Lange galt die Antarktis als eine von wenigen Regionen der Erde noch als frei von der Vogelgrippe. Doch nun erobert der gefährliche Erreger Teile dieser Region. Unter anderem für Pinguine könnte das fatale Folgen haben.

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Bisher galt die Antarktis neben Australien und Ozeanien als letzte vom aktuellen Vogelgrippe-Ausbruch verschonte Region der Erde. Der Erreger ist nun allerdings auf der kleinen Insel Bird Island im Südpolarmeer nachgewiesen worden. Das teilte die Polarforschungsorganisation British Antarctic Survey (BAS) mit.

Betroffen seien die Braunen Skuas, auch Subantarktik-Skua (Stercorarius antarcticus) genannt, die zu den Raubmöwen zählen.

"Die Vogelgrippe könnte in der Antarktis eine Umweltkatastrophe ersten Grades auslösen."

Meeresbiologe Ralf Sonntag

Der Meeresbiologe Ralf Sonntag von der Umweltschutzorganisation Pro Wildlife sagte zu den Nachweisen: "Die Vogelgrippe könnte in der Antarktis eine Umweltkatastrophe ersten Grades auslösen." Schließlich hätten dort bis zu 100 Millionen Seevögel ihre Brutgebiete. Darunter auch fünf Pinguinarten wie Kaiser- und Adeliepinguine, die nur dort vorkämen. Zudem lebten in der Region Robbenarten wie Weddellrobben und Seeleoparden.

Vogelgrippe
Ein toter Seevogel liegt neben einer toten Mähnenrobbe, die vermutlich an der Vogelgrippe gestorben ist, an einem patagonischen Atlantikstrand in der Nähe von Viedma, Provinz Río Negro, Argentinien. Bisher galt die Antarktis neben Australien und Ozeanien als letzte vom aktuellen Vogelgrippe-Ausbruch verschonte Region der Erde. Nun aber gebe es dort Nachweise des Erregers bei Vögeln auf der kleinen Insel Bird Island im Südpolarmeer, teilte die Polarforschungsorganisation British Antarctic Survey (BAS) mit. © dpa / Juan Macri/AP/dpa

Vogelgrippe könnte zu Sterben bei Pinguinen führen

Nach Berichten über kranke und tote Skuas nahmen Forschende dem BAS zufolge Proben und werteten diese in Großbritannien aus. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass Vögel das Virus einschleppten, als sie von ihrer Wanderung nach Südamerika zurückkehrten. Dieser Kontinent ist derzeit stark betroffen.

"Wenn die Viren von Südamerika aus in die großen antarktischen Pinguinpopulationen einbrechen würden, muss man mit schlimmen Folgen rechnen."

Timm Harder, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am FLI in Greifswald

Timm Harder, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am FLI in Greifswald, stuft Vogelarten, die bisher nie in Kontakt mit der Vogelgrippe waren, als besonders gefährdet ein. "Wir wissen, dass einige Pinguinarten für das Virus empfänglich sind", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Wenn die Viren von Südamerika aus in die großen antarktischen Pinguinpopulationen einbrechen würden, muss man mit schlimmen Folgen rechnen."

Harder geht davon aus, dass auch Australien und Ozeanien nicht verschont bleiben werden. "Das ist nur eine Frage der Zeit", meint er.

Tausende tote Tiere auf Bird Island

BAS betreibt eine Forschungsstation auf Bird Island. Auf der Insel leben nach Angaben der Forscherinnen und Forscher Kolonien verschiedener Seevogelarten, darunter Wander-, Schwarzbrauen- und Graukopfalbatrosse, Riesensturmvögel sowie Goldschopf- und Eselspinguine.

Der Ausbruch, verursacht von einer Variante des Vogelgrippe-Subtyps H5N1, hatte im Herbst 2021 begonnen. Er führte zum Tod zahlreicher Seevögel - und in geringerem Maße auch von Säugetieren - in der nördlichen Hemisphäre, im Süden Afrikas, im Atlantik, im Pazifik und in Südamerika. An der dortigen Pazifikküste wurden seit Ende vorigen Jahres zunächst in Peru und später auch in Chile tausende tote Meeresbewohner gefunden - etwa Pelikane, Pinguine, Meeresotter, Robben und Meeressäuger.

An der Atlantikküste wurden im Sommer in Uruguay und Argentinien tote Seelöwen entdeckt. Insgesamt wurden in Südamerika bislang etwa 15.000 tote Robben registriert. Ob es bereits zu Übertragungen des Virus zwischen Säugetieren kam, ist Experten zufolge noch ungeklärt. Für Menschen gilt der Erreger bisher als weitgehend ungefährlich.

Auch Europa weiterhin stark von Vogelgrippe betroffen

Auch Europa, wo die klassische Vogelgrippesaison nun gerade bevorsteht, ist weiterhin stark betroffen. Ende September schrieb das zuständige Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in einem Bericht mit Datenstand Juli/August, dass, über ganz Europa verteilt, gehäuft Todesfälle in Brutvogelkolonien von Küstenvögeln auftreten, "die teilweise den Umfang lokaler Massensterben angenommen haben".

Betroffen waren etwa Möwen, Seeschwalben und Basstölpel. Zudem starben unter anderem Katzen, Füchse, Marder, Nerze und Seehunde. (dpa/sbi)

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