• Wespen scheinen uns dieses Jahr schon ungewöhnlich früh zu belästigen. Aber stimmt das wirklich?
  • Ein Biologe klärt auf und verdeutlicht die Perspektive der vermeintlichen Plagegeister: Für sie sind nämlich wir die Störenfriede.

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Essen unter freiem Himmel gehört zum Sommer dazu, doch Wespen können es einem ganz schön vermiesen. Dabei ist egal, ob süß oder herzhaft: Die Tiere – konkret die Deutsche und die Gemeine Wespe - stürzen sich auf Limo und Kuchen genauso wie auf Fleisch. "Für sich selbst benötigen sie als Vegetarier nur Süßes. Zuckersäfte sind das Benzin, das sie zum Fliegen brauchen", erklärt Berthold Langenhorst vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) im Gespräch mit unserer Redaktion.

Diesen Saft liefern eigentlich Blüten. "Wenn wir aber natürlich so viel Süßes hinstellen, ist das für Wespen attraktiver, als mühsam von Blüte zu Blüte zu fliegen", so Langenhorst. "Die Wespen sind da sehr menschlich." Und auch mächtig hartnäckig: "Je später der Sommer, desto hungriger sind sie, weil die Nektarpflanzen immer weniger werden."

Fleisch sammeln sie ausschließlich für den Nachwuchs. "Sie füttern damit die Larven, die durch das tierische Eiweiß in kurzer Zeit stark werden. Dafür jagen sie auch Insekten und gehen an Aas oder eben unser Grillgut."

Ideales Wetter: "Es wird ein starkes Wespenjahr"

Schon jetzt scheinen ungewöhnlich viele der gelb-schwarzen Insekten herumzuschwirren. Nach zwei "schwachen" Wespenjahren hält Langenhorst die Zahl der Wespen im Moment für normal, räumt aber ein: "Es wird ein starkes Wespenjahr, ab nächster Woche geht es so richtig los."

Grund sei das regelrechte "Wespenwetter": Trockenheit und Wärme dominierten schon früh im Jahr. "Der Frühling ist eine heikle Phase für die Volksgründung. Nur die Jungkönigin hat überwintert, alle anderen Wespen ihres Volkes sind gestorben. Die Männer haben sowieso nicht viel zu melden. Die Königin beginnt dann zunächst ganz allein mit dem Nestbau, Wabe für Wabe, und versorgt die erste Brut. Verpilzungen setzen bei Nässe den Larven zu, aber heuer war das Wetter ideal – auch für Schmetterlinge, Hummeln und Wildbienen, von denen wir dieses Jahr auch sehr viele sehen werden", sagt Langenhorst.

Wespen nerven uns – und wir nerven Wespen!

Sind die ersten Arbeiterinnen geschlüpft, konzentriert sich die Königin ganz aufs Eierlegen, alle anderen Arbeiten werden ihr abgenommen. "Eine Arbeiterin überlebt nur etwa 30 Tage. Deshalb bauen sie immer weiter Waben, damit innerhalb eines Sommers mehrere Generationen nachkommen."

Bis zu 10.000 Wespen können zu einem der gut versteckten, manchmal kürbisgroßen Wespennester gehören. Werden gegen Herbst keine Eier mehr gelegt, wird auch kein Fleisch mehr für die Larven benötigt. Dann gehen sie nur noch auf unsere süßen Speisen.

Und das höchst energisch: "Aus ihrer Perspektive sind wir die Störenfriede: Am liebsten wäre ihnen ein Tisch mit viel Kuchen und süßer Limo ohne Menschen. Wir hindern sie daran, an die Nahrung zu kommen, die sie zum Überleben brauchen. Da stellen wir ihnen Essen hin und wollen sie dann verscheuchen – das verstehen sie nicht. Sie kommen wieder und wieder und geben keine Ruhe."

Will die mich stechen? Darum fliegen uns Wespen so penetrant an

Was uns dann so lästig wird, hat mit einem großen Handicap zu tun, das Wespen haben: "Sie sind sehr kurzsichtig und können uns nur schwer wahrnehmen, deshalb fliegen sie so nah an uns heran", erklärt Langenhorst. Wir neigen dann zu hektischen Bewegungen - die Wespe fühlt sich davon bedroht und sticht.

