Die Europäische Zentralbank (EZB) startet in die Testphase für den digitalen Euro. Auf lange Sicht könnte das radikale Änderungen für das ganze Geldwesen bedeuten. Was hinter dem Konzept steckt.

Mehr Wirtschaftsthemen finden Sie hier

Am 12. Oktober leitet die EZB das Konsultationsverfahren über die Einführung des Digital-Euro ein. Der digitale Euro wäre ein "schnelles, einfaches und sicheres Zahlungsmittel", gibt die EZB in einer Pressemitteilung bekannt. Und könnte somit ein wichtiger Schritt in die Zukunft sein.

"Die Menschen in Europa bezahlen, sparen und investieren immer häufiger auf elektronischem Weg", sagt die EZB-Präsidentin Christine Lagarde in der Mitteilung. "Unsere Aufgabe ist es, das Vertrauen in unsere Währung zu sichern. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass der Euro für das digitale Zeitalter gerüstet ist. Wir sollten darauf vorbereitet sein, einen digitalen Euro einzuführen, sollte dies erforderlich werden."

Der digitale Euro würde als elektronische Form von Zentralbankgeld starten. Zentralbankgeld basiert auf einer Forderung gegenüber dem Staat. Bargeld ist dafür ein Beispiel.

Anders verhält es sich bei Guthaben von Privatleuten oder Unternehmen auf den Konten von Geschäftsbanken. Dieses Geld stellt eine direkte Forderung an die jeweilige Bank dar. Man spricht dann von Giralgeld.

Digitaler Euro: Verschwindet das Bargeld?

Mit dem digitalen Euro könnten Bürger Konten mit Zentralbankgeld nutzen. Darüber hinaus sind Einsatzmöglichkeiten etwa bei Geldkarten oder Bezahl-Apps denkbar.

"Wir werden in Zukunft sehr wahrscheinlich keine physischen Scheine oder Münzen mehr in der Hand halten, sondern nur noch die Karte oder ähnliches benutzen." Das sagt Lino Lotzin, Geschäftsführer von Crypvision, im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Alles wird digitaler und daher ist es auch kein Wunder, dass die Regierung den digitalen Euro einführen möchte. Wenn man es genau nimmt, ist auch der Großteil unseres Geldes nur digital vorhanden."

Vorteile sieht Lotzin darin, dass das digitale Zahlungsmittel leichter und schneller zu bedienen sein wird. "Ich gehe davon aus, dass es dann auch möglich ist, Transaktionen in Echtzeit zu buchen. Also wenn ich Geld an einen Freund versende, hat er das sofort auf seinem Konto", sagt Lotzin.

Lesen Sie auch: Zehn Jahre Bitcoin: Blockchain könnte die Welt verändern

Der digitale Euro als Alternative zu privaten Konkurrenten wie Bitcoin und Libra

Einen weiteren Vorteil sieht Lotzin darin, dass illegale Geschäfte besser unterbunden werden können. Das ziehe jedoch auch Nachteile nach sich, vor allem beim Thema Datenschutz.

Dabei soll ein digitaler Euro das Bargeld nicht ersetzen, sondern ergänzen. Vorerst zumindest. Wie die Zukunft aussehen könnte, erlebt man zum Beispiel in Schweden. Dort wird Bargeld in vielen Läden gar nicht mehr angenommen.

Die EZB läuft also in gewisser Weise der Entwicklung hinterher. Denn es gibt zahlreiche Konkurrenten auf dem Markt der digitalen Zahlungsmittel.

Da wären zum einen Kryptowährungen wie Bitcoin. Oder die von Facebook forcierte digitale Währung Libra. Auch außereuropäische Zentralbanken könnten an Bedeutung gewinnen. So wird erwartet, dass die chinesische Zentralbank den digitalen Yuan zu den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking einführt.

Die EZB will eine sichere digitale Währung bieten

Ziel der EZB ist es deshalb, ein europäisches, risikofreies digitales Zahlungsmittel bereitzustellen. Und damit eine stabile Alternative zu einem weltweiten privaten Zahlungsmittel zu bieten. Denn das könnte laut EZB aus regulatorischer Sicht bedenklich sein. Auch Risiken für die Finanzstabilität und den Verbraucherschutz sieht die EZB dabei.

"Die Umsetzung wird uns sicherlich leicht gemacht", sagt Lotzin. "Wer heute schon viel bargeldlos bezahlt, wird kaum einen Unterschied feststellen – außer, dass man noch weniger bis gar kein Bargeld mehr sieht."

Erleben wir also gerade die größte Veränderung unseres Geldsystems? Oder gar den Anfang vom Ende der Banken?

"Es wird sich damit vieles verändern", sagt Lotzin. "Die Banken, so, wie wir sie heute kennen, wird es nicht mehr geben. Es sei denn, es werden gesonderte Lizenzen zur Geldverteilung vergeben. Aber bis es so weit kommt, wird es noch etwas dauern."

Über den Experten: Lino Lotzin ist Geschäftsführer von Crypvision, einem Beratungsunternehmen zu den Themen Zahlungsmittel, Blockchain und Kryptowährungen.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Lino Lotzin
  • Pressemitteilung Europäische Zentralbank: EZB intensiviert Arbeit an digitalem Euro
  • Heise.de: Digitaler Euro: EZB startet Testphase ab Mitte Oktober
  • Handelsblatt.com: Jörg Krämer: Digitales Zentralbankgeld macht den Staat mächtiger
  • Boerse.ard.de: EZB bereitet sich auf digitalen Euro vor
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "Einblick" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.