• Zur Jubiläumsstaffel holt ProSieben nicht nur Lena Meyer-Landrut zurück zu „The Voice Kids“, sondern lädt auch ehemalige Kandidaten wie Mike Singer zum Gratulieren ein.
  • Doch eine Frage konnte die erfolgreiche Show auch nach zehn Staffeln noch immer nicht klären.
Christian Vock
Eine Kritik
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"Die Jubiläumsstaffel von 'The Voice Kids' wird ein riesengroßes Monstermegaspektakel", verspricht Sängerin Lena sich und den Zuschauern am Freitagabend von der inzwischen zehnten Ausgabe des ProSieben-Gesangswettbewerbs und ihr Jury-Kollege Michi Beck von den Fantastischen Vier ist da ganz bei ihr: "Zehn Jahre 'The Voice Kids' – ein grandioses Jubiläumsspektakel." Alvaro Soler geht sogar noch weiter und erklärt: "'The Voice Kids', das ist die unfassbarste Show, die ich kenne."

Nun kann man sagen: Dann kennt Alvaro Soler offenbar nicht wirklich viele Shows. Man kann "The Voice" gut finden, egal oder sogar schlecht, aber eines ist die Show ganz sicher nicht: unfassbar. Sie ist sogar eine der fassbarsten Shows im Fernsehen, denn bei ihr weiß man haargenau, was man bekommt: kleine Filmchen von den Kandidaten, große Filmchen von ihren Auftritten, die dazu etwas kantig geschnittenen Emotionen aus Publikum und Jury und das anschließende Werben der Jury unter Zuhilfenahme der einen oder anderen Klamauk-Einlage.

"The Voice Kids" ist, wie auch sein Original "The Voice of Germany" durchgeplantes Konzeptfernsehen, wie es durchgeplanter nicht sein könnte. Ist das schlimm? Erst einmal überhaupt nicht. Einen Innovationspreis wird die Show wahrscheinlich nicht mehr bekommen, aber das muss sie auch gar nicht, denn: Sie funktioniert. Und das macht sie auch in der nun schon zehnten Staffel.

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„The Voice Kids“: alles wie immer

Für die hat Lena Meyer-Landrut den Weg zurück auf den Jury-Stuhl gefunden, auf dem sie bereits 2013 bei der ersten Staffel – und bei vielen weiteren danach – saß. Und bei genau dieser allerersten Staffel nahm sie seinerzeit einen kleinen Jungen namens Mike unter ihre Fittiche. Inzwischen ist dieser Mike ein großer Junge und besser unter dem Namen Mike Singer als erfolgreicher Sänger bekannt und weil es eben die Jubiläumsstaffel ist, bekommt Mike Singer am Freitagabend einen kleinen Auftritt.

Ansonsten läuft aber auch in der zehnten Ausgabe alles wie immer. Kinder singen und die Jury bedankt sich bei ihnen mit freundlichen Worten und manchmal auch mit dem Drücken des roten Buzzers. Wie zum Beispiel bei Nadia aus Göttingen. Die Zehnjährige will schon seit zwei Jahren unbedingt zu „The Voice Kids“, wie ihre Mutter erzählt, und singt "Remember Me" aus dem Disney-Film "Coco". Offenbar so überzeugend, dass sich alle vier Jury-Teams für sie umdrehen und um ihre Gunst werben.

Am Ende entscheidet sich Nadia für Michi Beck und Smudo, augenscheinlich sieht sie hier ihre Siegchancen am größten. Denn Nadia macht nicht einfach so bei "The Voice Kids" mit, sie hat ein großes Ziel seit sie ihre Teilnahme beschloss: "Oh mein Gott, da will ich hingehen, ich will zu den Coaches, ins Finale und gewinnen!"

Wettbewerb, immer nur Wettbewerb

Gewinnen wollen. Das klingt erst einmal völlig plausibel, schließlich ist es das, was Menschen machen, seit sie überhaupt etwas machen. Der Mensch gab sich noch nie damit zufrieden, etwas einfach nur zu können, nein, er musste es besser können. Auf jeden Fall besser als ein anderer. Und so stürzte sich der Mensch in alles, woraus man einen Wettbewerb machen konnte: laufen, schwimmen, Auto fahren – man könnte ewig so weitermachen.

