Der Antarktis scheint immer mehr das Eis auszugehen. Das könnte gefährlich werden für eines der wichtigsten Öko-Systeme des Planeten. In Australien treffen sich deshalb jetzt 27 Länder, um über weitere Schutzmaßnahmen für die Region zu diskutieren.
Die Antarktis macht Experten in aller Welt zunehmend Sorgen. Im September wurde bekannt, dass die Ausdehnung des Meereises rund um den Kontinent einen neuen Tiefststand erreicht hat: nur knapp 17 Millionen Quadratkilometer, deutlich weniger als in den vergangenen Jahren im antarktischen Winter. Das war die geringste Maximalausdehnung seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen 1979.
Meereseis in der Antarktis auf Rekordtiefstand
Die Maximalausdehnung liege sogar 1,03 Millionen Quadratkilometer unter dem bisherigen Rekordtief, erklärte das an der Universität von Colorado angesiedelte Nationale Schnee- und Eisdatenzentrum der USA (NSIDC). Das geringe Eiswachstum betreffe zudem den gesamten Kontinent und nicht nur eine einzelne Region.
Das Meereis in der Antarktis schmilzt immer im Sommer auf der Südhalbkugel stark ab und baut sich im Winter wieder auf. Der Höchstwert wird meist im September erreicht. Die NSIDC-Forscher gehen daher davon aus, dass der Messwert vom 10. September nicht mehr überschritten wird.
Im Februar, also auf dem Höhepunkt des Sommers auf der Südhalbkugel, hatte das NSIDC eine minimale Ausdehnung des Meereises von 1,79 Millionen Quadratkilometern gemessen – ebenfalls ein Negativ-Rekord. Das Eiswachstum war dann den ganzen Winter über ungewöhnlich langsam.
Das antarktische Meereis galt jahrzehntelang als relativ stabil und nahm – anders als das arktische Meereis – sogar leicht zu. Seit August 2016 sei aber in fast allen Monaten ein starker Rückgang verzeichnet worden, erklärte das NSIDC. Die Ursachen sind noch umstritten. Einigen Experten zufolge lässt sich bisher kein klarer Zusammenhang mit dem Klimawandel herstellen.
Laut dem NSIDC hängt das geringe Eiswachstum in diesem Jahr mit einer Erwärmung der obersten Wasserschicht im Südpolarmeer zusammen. "Es besteht die Sorge, dass dies der Beginn eines langfristigen Rückgangs des antarktischen Meereises sein könnte, da sich die Ozeane weltweit erwärmen", warnten die Forscher.
Neue Schutzgebiete in der Antarktis?
Seit Montag ringen die für den Schutz der antarktischen Meeresfauna und -flora zuständigen Regierungen im australischen Hobart erneut um konkrete Lösungen für den Schutz des Südpolarmeers. Bei der Jahrestagung der Kommission für die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) haben sie dafür zwei Wochen Zeit.
"In diesem Jahr verzeichnete das Südpolarmeer rekordverdächtig niedrige Meereisstände und bisher kaum vorstellbar hohe Temperaturen sowie den Tod von schätzungsweise 9.000 Kaiserpinguin-Küken durch den Meereisverlust", sagte die Expertin Andrea Kavanagh vom Pew Bertarelli Ocean Legacy Project. Die Geschwindigkeit der Veränderungen in der Antarktis sei alarmierend, "aber noch alarmierender ist, dass CCAMLR in den letzten zehn Jahren keine Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ergriffen hat".
Eines der Hauptthemen ist erneut die Ausweisung von drei großen Meeresschutzgebieten (Marine Protected Areas, MPAs) in der Ostantarktis, im Weddellmeer und in den Gewässern der Antarktischen Halbinsel. Wegen des Widerstands von Russland und China ist ein Durchbruch bisher immer gescheitert – zuletzt im Juni bei einer CCAMLR-Sondersitzung zum Thema in Santiago de Chile. Denn alle Entscheidungen der CCAMLR müssen einstimmig von den 27 Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, getroffen werden.
Biodiversität in der Antarktis bedroht
"MPAs werden den Klimawandel nicht aufhalten, aber sie werden dazu beitragen, das Ökosystem widerstandsfähiger zu machen", betonte Kavanagh. Es sei höchste Zeit, dass die CCAMLR aus ihrer "Sackgasse" herauskomme.
Die Antarktis-Kommission gerät zunehmend unter Druck, weil sie seit Jahren kaum Erfolge vorweisen kann. Die letzte nennenswerte Maßnahme wurde 2016 mit der Vereinbarung des Schutzgebiets Rossmeer getroffen, eines Randmeers im südlichen Ozean. Seitdem hätten sich die Klima- und Biodiversitätskrise aber weiter verschärft, warnte die Antarctic and Southern Ocean Coalition (ASOC).
Auch strengere Auflagen für die Krillfischerei stehen auf der Agenda. Die winzigen Krebstiere werden massenhaft gefangen, um daraus Öl und Fischfutter zu machen – allerdings sind sie für das fragile Ökosystem der Antarktis mit Tieren wie Walen und Pinguinen extrem wichtig. "In Verbindung mit der Klimakrise gerät durch die Krillfischerei das gesamte antarktische Öko-System ins Wanken und damit auch die Klimastabilität unseres Planeten", betonte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). (afp/dpa/the)
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