  • Tipp: Nicht wild wedeln, sondern mit einer langsamen Handbewegung – eventuell auch mit einer größeren Serviette in der Hand – die Wespe zur Seite schieben.

"Solche ganz ruhigen Bewegungen kann sie noch wahrnehmen", erklärt Langenhorst. Bei wilden Schlägen aber fühle sie sich angegriffen. Genauso falsch sei es, Wespen anzupusten: "Das CO2 in unserem Atem ist ein Alarmsignal. Das kennen sie von Tieren, die ihr Nest angreifen."

Warum stechen Wespen manchmal auch dann, wenn wir ganz ruhig sind?

Allerdings haben viele auch schon diese Erfahrung gemacht: Man steht ganz still da und wird urplötzlich von einer Wespe gestochen. "Wir wissen nie genau, wann sie sich bedroht fühlen", erläutert Langenhorst. "Das kann auch eine unbedachte Bewegung in meinem Rücken gewesen sein. Außerdem reagiert eine Wespe anders als die andere: Die eine ist gelassener, die andere fühlt sich schneller bedroht. Stechen wollen sie möglichst nicht, denn das bedeutet Energieaufwand: Für jeden Stich müssen sie neues Gift produzieren."

Richtiges Verhalten minimiere das Risiko, gestochen zu werden. Zudem warnt Langenhorst vor offenen Getränkeflaschen: "Wespen fliegen hier sehr gerne hinein, ein Kind sieht es nicht, trinkt, die Wespe sticht zu und der Rachen schwillt lebensbedrohlich an. Das ist die größte Gefahr durch Wespen."

Welche Mittel helfen wirklich gegen Wespen?

Um Wespen fernzuhalten, empfiehlt Langenhorst eine "Ablenkfütterung": Bei "Jugend forscht" fanden Schülerinnen heraus, wie das am besten funktioniert:

  • Einen Teller mit überreifem Obst etwa fünf bis zehn Meter vom Esstisch aufstellen.
  • Am liebsten stürzen sich die Wespen auf Weintrauben, die schon etwas gegoren sind.
  • Auch angefaulte Äpfel ziehen die Tiere an, wie häufig in der Natur zu beobachten ist.

Sind es zu viele Wespen, die womöglich gerade auch noch auf Fleischsuche sind, wird aber auch diese Methode womöglich nicht das ersehnte Ergebnis bringen. Dasselbe gilt für angezündetes Kaffeepulver: "Das kann funktionieren, doch wirklich hungrige Wespen lassen sich davon nicht abhalten."

Für sehr wirkungsvoll hält Langenhorst, mit einem Wasserzerstäuber vorsichtig in Richtung der Tiere sprühen: "Das vertreibt sie, weil sie mit nassen Flügeln nicht fliegen können. Der Nachteil ist, dass man immer wieder sprühen muss."

Infografik Was summt denn da?
Was summt denn da? Nicht jedes Tierchen, das summt und gelb-schwarz gestreift ist, wird uns gefährlich. © 1&1

Welchen Nutzen haben Wespen?

Der einzige Trost angesichts der vermeintlichen Plagegeister: "Sie bestäuben Pflanzen und spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem. Ja, sie sind eigentlich eine richtige Gesundheitspolizei, gehen an Aas und sammeln tote Tiere auf", sagt Langenhorst.

Was auch kaum jemand weiß: Der Wespenbussard, eine Habichtart, ist auf sie angewiesen: "Er braucht sie als Nahrung, um seine Jungen großzuziehen. Und auch Hornissen ernähren sich fast ausschließlich von Wespen. Deshalb verfluchen Sie es nicht, wenn Sie ein Nest in der Nähe entdecken – die Hornissen können Erleichterung schaffen. Nur zu nahe kommen dürfen Sie ihrem Nest nicht: Dann sticht auch die sehr harmlose Hornisse zu. Sie greift aber nur im Notfall an und interessiert sich als Fleischfresser auch nicht für unseren Kuchen."

Über den Experten: Dr. Berthold Langenhorst ist Diplom-Biologe und Geschäftsführer Kommunikation beim NABU Landesverband Hessen e.V.

Verwendete Quellen:

  • NABU: "Kein Grund zur Panik - Hornissen und Wespen sind friedlicher als allgemein gedacht"
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

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