Kahle Kreise in Grasflächen in der Namib-Wüste geben Forschenden seit Jahren Rätsel auf. Eine neue Untersuchung widerlegt nun angeblich eine Ursache, von der ein Göttinger Forschungsteam im Jahr 2022 ausgegangen ist. Doch die Göttinger Forschenden halten an ihrer Theorie fest.

Mehr zum Thema Natur & Umwelt

Seit mehr als zehn Jahren rätseln Forschende, was es mit mysteriösen Löchern in der Namib auf sich hat. In der Wüste an der Südwestküste Afrikas bilden sich kahle Kreise in Grasflächen, genannt Feenkreise. Organisieren sich die Gräser selbst oder sind es doch Tiere, die wenige Meter breite Kreise in die Gräser fressen?

Ein Forschungsteam des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg hat nun eine Untersuchung vorgelegt, wonach Termiten die Ursache für die Feenlöcher sein sollen.

Forschungsteam weist Präsenz von Termiten in Feenkreisen nach

In ihrer Studie, die in der Fachzeitschrift "Perspectives in Plant Ecology, Evolution and Systematics" (PPEES) veröffentlicht wurde, gehen der Biologe Norbert Jürgens und der Bodenkundler Alexander Gröngröft von der Universität Hamburg davon aus, dass Termiten für die Kreise verantwortlich sind. An mehr als 1.700 Feenkreisen in Namibia, Angola und Südafrika hätten die Wissenschaftler die Sandtermiten nachweisen können.

Damit bestätigt die Studie Ergebnisse, die Jürgens bereits im Jahr 2013 publizierte. Rein unterirdisch lebende Kolonien von Sandtermiten der Gattung Psammotermes verursachen demnach die Kahlstellen in der Namib. Die Tiere fressen die Pflanzen, wodurch Wasser in den sandigen Böden auch lange nach seltenen Regenfällen gespeichert werden kann.

Die Ursache für die Bildung der Feenkreise sei mit den neuen Ergebnissen eindeutig, wird Jürgens in einer Mitteilung zu Studie zitiert. "Es sind die Sandtermiten, die sich durch die Bodenfeuchtespeicherung einen erheblichen Überlebensvorteil sichern."

Göttinger Forschungsteam kam 2022 zu anderer Annahme

Auch ein Forschungsteam der Universität Göttingen ging den Feenkreisen in Namibia auf den Grund und kam vergangenes Jahr zu dem Schluss, dass sich die Pflanzen wohl selbst organisieren. Denn unmittelbar nach Regenfällen starben die Gräser innerhalb der Kreise ab. Die Ergebnisse stützten sich auf Bodenfeuchtemessungen. Demnach entzieht das außerhalb der Feenkreise wachsende Gras den Löchern das Wasser.

Feenkreise in Namibia
Drohnenaufnahme eines Autos im NamibRand-Naturreservat, eine der Feenkreisregionen in Namibia, wo die Forscher Gräser, Bodenfeuchte und Infiltration untersuchten. (April 2022) © Dr. Stephan Getzin

"Unter der starken Hitze in der Namib transpirieren die Gräser ständig und verlieren Wasser", sagt Stephan Getzin von der Abteilung für Ökosystemmodellierung an der Universität Göttingen laut einer Mitteilung. "Daher bilden sie um ihre Wurzeln herum ein Bodenfeuchtigkeitsvakuum und das Wasser wird zu ihnen hingezogen."

Getzin schloss daraus, dass Termiten nicht für das Absterben verantwortlich sein können. Die meisten Innenbereiche der Feenkreise seien von Anfang an kahl geblieben, "also gab es nicht einmal Biomasse, von der sich die Termiten hätten ernähren können".

Lesen Sie auch: Gut versteckt: Unterirdisch blühende Palme auf Borneo entdeckt

Jürgens: Selbstregulation nach aktuellem Kenntnisstand physikalisch unmöglich

Die neuen Untersuchungen beweisen laut Jürgens jedoch, dass das Team der Universität Göttingen mit seiner Interpretation falsch gelegen habe. Die Messungen der Bodenfeuchte, auf die sich die Studie des Göttinger Forschungsteams stützte, decken sich zwar mit jenen von Jürgens im Jahr 2013. Die Forschenden um Getzin hätten jedoch den Oberboden bei 20 Zentimetern Tiefe gemessen. Da der Boden dort austrocknete, hatten sie angenommen, die umliegenden Gräser würden das Wasser aus den Feenkreisen entziehen. Jürgens hingegen führte Messungen in mehreren Tiefen bis zu 90 Zentimetern durch. Dabei habe er herausgefunden, dass die Feenkreise im Unterboden das Wasser langzeitig speichern.

