Menschen, die eine gefährliche Situation überlebt haben, berichten oft, dass die Zeit dabei plötzlich ganz langsam abgelaufen sei. Dadurch hätten sie besonnen reagieren können. Doch woher kommt dieser Eindruck? Was passiert dabei im Gehirn – und welchen Nutzen hat dieser Effekt?

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Wenn man mit dem Auto von der Straße abkommt, dann bringt es nichts, panisch gegenzulenken. Stattdessen sollte man den richtigen Zeitpunkt abwarten und dann ruhig gegensteuern. Menschen, die so etwas erlebt haben, berichten oft, dass die Zeit dabei ganz langsam abgelaufen sei. So hätten sie Zeit gehabt, nachzudenken und sinnvoll auf die Gefahr zu reagieren.

Dieser Effekt wird auch als Matrix-Effekt bezeichnet: In dem gleichnamigen Film laufen die Kampfszenen ganz langsam ab – um den inneren Eindruck der Kämpfer wiederzugeben: "Der Effekt tritt im Alltag auch ganz real bei Autounfällen, Stürzen und anderen Grenzsituationen auf", sagt Dr. Marc Wittmann. Er ist Psychologe und forscht zum Thema Zeitempfinden: "Viele Menschen berichten, dass die Zeit dabei deutlich langsamer als sonst vergangen sei."

Das Zeitempfinden verändert sich, weil das Gehirn auf Hochtouren läuft

Doch wie erklärt sich dieser Effekt? Und welchen Nutzen hat er? "Das Gehirn ist in diesem Moment auf Kampf oder Flucht eingestellt", sagt Dr. Wittmann: "Alle Prozesse werden beschleunigt." Die Zeit vergeht in Wirklichkeit natürlich gar nicht langsamer – sie kommt einem relativ zu der inneren Beschleunigung nur langsamer vor als sonst.

Was dabei im Gehirn passiert, sei schwierig zu erforschen, sagt Dr. Wittmann. Schließlich könne man Versuchspersonen keiner lebensbedrohlichen Situation aussetzen – und sie dabei auch noch in einen Scanner stecken. In einem Experiment, das kürzlich in San Diego in den USA durchgeführt wurde, hätten sich aber gute Anhaltspunkte ergeben.

Das Gehirn reagiert besonders auf Reize, die mit einem selbst zu tun haben

Bei dem Versuch schauten Testpersonen auf einen Bildschirm, auf dem Kreise erschienen. Bewegten sich diese auf sie zu, dann schätzten sie die Zeit, in der sie die Kreise sahen, als länger ein. Im Scanner zeigte sich danach, dass dabei zwei Areale im Gehirn eine Rolle spielen.

"Zum einen wird die Inselrinde aktiviert", sagt Dr. Wittmann. Dieses Areal reagiert immer dann, wenn etwas neu, besonders oder überraschend ist. Wichtiger aber sei noch ein anderes Areal im Gehirn, die zentrale Mittellinie. "Sie ist immer dann besonders aktiv, wenn es um einen selbst geht", sagt der Experte.

Bei Gefahr sind diese beiden Areale besonders aktiv: Es gibt ein heftiges Erschrecken – und das Gehirn signalisiert, dass man selbst dabei in Gefahr gerät. Dadurch wird eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion ausgelöst, alle Prozesse beschleunigen sich.

Der Körper schaltet in einen Überlebensmodus. "Sehr häufig werden die meisten Menschen es aber nicht erleben, dass Zeit langsamer abzulaufen scheint", sagt Dr. Wittmann. "Solche extremen Situationen erlebt man zum Glück nur selten im Leben."

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