FOMO, die Angst, etwas zu verpassen, ist ein psychisches Phänomen, das weitreichende gesundheitliche Folgen haben kann. Was man darunter versteht und wie man vorbeugen kann.

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"Fear of missing out", kurz FOMO, nennen Experten ein psychisches Phänomen, das mit der ständigen Erreichbarkeit und der häufigen Nutzung sozialer Medien zusammenhängt. Ständig am Leben anderer teilzuhaben und immer neue Informationen zu erhalten, ist spannend, kann aber auch belasten. Ein Experte erklärt, welche Folgen FOMO haben kann und wie man dem Stress am besten vorbeugt.

Informationsaustausch hat neue Dimensionen erreicht

Soziale Medien sind für viele Menschen zu einer täglichen Freizeitbeschäftigung geworden. Auf Facebook, TikTok, Instagram oder anderen Online-Plattformen gibt es immer etwas zu erleben, ständig wechseln Nachrichten oder Bilder, mit jedem Klick erscheinen Neuigkeiten. Man kann sehen, was Freunde und Bekannte machen, einen Blick ins Privatleben von Prominenten werfen oder sich mit Menschen auf der ganzen Welt austauschen. Das ist spannend und kann stundenlang fesseln, gleichzeitig aber auch zu Erlebnisdruck und Überforderung führen.

"Bei FOMO handelt es sich nicht um ein völlig neues psychisches Phänomen. Kontakte zu finden und sich auszutauschen, ist ein natürliches, menschliches Bedürfnis. Aber durch die Sozialen Kanäle hat der Informationsaustausch in unserer schnelllebigen Zeit eine völlig neue Dimension gewonnen", betont Dr. Torsten Grüttert, Chefarzt der Privatklinik Duisburg und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

Vor allem junge Menschen, die viel in sozialen Medien unterwegs sind, können durch die Fülle und Vielfalt der Informationen gestresst werden. "Vielen Menschen fällt es schwer zu entscheiden, was relevant ist und was ignoriert werden kann. Im Allgemeinen werden wohl circa elf Millionen Sinneseindrücke pro Sekunde von unserem Gehirn verarbeitet, von denen allerdings nur ein Bruchteil, etwa 40, bewusst wahrgenommen werden. Der bei Betroffenen auftauchende, allgegenwärtige Erlebnisdruck kann über kurz oder lang stark überfordern und zu Stressphänomenen auf seelischer wie auch körperlicher Ebene führen," erklärt Grüttert.

Welche Folgen kann FOMO haben?

FOMO ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern ein individuell ungesunder Umgang mit Nachrichten und Informationen aus unserer Umwelt.

Wenn die Angst, etwas zu verpassen, ständig unter Druck setzt, kann das gesundheitliche Folgen haben. Erste Symptome von FOMO sind meist Nervosität, Konzentrationsstörungen und Frustrationsgefühle. Wer tagtäglich in sozialen Netzwerken nur geschönte Bilder und Videos von anderen sieht, miterlebt, wie sie um die Welt reisen, sich mit top gestylten Freunden an angesagten Orten treffen, ständig Aufregendes erleben, beginnt das eigene Leben abzuwerten, empfindet es als langweilig und fühlt sich niedergeschlagen.

Wenn sich Menschen dauerhaft von diesem Gefühl belastet fühlen, kann dies weitreichende Folgen für das Privatleben und auch den Beruf haben. FOMO-Betroffene vergleichen sich und ihr Leben beispielsweise ständig mit dem anderer Menschen und sind frustriert, wenn sie nicht wissen, was Freunde und Bekannte gerade machen oder wenn sie bei deren Aktivitäten nicht immer dabei sind. Wer nach Nachrichten süchtig ist, kann sich meist auch schlecht auf seine Arbeit konzentrieren und schafft es selbst in Gesellschaft oder beim Essen kaum, das Smartphone beiseite zu legen. Ist dies der Fall, kann FOMO zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen wie Depressionen, Schlafstörungen oder Alkoholabhängigkeit führen.