"Von noch größerer Tragweite ist, dass die Analyse meines Kollegen Gröngröft und die im Labor durchgeführten Messungen der hydrologischen Eigenschaften des Wüstensandes die entscheidenden Grundlagen der Annahme einer Selbstregulation entkräften", erklärt Jürgens. Wegen der geringen Feuchtemengen unterhalb der Feenkreise könnten nur noch sehr geringe flüssige Wassertransporte über kurze Distanzen stattfinden.

Die Tatsache, dass sich trockene Sandschichten an der Bodenoberfläche direkt über dem feuchten Untergrund bildeten, zeige dieses physikalische Phänomen. Deshalb seien die "von den Vertreterinnen und Vertretern der Selbstregulation angenommenen horizontalen Wassertransporte über Meter in wenigen Tagen […] nach aktuellem Kenntnisstand physikalisch unmöglich", sagt Jürgens.

In der aktuellen Studie schlussfolgert das Forschungsteam, dass die Böden in der Namib auch während längerer Dürreperioden Regenwasser speichern können. Das ermögliche den Termiten, mehrere Jahre in der Wüstenumgebung zu leben. Das sei "ein weltweit einzigartiges Beispiel für Ökosystemtechnik durch soziale Insekten".

Göttinger Forscher Getzin hält an Selbstregulationstheorie fest

Der Göttinger Forscher Stephan Getzin reagierte nun auf die Replik der Hamburger Forscher. In einem Gespräch mit unserer Redaktion bekräftigte er seine Ergebnisse und hält an der Theorie fest, dass die Gräser sich selbst regulieren und dadurch die Feenkreise entstünden.

Einerseits fehle es der Sandtermitenhypothese an Feldbeweisen, so Getzin. Andererseits zeigten die gesammelten Bodenfeuchtedaten eindeutig, dass die Voraussetzungen für eine hohe Wasserleitfähigkeit gegeben waren.

Als Beweis dafür nannte er unter anderem die großen, schnell ergrünenden Randgräser der Feenkreise und die Wurzelmessungen, die er und sein Team durchgeführt hätten: "Wir haben die Wurzellängen gemessen und dabei herausgefunden, dass die Wurzeln von kürzlich abgestorbenen Gräsern aus den Feenkreisen und von lebenden Gräsern außerhalb mindestens gleich lang sind." Im Norden der Namib seien die Wurzeln der Gräser im Feenkreis sogar signifikant länger gewesen. "Das spricht diametral gegen die Termitentheorie."

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Stephan Getzin, Abteilung Ökosystemmodellierung der Fakultät für Forstwissenschaften
    und Waldökologie an der Georg-August-Universität Göttingen
  • Uni Hamburg: Pressemitteilung "Termiten als Ursache der Feenkreise in der Namib-Wüste bestätigt" (Publiziert am 11. Juli 2023)
  • Royal Society Publishing: Studie "Evolution at the arid extreme: the influence of climate on sand termite colonies and fairy circles of the Namib Desert" (Publiziert am 10. Juli 2023)
  • Uni Göttingen: Pressemitteilung "Forschungsteam der Universität Göttingen entschlüsselt Geheimnis der Feenkreise in Namibia" (Publiziert am 20. Oktober 2022)

Hinweis: Die Reaktion von Dr. Stephan Getzin haben wir in einer Aktualisierung des ursprünglichen Artikels nachträglich ergänzt.

Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.
Naturrätsel: Erkennen Sie den Tintenfisch?

Naturrätsel: Erkennen Sie den Tintenfisch?

Wetten, Sie erkennen den Tintenfisch auf diesem Foto nicht? Das ist kein Wunder, denn dieser Krake besitzt eine spektakuläre Fähigkeit.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.