manche bleiben uns erhalten.

Alljährlich wird ein neues Jugendwort des Jahres gewählt, jedes Mal stehen viele zur Auswahl. Wie kommt es, dass in kurzer Zeit so viele neue Wörter hinzukommen?

Jugendsprache gab es schon immer. Dass neue Wörter sich jedoch immer schneller unter Jugendlichen verbreiten, ist dem technischen Wandel geschuldet. Wir haben heutzutage einen riesigen Informationsfluss. Irgendjemand in den USA postet etwas auf Tiktok oder Instagram und benutzt ein bestimmtes Wort. Es dauert manchmal nur Minuten, bis das re-postet wird und andere dieses Wort aufgreifen. Durch Social Media verbreiten sich Trends und Wörter viel schneller. Auch Streaming trägt dazu bei. Netflix und Co. bringen neue Trends hervor. Wir nehmen viel schneller Informationen auf und verbreiten diese schneller, wodurch sich auch die Sprache schneller verbreitet.

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Die heutige Jugendsprache greift häufig Wörter aus dem Englischen auf. Ist das den sozialen Medien und der Filmindustrie geschuldet?

Ganz klar: ja. Wir haben früher in unserer Kindheit ferngeschaut und die Inhalte waren Deutsch. Durch das Internet, durch Social Media, durch die Streamingdienste sind junge Menschen heute schon früh mit dem Englischen konfrontiert. Einzelne englische Wörter sind schon so in unserem alltäglichen Sprachgebrauch integriert, dass sie gar nicht mehr als Fremdwörter gelten.

Gibt es noch andere Spracheinflüsse?

Viele Begriffe kommen aus der Videospiel-Industrie. Einige Spiele werden zum Beispiel in Japan oder Südkorea entwickelt. Deshalb könnten in den kommenden Jahren noch mehr Wörter aus anderen Fremdsprachen in die Jugendsprache mit einfließen.

Weshalb gibt es überhaupt eine Jugendsprache?

Jugendsprache hat vor allem zum Ziel, sich abzugrenzen. Das ist auch gar nicht negativ. Jugendliche bauen sich in ihrer Gruppe eine Identität auf und benutzen Wörter, von denen nur sie den Code kennen oder eben die gesamte Jugend als eine Gruppe. Manchmal gibt es auch regionale Abgrenzungen.

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Viele Erwachsene kennen das: Sie verwenden Wörter aus der Jugendsprache und stellen eines Tages fest, die neuesten Trends verpasst zu haben. Ab wann ist man nicht mehr Teil der Jugendsprache?

Da lässt sich keine Altersgrenze ziehen. Es hat viel damit zu tun, wo man sich gerade in seinem Leben befindet. Gehe ich noch in die Schule, bin ich an der Uni, mache ich eine Ausbildung, bin ich schon im Arbeitsleben? Es beeinflusst viel mehr, wann man welche Sprache benutzt, als das Alter selbst. Grundsätzlich beginnen die meisten mit elf oder zwölf Jahren, Jugendsprache zu verwenden. Und irgendwann schwächt sich das einfach ab und man ist nicht mehr auf dem neuesten Stand. Ein paar Wörter aus unserer Jugend behalten wir bei und verwenden sie weiter in unserem Freundeskreis.

Bedeutet das, Teenies, die aktuell Wörter wie "bodenlos" oder "Macher" nutzen, werden sie auch noch in 20 Jahren verwenden?

Da gibt es keine allgemeingültige Antwort. Man kann Sprache mit Mode oder mit anderen Trends vergleichen. Warum sich genau dieses eine Wort, diese eine Mode, diese eine Frisur so durchgesetzt hat, wird wahrscheinlich nie jemand genau wissen. Manche Wörter verschwinden wieder, andere bleiben. Da können wir an uns selbst als Jugendliche zurückdenken: Die meisten Wörter legen wir wieder ab, um uns wiederum abzugrenzen. Aber schauen wir mal, was mit "bodenlos" in 30 Jahren passiert.

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Auf Erwachsene wirken einige Begriffe, die Jugendliche verwenden, besonders ungewöhnlich und kurios. Wird Jugendsprache immer extremer oder hat sie, als wir damals noch Teenager waren, auch so auf Erwachsene gewirkt?

Jugendsprache wirkt immer ausgefallener, je älter man wird. In den letzten Generationen hatten wir sehr viele Wörter aus dem Englischen. Wenn wir uns ältere Generationen anschauen, vielleicht Menschen um 60 Jahre, dann haben wir in Deutschland viele Personen, die nicht mit Englisch aufgewachsen sind, die kein oder nur wenig Englisch beherrschen. Solche Wörter klingen ihnen doppelt fremd, weil sie einerseits die Jugendsprache nicht verstehen und andererseits kein Englisch. Wenn man nicht mehr Teil dieser Gruppe ist, kommt man erst recht nicht mit.

Jugendliche grenzen sich ab, Erwachsene kommen nicht mehr hinterher. Manche Eltern versuchen es aber und bemühen sich, den Wortschatz ihrer Kinder aufzugreifen …

Obwohl ich keine Erziehungsratgeberin bin, würde ich Eltern davon abraten. Kinder und Jugendliche verwenden Jugendsprache nicht aus böser Absicht, sondern um sich einfach etwas abzugrenzen. Da sind Erwachsene nicht gut beraten sich anzupassen. Was man natürlich machen kann, ist, diese Wörter mal zu googeln, um zu verstehen, was sie eigentlich bedeuten. Was meint mein Kind überhaupt, wenn es sagt, "Das ist ja bodenlos" oder "Der Typ ist smash"? Wenn man das versteht, ist schon viel getan, weil man darauf reagieren kann.

Was erwarten Sie: Wie wird sich die Jugendsprache in den kommenden Jahren entwickeln?

Ich denke, dass Apps, Spiele und Serien sehr großen Einfluss auf die Jugendsprache haben werden. Der Trend geht weiter, dass es schnell geht, dass man jedes Jahr viele neue Wörter sehen wird. Auch in den nächsten Jahren wird Englisch einen großen Einfluss haben. Aber wer weiß? Vielleicht wird es auch mehr Einflüsse aus anderen Sprachen geben. Was die Wörter selbst betrifft: Jugendsprache bezieht sich auf Themen, über die sich Teenager austauschen: Dating, Party machen, Serien und Filme schauen und chillen. Jugendwörter beziehen sich daher vorrangig auf Freizeitbeschäftigungen.

Über die Expertin: Maren Pauli ist Sprachexpertin bei der Sprachlernplattform Babbel. Davor hat sie Linguistik studiert und war unter anderem als Lehrerin und Journalistin in Deutschland und Japan tätig. Maren Pauli kann sich in acht Sprachen verständigen.
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