Asche bedeckt die aufgeplatzten, tief zerfurchten Straßen. Abgestorbene, weiß gebleichte Bäume säumen den Wegesrand. Lodernde Flammen unter der Erde erhitzen den Boden, dichter Nebel steigt zwischen den Gräbern des Friedhofs auf. Wo noch Gras wächst, da ragt es braun verkokelt aus der Erde. Willkommen in Centralia, Pennsylvania.

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Alles an diesem Ort wirkt, als wäre das Tor zur Hölle nur wenige Schritte entfernt. Wie im Horrorfilm wartet man darauf, dass des Nachts gesichtslose Monster durch die Geisterstadt irren. Und tatsächlich: Die Ähnlichkeit zum Schauplatz der Videospiel-Verfilmung "Silent Hill" ist keineswegs ein Zufall.

Centralia heißt die von Schwefelgestank heimgesuchte Stadt, die fast täglich von Katastrophen-Touristen heimgesucht wird. Was sie hier suchen sind allerdings keine bösen Mächte, sondern die traurigen Reste der ehemaligen Heimat von rund 1.300 Menschen.

Centralia besteht nur aus wenigen Häusern

Anders als ihr filmisches Pendant Silent Hill liegt Centralia in Pennsylvania, nicht in West Virginia – sie verfügt nicht mal über eine Postleitzahl. Es gibt nur einer Handvoll Häuser, der Ort scheint so geheim, dass selbst die meisten Navigationsgeräte bei der Suche versagen.

Grund für dieses mystisch anmutende Szenario ist ein Unglück, das sich 1962 ereignete. Am 27. Mai desselben Jahres liefen in Centralia die Vorbereitungen zum Memorial Day auf Hochtouren. Die Feuerwehr sollte anlässlich des Feiertages in der Stadt aufräumen – dazu gehörte auch die neben dem Veteranen-Friedhof gelegene Mülldeponie. Einige Mitarbeiter legten einen Brand, um die Abfälle auf der Deponie zu beseitigen, doch die spätere Glut entzog sich jedweder Kontrolle.

Unbeherrschbare Flammen in der Tiefe

Was 1962 mit ein paar wenigen Eimern Sand hätte gelöscht werden können, entwickelte sich stillschweigend zu einem unbeherrschbaren Feuer tief unter der Stadt. Eines, von dem die Bewohner nichts weiter mitbekommen sollten und deshalb unbedarft ihr Leben weiterlebten.

Das Feuer auf der Mülldeponie geriet in Vergessenheit. Darüber, dass in den darauffolgenden Jahren im Winter der Schnee sofort wegschmolz anstatt liegen zu bleiben, machten die Einwohner Witze – sich aber keine weiteren Gedanken.

Als im Jahr 1981 ein zwölf Jahre alter Junge beim Spielen im Garten beinahe in einem riesigen Erdloch versank, wurde den Menschen in der Stadt schmerzlich bewusst: Dieser Vorfall sowie einige Fälle von ohnmächtigen Personen, hingen womöglich zusammen. Die genaue Ursache versetzte den Menschen in Centralia jedoch einen Schock. Ein Feuer wie vom Teufel selbst gelegt, breitete sich 60 Meter unter der Stadt aus und drohte diese schlichtweg zu verschlingen.

Chemische Reaktionen unter der Erde

Centralia hatte sich im Laufe der Jahre in einem vier Hektar großen Barbecue-Grill verwandelt. Die Glut des Brandes von 1962 hatte in der darunter liegenden Kohlemiene eine chemische Reaktion ausgelöst. In der Folge entstand erneut ein Feuer, das sich unaufhaltsam durch die Kohleflöze arbeitete – bis heute. Forscher sprechen von einer der größten ökologischen, von Menschen geschaffenen Katastrophen der Welt, die inzwischen große Teile der Stadt ausgelöscht hat.

Mehrere Tonnen Asche und Sand wurden Mitte der 60er-Jahre in den Boden gepumpt, um das Feuer zu ersticken, jedoch ohne Erfolg. Auch das Vorhaben, das Feuer mit einer Wand aus rund 15.000 Kubikmetern Lehm aufzuhalten, scheiterte. Mehr als 70 Millionen Dollar haben die USA mittlerweile für Löschversuche ausgegeben.

Weil diese aber allesamt vergeblich waren, siedelten die Behörden in den 1980er Jahren mehr als tausend Einwohner mitsamt einer Entschädigungszahlung um. Im März 2015 lebten noch rund ein Dutzend Menschen in Centralia, die nur dank eines Gerichtverfahrens in ihren Häusern wohnen bleiben dürfen – ohne Nachbarn, ohne Fernsehen, ohne Internetverbindung.

Anwohner bleiben skeptisch

Ein Teil der Menschen, die in der Geisterstadt leben, glauben bis heute nicht, dass es unter der Erde wirklich ein Feuer gibt. Geschweige denn, dass dieses Feuer krebserregende Gase absondert, die die Bewohner früher oder später vergiften werden.

Im Jahr 2015 verschwanden die Rauchschwaden erstmals vollständig aus der Stadt. Angeblich wurden bei Untersuchungen auch keine offenen Feuer mehr gefunden. Ob die Hölle unter Centralia inzwischen tatsächlich erloschen ist oder die Flammen sich noch weitere Jahrzehnte langsam und gefährlich durch die Kohleflöze arbeiten werden, wird vorerst ein beklemmendes Geheimnis bleiben.

Zum 150. Geburtstag der Stadt soll in diesem Jahr eine Zeitkapsel geöffnet werden, die 1966 von den Einwohnern vergraben wurde – nur einige Jahre nach dem Brand, der Centralia für immer zerstören sollte. Egal, ob die lodernde Flamme nun also erloschen ist oder nicht: Eine schöne Erinnerung an das, was damals passiert ist, wird es sicherlich nicht.

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