• 1911 entdeckt der amerikanische Forscher Hiram Bingham in Peru die Ruinen der Inka-Stadt Machu Picchu.
  • Neben der Chinesischen Mauer und dem Taj Mahal zählt sie heute zu den sogenannten neuen sieben Weltwundern und ist für den Tourismus von zentraler Bedeutung.
  • Welchem Zweck diente die Stadt aber? Die Forschung hat eine Vermutung.

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Machu Picchu bietet einen beeindruckenden Anblick: Hoch in den Anden Perus gelegen, den Wolken so nah, befinden sich auf einem Bergsattel die Überreste der Inka-Stadt. Ihren ursprünglichen Zustand, der auch ein Zeugnis von der hohen Baukunst der Inka abgibt, kann man noch gut erkennen.

Entdeckt wurde diese verlorene Stadt 1911 durch den US-amerikanischen Gelehrten Hiram Bingham, der 1911, 1912 und 1915 drei Expeditionen nach Peru unternahm. Neben der geologischen und topographischen Erkundung sollten auch Ruinen von Inka-Städten untersucht werden.

Bingham hatte im Sinn, die in spanischen Quellen erwähnten letzten Zufluchtsorte der Inka namens Witkos und Willka Pampa ausfindig zu machen. Dort hatten die Inka im 16. Jahrhundert den spanischen Eroberern jahrelang Widerstand geleistet. Bereits auf der ersten Expedition gelang es Bingham, zwei Ruinen als diese Zufluchtsorte zu identifizieren.

Machu Picchu: Eine anfangs unscheinbare Entdeckung

Bei seinen Erkundungen war Bingham auch auf Machu Picchu gestoßen, zog aber rasch weiter. Erst bei der Expedition im Jahr darauf erkannte er wohl das Potential dieser Stadt, die inzwischen von seinen Leuten zu großen Teilen von Buschwerk und Bäumen befreit worden war, und kümmerte sich um die fotografische Dokumentation. Dadurch, dass er sein Fotomaterial durch das Magazin "National Geographic" mit der Welt teilte, wurde Machu Picchu viel bekannter als Witkos und Willka Pampa.

Bingham gilt zwar als der Entdecker Machu Picchus, allerdings waren die Ruinen den indigenen Völkern schon länger bekannt. Ohne den Ort näher zu untersuchen, waren auch schon vor Bingham Europäer dort gewesen.

Angesichts des spektakulären Anblicks erscheint es merkwürdig, dass der Amerikaner dem Ort zunächst wenig Interesse entgegengebracht hatte. "Mein Eindruck ist, dass Bingham die Schönheit und Geschlossenheit der Anlage zunächst nicht erkannt hat", vermutet Berthold Riese, emeritierter Professor an der Universität Bonn und Experte für die altamerikanischen Kulturen, im Gespräch mit unserer Redaktion, "denn als er die Ruinen betrat, waren sie überwuchert, also unscheinbar, und es gab in Peru genügend freiliegende Inka-Ruinen."

Tempel, Sonnenwarte und Wasserversorgung

Machu Picchu, wie man es heute kennt, entspricht übrigens nicht mehr dem Zustand, in dem es damals auf Binghams Bildern festgehalten wurde. Seit den 1940er Jahren waren peruanische Archäologen nämlich dazu übergangen, die bestehenden, sehr gut erhaltenen Mauern und auch ganze Häuser wieder auf ihre ursprüngliche Höhe hochzuziehen. Einige Gebäude wurden auch äußerlich vollständig restauriert. Dadurch wirkt der Ort heute deutlich mächtiger.

Machu Picchu gliederte sich in ein landwirtschaftlich genutztes Areal sowie die eigentliche Stadt. Diese bestand aus einem höher und einem niedriger gelegenen Bereich. Die Unterstadt war dabei der größere von beiden und enthielt vor allem Wohn- und Arbeitsgebäude. Dagegen befanden sich die Tempel in der Oberstadt. Zwischen beiden Bereichen lag ein großflächiger Platz, auf dem ein Monolith stand.

Den höchsten Punkt der Stadt stellte die sogenannte Sonnenwarte dar, wo der ursprüngliche Felskopf zu einem Quader gemeißelt wurde. Experte Riese geht davon aus, dass deren Hauptzweck in der Bestimmung des Sonnenjahres lag. Vermutlich haben um die 2.000 Menschen in der Stadt gelebt.

