• Ein Baustoff, der schnell und unbegrenzt nachwächst, CO2 bindet und dazu noch stark ist wie Stahl?
  • In Asien traditionell als billiger Allerweltsbaustoff genutzt, wird Bambus langsam auch in Deutschland populär.

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Bambus als Textilfaser, Ersatzmaterial für Plastik-Einweggeschirr oder für Zahnbürsten ist im Trend. Die verholzten Rundrohre mit ihren charakteristischen Knoten verleihen Wellness-Oasen und Restaurants den meditativ-exotischen Touch. Als konstruktives Baumaterial ist es hierzulande nur wenig bekannt. Dabei nehmen es seine Eigenschaften mit Beton, Stahl und Holz auf und überholen die üblichen Baustoffe zum Teil.

Bambus als Baumaterial bietet viele Vorteile

Einer der wichtigsten ökologischen Vorteile der weltweit in den Tropen vorkommenden Grasart ist ihre Wuchsgeschwindigkeit. Der Moso-Bambus (Phyllostachus edulis), auch Riesenbambus genannt, gilt dabei als Guinness-Rekordhalter: Seine Bambussprösslinge, die jungen Triebspitzen, die auch essbar sind, schaffen an einem Tag schon mal einen ganzen Meter. Die Halme erreichen so eine Höhe von bis zu 30 Metern und binden über die für das Wachstum notwendige Photosynthese sehr viel klimaschädliches CO2-Gas. Die verholzten Giga-Grashalme können dann, ähnlich wie Bäume, geerntet werden.

Der entscheidende Vorteil gegenüber der Holzwirtschaft: Wie beim Rasenmähen bleibt das unterirdische Wurzelgeflecht beim Schneiden der "Gräser" erhalten, der regelmäßige Schnitt regt das Wachstum sogar noch an. Schon nach fünf Jahren sind die neuen Halme des Riesenbambus wieder erntereif. Waldbäume wie Buchen oder Eichen erreichen erst nach mindestens 100 Jahren Hiebreife – und nach der Fällung ist nur noch ein absterbender Wurzelballen übrig.

Moderne Bauweise mit Bambus gewinnt zunehmend an Interesse

Dank ihrer hohen Tragfestigkeit bei zugleich geringem Eigengewicht werden die langen Bambusrohre in Südamerika und Südostasien traditionell bis in schwindelnde Höhen als Gerüststangen, für mehrstöckige Gebäude, Brücken und Alltagskonstruktionen verwendet.

Die ungleichen Formen der einzelnen Bambusstangen machen ein normiertes Bauen jedoch schwierig. Nur mit speziellen Kenntnissen in Planung und Technik entstehen in Handarbeit charakteristische, individuelle Bauwerke. Hierzulande fehlen dafür noch die Experten und auch die Arbeitskräfte.

Studierende an der ETH Zürich haben mit einem Pavillon aus 900 Bambusrohren eine moderne Bauweise getestet. Die Verbindungsstücke sind digital entworfen und im 3D-Drucker millimetergenau aus hochfestem Nylon und Edelstahl hergestellt. Marirena Kladeftira, die das Potenzial von 3D-gedruckten Verbindungen für innovative und nachhaltige Raumfachwerkstrukturen für die Architektur erforscht, erklärt: "Das für dieses Projekt entwickelte Bausystem zielt darauf ab, den logistischen Aufwand des Bauens zu reduzieren und gleichzeitig die Vorteile der digitalen Fertigung für eine nachhaltigere Baukultur zu nutzen."

Widerstandsfähiges und stabiles Material durch besonderes Verfahren

Als Naturprodukt ist Bambus anfällig für Feuchtigkeit, Schimmel und Pilze. Mit einem technischen Kniff werden diese Nachteile minimiert. Der Bambus wird dafür in Streifen gespalten und die äußere Rinde durch Hobeln entfernt. Nach dem Trocknen werden die Streifen zu rechteckigen Lamellen gehobelt und dann mit Harzleim zu Paneelen oder Blöcken verpresst.

Es entsteht eine einheitliche Ware mit immer denselben Abmessungen. Dadurch wird das Bauen auch effizienter. Der so komprimierte Bambus wird als "Strand-Woven-Bambus" oder "Scrimber" bezeichnet und ist Ausgangsmaterial für Bambusprodukte wie Bodenbeläge, Konstruktionsbalken oder Platten. Durch das Verfahren ist der Bambus resistent gegen Schädlinge und bekommt eine fast unschlagbare Härte.

Anfang des Jahrhunderts kam das Material auf den europäischen und deutschen Markt. "Die Qualitätsstandards in der EU sind deutlich höher als in China, anfangs gab es durch vereinzelt auftretende Qualitätsmängel Imageprobleme," schildert Bambuslieferant Michael van Houten die Startschwierigkeiten.

Zertifizierung für den europäischen Markt

Seit 2008 ist Bambus im FSC-System erfasst, das weltweit einheitliche Standards für die Waldwirtschaft setzt. "Das war eigentlich gar nicht nötig," erklärt van Houten. Bambus ist per se ein sehr nachhaltiger Rohstoff: Das Riesengras wird nicht auf Plantagen angebaut und bei der Ernte werden keine Flächen durch Rodung ruiniert. Geerntet wird auf nur 20 bis 25 Prozent der Fläche, der restliche Wald bleibt intakt und liefert kontinuierlich neues Holz.

Wird das verwendete Material am Ende seiner Lebenszeit wieder rückgebaut, kann es noch zu Sperrholzplatten weiterverarbeitet werden. Das enthaltene CO2 bleibt gebunden und wird nicht durch Zersetzung freigesetzt.

Bambus kann Aluminium, Kunststoff und Holz ersetzen

2020 wurde das erste Bambus-Produkt vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) für die Verwendung als tragendes Bauteil zugelassen. Damit ist der nachwachsende Super-Rohstoff bereit für den Einsatz als Bauteil, auch im Außenbereich. Pfosten-Riegel-Fassaden, Elementfassaden oder Tür- und Fensterrahmen aus Bambus-Konstruktionsholz können dabei energetisch aufwendig produziertes Aluminium, Kunststoff oder Harthölzer und Brettschichtholz ersetzen.

Über den Experten: Michael van Houten von Moso-Bamboo beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Bambus. Der niederländische Hersteller von Bambusprodukten für die Baubranche arbeitet seit 1997 in mehr als 50 Ländern mit Architekten und Lieferanten zusammen. "Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Anwendungen und Lösungen, die sich mit der am schnellsten wachsenden Pflanze der Welt realisieren lassen."

Verwendete Quellen:

  • Persönliches Gespräch mit Michael van Houten
  • ETH Zürich news: ETH Zürich in "Bambus digital in Szene gesetzt", 5. Februar 2021
  • Deutsches Institut für Bautechnik: Zulassung für das Produkt "MOSO Bamboo N-Finity beams"
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