"Pink Panther": Der Name der Verbrecherbande, die auf der ganzen Welt Raubüberfälle und Einbrüche begeht, sorgt bei Juwelieren immer noch für Gänsehaut. Am Dienstagabend erzählt Jenke von Wilmsdorf in ProSiebens "Jenke. Crime." die Geschichte von Olivera Cirkovic, einem ehemaligen Kopf dieser Bande. Leider mit viel zu viel moralischem Impetus.

Christian Vock
Eine Kritik
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True-Crime-Magazine sind gerade in. Wieder einmal und besonders in modernerem Gewand, dem Podcast. Kein Wunder, schließlich gibt es die Faszination an Verbrechen und Verbrechern seit es Verbrechen und Verbrecher gibt. Das weiß natürlich auch der frühere RTL-, jetzt ProSieben-Reporter Jenke von Wilmsdorff, der seit 2021 das True-Crime-Format "Jenke. Crime." in seinem TV-Portfolio hat.

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In der jüngsten Ausgabe vom Dienstagabend geht es aber nicht nur um die Faszination von Verbrechen und Verbrechern für den Zuschauer, sondern um die Faszination von Verbrechen für eine ganz besondere Verbrecherin: "Olivera Cirkovic ist eine Juwelenräuberin wie aus einem Film. Unter dem Namen 'Pink Panther' baut sie ein kriminelles Netzwerk auf", stellt von Wilmsdorff die Hauptdarstellerin der zweiten Folge "Jenke. Crime." vor.

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Um ihr, wie auch den anderen Verbrechern seiner TV-Reihe, "unbequeme Fragen zu stellen", trifft der Reporter die ehemalige Juwelendiebin an verschiedenen Orten, aber auch, um ihre Geschichte von ihr selbst zu hören. Und damit von Wilmsdorff selbst, aber auch der Zuschauer, Cirkovics Antworten einordnen kann, holt er sich Experten und Cirkovics Opfer dazu, vor allem aber ihren Sohn Nikolas.

Olivera Cirkovic: eine natürliche Führungspersönlichkeit

Denn natürlich ist auch und besonders das Leben ihres Sohnes eng mit der kriminellen Geschichte Cirkovics verbunden und die geht so: 1969 im damaligen Jugoslawien als Tochter eines Beamten und einer Hausfrau geboren, wächst Cirkovic laut eigener Aussage als glückliches Kind mit viel Liebe auf. Bei einem Probetraining von Roter Stern Belgrad erkennt ein Trainer 1982 ihr Basketballtalent, vor allem aber ihre Führungspersönlichkeit und ihre geistigen Fähigkeiten: "Sie hatte einen Basketball-Verstand, der seinesgleichen sucht. Mit dem Kopf arbeiten, das hat Olja sehr schnell verstanden", erklärt der damalige Trainer Zoran Kovacic.

Cirkovic macht Karriere im Basketball, schafft es mit ihrem Ehrgeiz und ihrem Selbstbewusstsein in die Nationalmannschaft. Ein Selbstbewusstsein, das ihr vom Vater eingepflanzt wurde: "Meine Olja kann alles", habe er ihr gesagt und dieser Satz prägt Cirkovic, wie sie sagt, bis heute. Der Wandel vom Sport zur Kriminellen begann, als "ich das erste Mal in Kontakt kam mit dem kriminellen Milieu", erklärt Cirkovic und dieser Kontakt kam über ihren damaligen Freund, den sie 1995 kennenlernt.

Sie habe schnell gemerkt, dass der kriminell ist, aber das Schockierendste sei gewesen, "dass es mir nichts ausgemacht hat." Sie erkennt, dass sie mit ihren Fähigkeiten Erfolg in diesem Milieu haben könnte. Während der Zeit des Embargos gegen Serbien in den 1990ern steigt sie mit dem Verkauf von gestohlener Ware ein. Aber nicht, wie sie sagt, wegen des Geldes: "Mich hat vielmehr die Macht gereizt. […] Macht und Freiheit. Ein Gefühl, dass ein Geschäftsmann niemals gehabt hätte."