Eine beachtliche Leistung stellte die damalige Wasserversorgung dar: Die etwa 800 Meter von der Stadt entfernten Quellen hatten die Inka eingefasst und einen Kanal in die Stadt verlegt. Dieser mündete in 16 gestaffelte Wasserbecken, die als Brunnen dienten, aus denen mehrere Personen gleichzeitig Wasser schöpfen konnten.

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War Machu Picchu ein Neuschwanstein der Inka-Zeit?

Über die Entstehung Machu Picchus weiß man wenig. Hinweise, dass der Ort schon vor den Inka besiedelt war, gibt es nicht. Man geht inzwischen davon aus, dass er bereits um 1420 bewohnt war.

Bei der Frage nach dem Zweck der Anlage sieht sich die Wissenschaft zwei Schwierigkeiten gegenüber: Zum einen gibt es zu Machu Picchu keine Überlieferungen durch die Spanier, denen der Ort offensichtlich unbekannt war. Zum anderen wurde die Anlage – wohl im Zuge der 1532 beginnenden spanischen Eroberung – offenbar geplant aufgegeben und dabei kaum etwas zurückgelassen. "Das Fehlen von Hausmüll, Besiedlungsresten, vielleicht auch gewaltsamer Zerstörungen et cetera macht den Ort für kulturhistorische Rekonstruktionen steril", fasst Riese das Problem zusammen.

Die heute als am wahrscheinlichsten geltende Annahme ist, dass es sich bei Machu Picchu um eine Art Landsitz des Inka-Herrschers gehandelt hat. Dafür spricht, dass es wenig repräsentative Bauten gibt, die man etwa bei einem Regierungssitz erwarten würde.

"Die Stadt war vermutlich ein Ort der Sommerfrische für den Inka-Herrscher; vergleichbar mit den bayerischen Schlössern Neuschwanstein oder Linderhof, die auch nur zeitweilig von ihrem Erbauer, König Ludwig II., genutzt wurden und später zu reinen Touristenattraktionen degenerierten, nicht anders als Machu Picchu, wenn auch unter ganz anderen gesellschaftlichen Bedingungen."

Zukunft der historischen Stätte

Da Machu Picchu außer den Mauern kaum Überreste besitzt, die man untersuchen könnte, ist die Erforschung so gut wie abgeschlossen. Wissenschaftliche Untersuchungen werden sich daher in Zukunft vermehrt auf die Bedeutung Machu Picchus für den Tourismus, in der Esoterik und für politische Belange konzentrieren.

"Wird man mehr rekonstruieren als archäologisch gesichert ist? Wird Machu Picchu auch offiziell in phantastischer Weise immer stärker angefüllt mit esoterischem Gehalt und pseudo-historischen Rekonstruktionen? Wird man die Modernisierung des Umfeldes durch Hotelbauten, Seilbahn, Ausbau der Bahnstrecke im Tal, Betonierung des 'Inka-Trails' et cetera fortführen oder wird sich eine Haltung des Respekts Bahn brechen?" Das sind für Riese hierbei drängende Fragen.

Der ursprüngliche Weg vom Tal hinauf zur Stadt ist längst so ausgebaut worden, dass er mit Bussen befahren werden kann. Seit den 1960er Jahren gibt es zudem Überlegungen, eine Seilbahn zu errichten, um den immer weiter wachsenden Besucherstrom bequemer nach oben zu leiten. Bislang wurde dies aber aufgrund starker Proteste nicht umgesetzt. Ob es dabei bleiben wird? Das wird sich zeigen.

Über den Experten: Berthold Riese ist emeritierter Professor für Ethnologie und Altamerikanistik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und befasst sich mit den Hochkulturen Mittel- und Südamerikas vor deren Eroberung durch die Spanier.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Berthold Riese
  • Berthold Riese: Machu Picchu. Die geheimnisvolle Stadt der Inka, Verlag C. H. Beck, 3. Auflage, München 2018.
  • Richard L. Burger, Lucy C. Salazar, Jason Nesbitt, Eden Washburn u. Lars Fehren-Schmitz: New AMS dates for Machu Picchu: results and implications, Cambridge University Press on behalf of Antiquity Publications Ltd. (2021), Volume 95 , Ausgabe 383 , S. 1265 - 1279.
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