• Wie können wir mit unserer Ernährung etwas Gutes fürs Klima tun? Unter anderem, indem wir pflanzliche Alternativen für Rindfleisch finden.
  • Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam um Florian Humpenöder vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
  • Der Wissenschaftler spricht im Interview über einen Fleischersatz, der in Deutschland bisher wenig Beachtung gefunden, aber viel Potenzial hat: mikrobielles Protein.
Ein Interview

Wenn bis 2050 nur ein Fünftel des Pro-Kopf-Rindfleischkonsums durch Fleischalternativen aus mikrobiellem Protein ersetzt wird, könnte das die weltweite Entwaldung halbieren: Das ist das Ergebnis einer neuen Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht wurde und zum ersten Mal mögliche Auswirkungen dieser bereits marktreifen Lebensmittel auf die Umwelt umfassend untersucht.

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Der aus Pilzkulturen durch Fermentierung produzierte Fleischersatz ähnelt echtem Fleisch in Geschmack und Konsistenz, ist aber ein biotechnologisches Produkt. Gegenüber Rindfleisch erfordern diese Fleischalternativen deutlich weniger Landressourcen und können somit die Treibhausgasemissionen durch Viehhaltung und die Ausweitung von Acker- und Weideland stark senken.

Im Interview mit unserer Redaktion spricht Florian Humpenöder, Forscher am PIK und Hauptautor der Studie, darüber, warum wir mit der Frage, was täglich auf den Teller kommt, einen großen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten können.

Herr Humpenöder, wie hängen mein persönlicher Fleischkonsum und die weltweite Entwaldung zusammen?

Kurz gesagt: Für Fleisch wird viel Wald gerodet, insbesondere für Rindfleisch. Erst einmal brauchen Rinder viel Platz, um auf der Weide zu grasen. Hinzu kommt das Ackerland, auf dem das Kraftfutter, also vor allem Soja, angebaut wird. Für beides wird häufig Wald gerodet– etwa Regenwald in Lateinamerika. Das verursacht zum einen CO2-Emmissionen, ist aber auch ein starker Treiber für den Verlust von Biodiversität. Außerdem entstehen Methanemissionen durch die Prozesse im Magen der Kuh. Das ist der Ausgangspunkt unserer Studie.

© 1&1 Mail und Media

In Ihrer Forschung haben Sie untersucht, wie sich das zugunsten der Umwelt ändern ließe – Ergebnis: mit mikrobiellem Protein. Wobei handelt es sich dabei genau?

Mikrobielles Protein heißt so, weil es von Mikroorganismen, im konkreten Fall Pilzkulturen, hergestellt wird. Das ist ganz ähnlich wie beim Bierbrauen: Die Pilzkulturen werden in großen Stahltanks, den Bioreaktoren, mit Zucker "gefüttert" und vermehren sich schnell. Heraus kommt eine eiweißreiche Substanz, die eine ähnliche Konsistenz sowie ein vergleichbares Nährwertprofil wie Rindfleisch hat. Diese Biotechnologie existiert schon heute und ist im Supermarkt in einigen Ländern erhältlich, etwa in der Schweiz oder in Großbritannien. Im Vergleich zum Konsum von Rindfleisch hat das mikrobielle Protein deutlich geringere Auswirkungen auf die Umwelt. Natürlich muss der Zucker, der die Kulturen ernährt, auch auf Ackerland angebaut werden. Trotzdem hat diese Fleischalternative unterm Strich eine deutlich bessere Klimabilanz, vor allem, was den Landverbrauch und die Treibhausgasemissionen betrifft.

Zu welchem Ergebnis kommen Sie in Ihrer Studie?

Was unsere Studie von früheren unterscheidet, ist: Wir haben die Umweltvorteile in den Kontext des gesamten Agrar- und Ernährungssystems gesetzt. Wir haben uns gefragt: Was würde passieren, wenn bis 2050 20 Prozent des Rindfleischkonsums pro Kopf durch mikrobielles Protein ersetzt würden? Das hätte einen sehr starken Effekt. Im Vergleich mit einem schlichten "Weiter wie heute", also einer wachsenden und wohlhabender werdenden Weltbevölkerung mit immer mehr Appetit auf Fleisch, würde der Einsatz von mikrobiellem Protein nicht nur die jährliche globale Entwaldung halbieren, sondern auch die darauf basierenden CO2-Emissionen aus der Landwirtschaft. Dabei ist wichtig, dass man mikrobielles Protein nicht als die Lösung für Klimaschutz betrachtet. Es ist ein Baustein unter vielen, um zu einer Transformation des Landwirtschafts- und des Ernährungssystems zu kommen. Hin zu mehr Nachhaltigkeit und weniger Umweltauswirkung.

Wenn aber mikrobielles Protein so viele Vorteile hat, wieso ist es nicht schon viel verbreiteter und landet alle paar Tage auf unserem Tisch?

Das fällt wohl eher in die Verhaltensforschung: Warum ernähren sich Menschen so, wie sie es tun und wie kriegt man sie dazu, das zu verändern? In Schweizer Supermärkten gibt es ganze Regale mit Produkten, die auf mikrobiellem Protein basieren. In den USA und Großbritannien wurde das Produkt schon vor 20 Jahren zugelassen.

Nun ist es natürlich keine klimafreundliche Lösung, mikrobielle Proteine aus der Schweiz zu bestellen … Was kann jeder und jede Einzelne ganz konkret tun?

Auf die Ernährungsgewohnheiten bezogen, die wir in Europa, den USA oder Australien haben: grundsätzlich deutlich weniger rotes Fleisch, dafür mehr Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte konsumieren. Das empfiehlt auch die EAT-Lancet-Kommission, die vor einigen Jahren die sogenannte Planetary Health Diet entwickelt hat: Eine Ernährung, die gesund ist für den Menschen – und nachhaltiger für den Planeten. Generell kann mikrobielles Protein manchen Menschen den Umstieg erleichtern, weil es eine technische Lösung ist, die weniger starke Verhaltensänderung erfordert. Daneben wäre es sinnvoll, den Konsum von klima- und umweltverträglicheren Produkten zu subventionieren und Produkte mit starken negativen Umweltwirkungen, wie etwa Rindfleisch, mit höheren Abgaben zu belegen. Auch Kantinen können hier eine wichtige Rolle spielen – etwa einen fleischfreien Tag einführen und jeden Tag gute vegetarische Alternativen anbieten. Denn Ernährung ist der größte direkte Beitrag jedes Einzelnen zum Klimawandel. Es betrifft jeden. Es ist ein Hebel, den man selbst in der Hand hat.

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