• Am 1. Juni 2020 war die Meereisbedeckung im Polarmeer durchschnittlich dicker als in den Vorjahren.
  • Nur wenige Wochen später sah es schon ganz anders aus: Knapp die Hälfte der Region nordöstlich von Grönland war eisfrei.
  • Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären, was die Ursachen für den Negativrekord sind.

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Negativrekord in der Arktis: Im Polarmeer nordöstlich von Grönland war die Meereisbedeckung im August 2020 mit 52 Prozent so niedrig wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Dabei war das Eis am 1. Juni sogar noch durchschnittlich dicker als in den Vorjahren (2011 bis 2019).

Forscher um Axel Schweiger von der University of Washington in Seattle rekonstruieren nun die Prozesse mit Hilfe von Satellitenmessungen und Computersimulationen. Im Fachjournal "Communications Earth & Environment" beschreiben sie eine ungewöhnliche Wetterlage und den Anteil des Klimawandels an der Rekordschmelze, die das deutsche Forschungsschiff "Polarstern" vor einem Jahr in der Region registriert hatte.

Bangen um die "Last Ice Area"

Die Wandelsee nordöstlich von Grönland zählt zusammen mit dem Meeresgebiet um die nördlichen kanadischen Inseln zur "letzten Eisfläche" (Last Ice Area). So nennen Wissenschaftler das Gebiet, weil sie aufgrund von Simulationen in Klimamodellen erwarten, dass dort am längsten ganzjährig Meereis zu finden sein wird.

"Die Last Ice Area gilt als letztes Refugium für mit Eis verbundene arktische Meeressäuger, wie Eisbären (Ursus maritimus), eisabhängige Robben wie Ringelrobben (Pusa hispida) und Bartrobben (Erignathus barbatus) und für Walrosse (Odobenus rosmarus), für das ganze 21. Jahrhundert", schreiben Schweiger und Kollegen.

Die Wetterverhältnisse wurden zu einem Problem

Bei niedrigem Luftdruck in den ersten drei Monaten des Jahres 2020, vor allem im Februar, drückte der Nordwind viel Packeis in die Wandelsee und an die Nordostküste Grönlands. Das Eis war älter und dicker als zuletzt üblich. Im Juli und August hingegen herrschte überwiegend hoher Luftdruck, und Ostwinde trieben Packeis nach Nordwesten aus der Wandelsee heraus. Durch den hohen Luftdruck gab es kaum Wolken und deshalb eines intensive Sonneneinstrahlung.

Die Eisfläche in der Wandelsee dünnte im Sommer 2020 deshalb so schnell aus, weil es neben dem älteren, dickeren Eis auch jüngeres, dünneres Eis gab. Nachdem dieses dünne Eis geschmolzen war, nahm die dunklere Wasserfläche viel Sonnenenergie auf und erwärmte sich schnell. Das warme Wasser ließ dann noch mehr Eis abschmelzen.

"In Jahren, in denen die Eisdecke in dieser Region mit älterem und dickerem Eis angefüllt wird, scheint das also nicht so viel zu bringen, wie man vielleicht erwarten würde", wird Schweiger in einer Mitteilung seiner Universität zitiert.

Der Klimawandel trägt eine Teilschuld

Die Forscher sehen die Ursache für den Negativrekord bei der Meereisbedeckung in der Wandelsee zu 80 Prozent in den ungewöhnlichen Luftdruck- und Windverhältnissen im vergangenen Jahr. Etwa 20 Prozent weisen sie dem Klimawandel zu: hauptsächlich das dünner werdende Eis und die sich vergrößernden Wasserflächen zu Beginn der jährlichen Eisschmelze. Dünnere Eisschollen könnten auch leichter vom Wind fortgetrieben werden, merken die Forscher an.

"Unsere Arbeit legt eine erneute Überprüfung der Klimamodellsimulationen für dieses Gebiet nahe, da die meisten Simulationen niedrige Meereisbedeckungen auf dem Niveau des Sommers 2020 erst für die Zeit in mehreren Jahrzehnten oder länger in der Zukunft vorhersagen", schreiben die Wissenschaftler. (dpa/ff)

Quecksilber im Meer: Giftiges Schwermetall stammt wohl nicht vom Menschen

Forschende haben eine hohe Quecksilber-Konzentration im arktischen Meer südlich von Grönland nachgewiesen. Das giftige Schwermetall in Zuflüssen und in der See stammt wohl nicht vom Menschen. (Symbolfoto: iStock: Explora_2005)
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