• Die EZB hat einen historischen Zinsschritt beschlossen. Im Euro-Raum steigt der Leitzins von zuletzt 0,5 auf 1,25 Prozent.
  • Mit der Leitzins-Erhöhung soll der Inflation entgegengewirkt werden. Auch für Sparer, Kreditnehmer und Verbraucher hat die Entscheidung Folgen.
  • Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Mehr Wirtschaftsthemen finden Sie hier

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf die weiter gestiegene Inflationsrate reagiert: Sie hat die größte Zinserhöhung in der Geschichte der Notenbank und seit Einführung des Euro-Bargelds im Jahr 2002 beschlossen. Demnach steigt der Leitzins im Euroraum um 0,75 Prozentpunkte auf nun 1,25 Prozent.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde begründete die Entscheidung damit, dass die Teuerungsraten "nach wie vor deutlich zu hoch" seien. "Wir hatten unterschiedliche Ansichten am Tisch, eine gründliche Diskussion, aber das Ergebnis unserer Diskussionen war eine einstimmige Entscheidung", sagte sie.

Was ist der Leitzins?

Der Leitzins wird von der Zentralbank mit Sitz in Frankfurt am Main festgelegt. Er bestimmt, zu welchen Konditionen sich Geschäftsbanken und Kreditinstitute frisches Geld leihen können. Der EZB-Rat, dessen Vorsitzende Christine Lagarde ist, hatte bereits im Vorfeld für seine September-Sitzung angekündigt, eine Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte vorzunehmen. Nun fiel der Zinsschritt noch größer als erwartet aus. Auch für die nächsten Monate hat die EZB weitere Zinserhöhungen in Aussicht gestellt.

Warum erhöht die EZB den Leitzins?

Die Inflation im Euroraum befindet sich auf Rekordniveau und näherte sich zuletzt der 10-Prozent-Marke. Diesen Teuerungsraten will die Notenbank entgegenwirken.

Höhere Zinsen können ein Mittel dafür sein: Ein steigender Leitzins dämpft den Konsum und die Investitionen von Verbrauchern und Firmen, da die Geschäftsbanken die höheren Zinsen an die Kunden weitergeben. Die EU-Verträge halten für ein stabiles Preisniveau eine jährliche Inflation von zwei Prozent fest.

Wie war die Situation zuvor?

Seit März 2016 hatte der Leitzins im Euroraum bei null Prozent gelegen. Im Juli dieses Jahres hatte der Rat nach langem Zögern die Zinsen im Euroraum angehoben – auf 0,5 Prozent.

Sie beendete auch die Phase der Negativzinspolitik: Geschäftsbanken müssen seitdem nicht mehr 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Viele Banken hatten Verwahrentgelte in der Folge auch für Privatkunden aufgehoben.

In den USA war die Notenbank Federal Reserve (Fed) bereits früher eingeschritten: Aktuell liegt der Leitzins zwischen 2,25 und 2,5 Prozent. 2020 hatte er noch ein Niveau von 0,25 Prozent.

Welche Folgen wird die Leitzins-Erhöhung für die Teuerung haben?

Die gestiegenen Zinsen dämpfen den Konsum und machen den Euro für Anleger attraktiver, was dessen Kurs anschieben und somit Importe von Rohstoffen billiger machen kann. Typischerweise wird Inflation nicht durch knappes Angebot, sondern durch hohe Nachfrage angetrieben. Aktuell besteht jedoch vor allem ein Mangel im Angebot, vor allem im Bereich Energie.

Hintergrund sind die derzeit hohen Preise an den internationalen Rohstoffmärkten – verursacht beispielsweise durch den Ukraine-Krieg. Auf diese Preise hat die EZB aber keinen Einfluss, die Leitzinserhöhung ist deshalb nicht so wirksam wie im klassischen Fall. Mit sinkenden Preisen und Lebenshaltungskosten können Verbraucher deshalb nun nicht rechnen.

Wie bewerten Ökonomen die Entscheidung der EZB?

Laut Einschätzung von Experten ist die Entscheidung der EZB längst überfällig gewesen. Auch wenn die Zinserhöhung nur bedingt etwas gegen die aktuelle Inflation ausrichten kann, bewerten Beobachter den Kurswechsel als richtige Entscheidung. Clemens Fuest, Chef des ifo-Institutes, twitterte beispielsweise: "Besser spät als nie" - in den nächsten Monaten müssten jedoch weitere Zinserhöhungen folgen.

Fuest: "Die 0,75 Prozent sind ein richtiger Schritt. Dennoch bleibt die Geldpolitik sehr expansiv." Die Zinsen seien nach wie vor sehr niedrig, und die Inflationserwartungen der privaten Haushalte stiegen immer weiter an.

"Die EZB hat noch nicht begonnen, den Bestand an gekauften Staatsanleihen abzubauen. Auslaufende Anleihen werden durch neue ersetzt. Es ist wichtig, dass die von der EZB angekündigten weiteren Zinsschritte tatsächlich bald kommen", forderte er.

Birgt die Entscheidung auch Gefahren?

Zinserhöhungen können immer in einen Wirtschaftsabschwung umschlagen. Unternehmen werden mit Investitionen zurückhaltender sein. Das ist eine zusätzliche Bremse neben Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg. Gleichzeitig besteht die Gefahr von Staatspleiten. Der Leitzins von 1,25 Prozent gilt nämlich für die gesamte Währungsunion.

Hoch verschuldete Länder wie Italien könnten Schwierigkeiten bekommen, ihre Schulden zuverlässig abzuzahlen. Gefahren gibt es auch für jene, die in den letzten Jahren zu niedrigen Zinsen eine Immobilie finanziert haben.

Wenn die Zinsbindung nach beispielsweise zehn Jahren ausläuft, könnten einige Schuldner finanziell überfordert sein. Können Hypothekenschuldner die höheren monatlichen Raten nicht mehr bedienen, könnte die Zahl der Zwangsversteigerungen von Immobilien steigen.

Was bedeutet die Leitzins-Erhöhung für Sparerinnen und Sparer?

Für Sparerinnen und Sparer ist die Zinserhöhung eine positive Nachricht. Es ist davon auszugehen, dass die Banken wieder zu positiven Zinsen übergehen werden. Das schlägt sich dann in den Konditionen für Tages- und Festgeldkonten nieder.

Auch Negativzinsen auf Konten, die einen bestimmten Freibetrag überschreiten, dürften bald der Vergangenheit angehören. Denn den Banken entstehen nun selbst keine Kosten mehr durch Negativzinsen. Gemessen an der Inflationsrate dürften die Zinssätze für Sparer aber zunächst niedrig bleiben.

Verwendete Quellen:

  • Twitter-Profil von Clemens Fuest:
  • ifo.de: Clemens Fuest zur EZB-Entscheidung: "Besser spät als nie"
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.