Es gab mal Zeiten, da bekam man Gänsehaut, wenn der Begriff "deutsche Sitcom" fiel. Dass das nicht an ihm lag, bewies Humor-Altmeister Jochen Busse unter anderem mit der Erfolgssitcom "Das Amt". Seit gestern Abend ist er bei RTL mit seiner neuen TV-Comedy "Nicht tot zu kriegen" zurück. Und überzeugt als zynisches, altes Ekel.

Christian Vock
Eine Kritik
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Kennen Sie eigentlich noch Jochen Busse? Wenn ein Beitrag schon so anfängt, dann ist der Betreffende meist schon im Frühwinter einer enden wollenden Karriere angelangt und ruft sich gerade noch einmal mit einem verzweifelten Akt des Aufmerksamkeitssuchens in Erinnerung, kurz bevor sich auch das letzte Interesse der Öffentlichkeit an ihm in Luft auflöst.

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Was das nun mit Jochen Busse zu tun hat? Eigentlich gar nichts. Denn Jochen Busse ist niemand, der sich noch einmal in Erinnerung rufen muss. Zu groß ist sein Beitrag zum humoristischen Teil der deutschen Theater- und Fernsehgeschichte. Ob Busse dabei als Schauspieler, Comedian oder Kabarettist zu bezeichnen ist, darüber kann man streiten – die Übergänge sind hierbei ebenso fließend wie egal.

Jochen Busse macht Theater

Warum aber hier trotzdem nach Jochen Busse gefragt wird, ist einfach der Tatsache geschuldet, dass er sich tatsächlich in den vergangenen Jahren auf dem Fernsehbildschirm ein wenig rar gemacht und sich eher dem Theater und seinem eigenen Bühnenprogramm verschrieben hat. Wer also erst in den 2000ern geboren wurde und/oder Kabarett und Theater meidet, dem kann Jochen Busse durchaus durch die Lappen gegangen sein.

Der vorherigen Generation dürfte Jochen Busse da schon geläufiger sein. In den 1990er Jahren, als deutsche Comedy-Formate nur selten absichtlich komisch waren, kannte man ihn vor allem als Hagen Krause in der Bürokratie-Sitcom "Das Amt" sowie als prominentestes Gesicht neben Rudi Carrell in "7 Tage, 7 Köpfe". In den Jahrzehnten zuvor war Busse in zahllosen Kino- und TV-Filmen zu sehen.

"Nicht tot zu kriegen": Busse is back

Wenn Jochen Busse gestern Abend mit "Nicht tot zu kriegen" eine Rückkehr zur TV-Sitcom feiert, dann können sich die einen Zuschauer also auf ein Wiedersehen und die Spätergeborenen auf eine Neuentdeckung freuen. Und, um es vorweg zu nehmen, sowohl für die einen als auch für die anderen sollte sich das Einschalten gelohnt haben.

Darum geht es: Jochen Busse alias Helmut Kraft ist alleine in seiner riesigen Villa. Sein jüngerer Bruder ist soeben verstorben und die Handvoll Angestellter hat gerade gekündigt, denn Helmut Kraft ist das, was man in Fachkreisen wohl – zartere Gemüter mögen den Ausdruck verzeihen – als Arschloch bezeichnet.

Da Villenbesitzer Kraft aber nun andere "Idioten" braucht, die die Leere seiner Villa und seines Magens füllen, verkauft er sein Anwesen zu einem Spottpreis an zwei Pärchen, unter der Bedingung, dass er weiter im Dachgeschoss wohnen darf, während die anderen ihm ab und an zur Hand gehen.

Dass "zur Hand gehen" im Kleingedruckten aber bedeutet, dass sie ihm jeden Wunsch erfüllen müssen, möchten sie nicht wieder auf der Straße landen, merken die frischgebackenen Hausbesitzer erst, als es zu spät ist.

Wer Jochen Busse kennt, der wird wissen, dass dieser mit plattem Schenkelklopfer-Humor nichts am Hut hat und auch bei "Nicht tot zu kriegen" findet man weder billige Zoten noch Kalauer unter der Gürtellinie. Stattdessen zeichnet sich die Sitcom durch feinen, aber nicht zu abgehobenen schwarzen Humor aus. Das ist vor allem Jochen Busse zu verdanken, dessen diabolisches Grinsen dem eines Jack Nicholson durchaus ebenbürtig ist.

Um den eigenen Bruder weinen?

Wenn er etwa in seinem karierten Gutshofbesitzersakko verkündet, dass er nun in der Sauna zu finden sei, während sein toter Bruder gerade im Sarg abtransportiert wird, fragt ihn die Haushälterin pikiert, wie er nur so pietätlos sein könne. Darauf erwidert Kraft verständnislos "Soll ich jetzt wochenlang meinem verstorbenen kleinen Bruder nachweinen oder was?" und bekommt als Antwort: "Aber doch wenigstens zehn Minuten!"

Das ist der Humor, auf den man bei "Nicht tot zu kriegen" trifft. Das ist nichts, was einen vor Lachen aus dem Sessel wirft, aber es gibt der Serie doch den richtigen Biss. Als regelrechter Glücksfall erweist sich zudem die Besetzung. Die völlig verschiedenen Figuren und ihre Darsteller ergeben eine wirklich gelungene Mischung, abgerundet von Petra Nadolny als toughe Haushälterin Irina Popova.

So eine gelungene Zusammenstellung von Figuren und Darstellern bietet nicht nur Kurzweil, sondern auch großes Entwicklungspotenzial für die Geschichte.

Gestern Abend wurde jedenfalls erst einmal der Rahmen gesteckt und die ersten Geschütze zwischen Ekel Kraft und seinen neuen Mitbewohnern in Stellung gebracht. So richtig scharf geschossen wird dann wohl erst nächsten Donnerstag. Der Zuschauer jedenfalls kann sich darauf freuen.

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