Ab wann die Grenze zwischen einem gesunden Interesse an Informationen aus der Umwelt und einer belastenden regelmäßigen Aktualisierung des Newsfeeds überschritten wird, ist individuell verschieden. Auch die Frage, ab wann erste körperliche Symptome von FOMO zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, kann nicht pauschal beantwortet werden. Hier muss jeder für sich selbst entscheiden, wie gut er seinen Online-Konsum noch selbst kontrollieren kann und ob er eventuell Hilfe in Anspruch nehmen möchte.

"Manche Menschen haben ein sehr gutes Reizschild und können besser filtern und gegebenenfalls auch Dinge von sich halten, also bei sich bleiben. Andere, die zum Beispiel durch Stress vorbelastet sind, eventuell sozial isoliert leben oder sehr selbstunsicher sind, sollten sich wahrscheinlich kritischer hinterfragen, ob sie sich durch FOMO belastet fühlen," rät der Experte.

Wie kann ich dem FOMO-Phänomen vorbeugen?

An erster Stelle steht natürlich ein gesünderer Umgang mit dem Smartphone und die Reduzierung der Onlinezeiten. Spezielle Apps helfen dabei, den Social-Media-Konsum zu minimieren und gezielt bestimmte Bildschirmzeiten festzulegen. Um dem Teufelskreis der ständigen Informationsflut zu entkommen, rät Dr. Grüttert zu folgenden Maßnahmen: "Empfehlenswert sind feste Auszeiten, in denen die Sozialen Kanäle konsequent offline sind. Nehmen Sie sich Zeit für sich und Ihre Bedürfnisse und überlegen Sie, was Sie glücklich macht."

Jeder Mensch ist anders und jeder muss für sich selbst herausfinden, was ihm gut tut und was ihm wichtig ist. Vielleicht ist jemand nicht der Typ, der ständig verreist oder am Wochenende von Club zu Club zieht, sondern der lieber zu Hause bleibt und liest oder es sich vor dem Fernseher gemütlich macht. Dann ist das genau das Richtige. Wieder mehr auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und ihnen zu folgen, das kann man lernen. Auch wohltuende Kleinigkeiten im Alltag wieder mehr wertzuschätzen, ist bereichernd.

"Sollte man sich freie Zeiten eingeplant haben, dann sind Pläne, was man statt dem Surfen macht, sicherlich von Vorteil, damit man nicht rückfällig wird. Sport und Bewegung im Allgemeinen erscheinen hirnbiologisch als einer der wichtigsten Faktoren, um Stress abzubauen, den Kopf freizubekommen und Körper und Geist zu regenerieren," sagt der Psychiater.

Auch Achtsamkeitsübungen sind empfehlenswert, sie fördern die seelische Zufriedenheit und das Wohlbefinden. Mit Atemübungen kann man sich immer und überall entspannen, wenn man merkt, dass man unter Druck steht oder gestresst ist. Gut geeignet ist die 4-7-8-Methode. Sie funktioniert folgendermaßen: Die Zungenspitze hinter die oberen Schneidezähne legen, durch die Nase einatmen und dabei bis vier zählen. Dann den Atem anhalten und bis sieben zählen. Dann durch den Mund ausatmen und dabei bis acht zählen. Das Ganze dreimal wiederholen.

Grundsätzlich bieten auch Stressbewältigungstechniken und Entspannungsmethoden wie Progressive Muskelentspannung oder Yoga einen Ausgleich zur digitalen Hektik und helfen, gelassener und ohne Druck von außen durchs Leben zu gehen.

Über den Experten: Dr. Torsten Grüttert ist Chefarzt der Privatklinik Duisburg.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Dr. Torsten Grüttert (Chefarzt der Privatklinik Duisburg)
  • Die Techniker: "FOMO" – die Angst, etwas zu verpassen
  • Barmer: FOMO: die Angst, etwas zu verpassen. Wie geht man mit Erlebnisdruck um?
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