Irgendwann kam dann das Fernsehen hinzu und so wetteiferte man eben nicht nur für den Sieg, sondern auch zur Unterhaltung der Zuschauer bis die Übertrumpferei mit den unzähligen Kochshows ihren Höhepunkt erreicht hat. Denn, Hand auf’s Herz: Wen juckt es, ob jemand ein Ei besser braten kann als ein anderer? Noch dazu im Fernsehen, wo man als Zuschauer das Essen noch nicht einmal schmecken oder riechen kann.

Nun gut, kann man sagen, sollen sie halt um die Wette brutzeln, wenn sich Leute das ansehen wollen, ist das deren Sache. So einfach, so wahr, bedenklich wird das Ganze nur, und damit sind wir dann wieder bei "The Voice Kids", wenn dieser Drang, sich messen zu müssen, sich auf Bereiche erstreckt, bei denen ein Wettkampf das wohl Sinnloseste ist, was man machen kann: das Singen.

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Kandidat Leopold: „Ich will Menschen mit meiner Musik eine Freude machen“

Denn bei einem Wettkampf gibt es logischerweise Gewinner und wo es Gewinner gibt, gibt es zwangsläufig auch immer Verlierer. Daher die Frage: Muss es beim Singen Verlierer geben? Und wenn man tatsächlich der Ansicht ist, dass ja: Was soll der Gewinner nach dem Wettkampf denn dem Verlierer sagen? "Ich hab dich beim Singen geschlagen", klingt jedenfalls reichlich dämlich, oder nicht?

Wir leben in einer Zeit, in der es angesichts der immensen Herausforderungen, die vor uns liegen, mehr denn je stärker auf ein Miteinander ankommt als auf ein Gegeneinander. Wettkämpfe aber betonen nicht das Gemeinsame, sondern teilen auf in Gewinner und Verlierer. Es ist mindestens schade, wenn Kindern, bei all dem Druck, den sie in Shows wie "The Voice Kids" mit Sicherheit ohnehin schon erleben, auch noch beigebracht wird, dass eine so harmlose und gleichzeitig persönlichkeitsbildende Tätigkeit wie das Singen auch noch in einen Wettbewerb gepresst werden muss.

Denn Singen ist die wohl ungeeignetste Art, sich zu messen. Singen ist das Ausdrücken und gleichzeitige Wecken von Gefühlen. "Mama, ich will Menschen mit meiner Musik eine Freude machen", erkennt der elfjährige Kandidat Leopold, wie seine Mutter erzählt. Das sei der Grund, warum er bei "The Voice Kids" mitmachen wollte. Ein ehrenwerter Grund. Doch die Jury entscheidet am Freitagabend, dass Leopold den Menschen woanders eine Freude machen soll, nicht aber bei "The Voice Kids". Denn hier herrscht Wettbewerb und den verliert Leopold an diesem Abend.

„The Voice Kids“: Jemima bewegt die Zuschauer und die Jury

Scheinbar ganz normal, denn offenkundig haben wir uns alle schon längst an diesen Wettbewerbsfetisch gewöhnt. Und so klingt es ganz plausibel, wenn Gil, der Vater von Kandidat Tyler, am Freitagabend erklärt, wie stolz er auf seinen Sohn ist, weil er es bis in die Show geschafft hat. Wäre er nicht stolz auf seinen Sohn, wenn er es nicht so weit geschafft, vielleicht gar nicht versucht, sondern einfach aus Freude gesungen hätte? Wahrscheinlich nicht.

Und so hebt sich ProSieben ganz unwissentlich Kandidatin Jemima bis zum Schluss auf, um zu zeigen, dass Singen alles ist, nur nichts für einen Wettbewerb. Denn die 15-Jährige haut mit ihrer Interpretation von "Say Something" die Jury genauso von den Sitzen wie die Zuschauer. Weil sie rührt, weil sie bewegt, weil es ihre Leidenschaft ist – und nicht, weil sie besser ist als andere.

Und so könnte die Show mit diesem schönen Moment enden, aber da kämpfen die Juroren bereits um die junge Sängerin und als sich Jemima für Lena entscheidet, macht die Sängerin den Moment dann vollends kaputt, als sie ihrem neuen Schützling beim Hinausgehen zuflüstert: "Ich freu’ mich total doll auf die Battles mit dir." Die Battles. Der Wettbewerb hat gerade erst begonnen.

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