Olivera Cirkovic: "Da war immer diese Rebellin in mir"

Ihr kriminelles "Geschäft" wächst, sie verdient sehr schnell sehr viel Geld, die Polizei schaute weg, wie sie erzählt. Um während des Embargos mehr Ware zu bekommen, organisiert sie die Beschaffung im Ausland selbst. Dadurch steigt Cirkovic Schritt für Schritt in dieser Organisation auf bis zur Nummer eins. Sie plant die Überfälle mit Akribie, stellt die Teams persönlich zusammen und führt ihre "Mitarbeiter" nicht mit Gewalt, sondern "mit Gnade". Ihr Antrieb ist ihre Persönlichkeit: "Da war immer diese Rebellin in mir." Aber auch ihr Erfolg: Warum aufhören, wenn alles perfekt klappt?

Doch irgendwann wendet sich das Glück. Cirkovic wird 2006 zum ersten Mal geschnappt, landet im Gefängnis. 2012 kommt sie zum zweiten Mal in Haft, flüchtet aber aus dem Gefängnis in Griechenland nach Serbien. Doch wenige Monate später wird sie wieder in Griechenland verhaftet und zuerst zu 32 Jahren Haft verurteilt. Nach Revisionen und einer Amnestie wird sie 2017 wieder entlassen und schwört ihrer kriminellen Karriere ab.

So weit zur Geschichte Cirkovics, doch von Wilmsdorff ist nicht nur an den reinen Fakten interessiert, sondern will eine Einordnung. Die bekommt er von verschiedenen Fachleuten, die über Cirkovics Verbrechen, aber auch über ihre Persönlichkeit urteilen: eine Fachärztin für forensische Psychiatrie, eine "Expertin für Mimik und Körpersprache", Mitglieder einer Interpol-Sondereinheit oder der Inhaber eines Juwelier-Warndienstes.

Jenke von Wilmsdorff will, dass der Zuschauer sein Urteil fällt

Das ist völlig legitim, schließlich sind für den Zuschauer nicht nur die reinen Fakten und die Einschätzung von Cirkovic selbst interessant, sondern auch die von außerhalb. Dazu gehören auch die Ansichten eines beraubten Juweliers, genauso wie die von Cirkovics Sohn Nikolas. Denn so faszinierend die Geschichte von Cirkovics Taten ist, es ist auch eine Geschichte der Opfer. Die ist nicht weniger interessant und könnte zu einem runden Gesamtbild beitragen - wenn von Wilmsdorff hier wie auch an anderer Stelle ein paar Regeln beachtet hätte.

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Denn die zweite Ausgabe von "Jenke. Crime." ist keine TV-Reportage, sondern ein True-Crime-Format mit einer gehörigen moralischen Intention. Von Wilmsdorff will nicht verstehen, zumindest nicht nur. Er will, dass der Zuschauer ein Urteil fällt, sein Urteil fällt. Deshalb erzählt er nicht einfach die Geschichte Cirkovics, sondern kommentiert sie immer wieder mit seinen Werturteilen: "Eine Meisterin der Selbstdarstellung", Gentleman-Kriminelle? - "Welch absurde Bezeichnung!" oder "So viel zum Thema Liebe und Mutterrolle".

Immer wieder muss Cirkovic erklären, warum sie gemacht hat, was sie gemacht hat, dass sie als Kriminelle keine Opfer-Perspektive einnehmen konnte oder dass ihr Antrieb eine innere Rebellion und das Gefühl von Macht waren. Von Wilmsdorff gibt sich nicht zufrieden, untermauert seinen moralischen Impetus noch mit Suggestivfragen, wie "Wie aufrichtig ist ihre Reue?" oder in Bezug auf ihren Sohn: "Ist er vielleicht Oliveras größtes Opfer?"

"Jenke. Crime.": Weniger Urteil ist mehr

Natürlich gehören solche Aspekte dazu, aber es ist die Frage, wie man sie in einer Reportage unterbringt. Von Wilmsdorff überlässt die Wertung seiner Schilderungen nicht dem Zuschauer, wo sie eigentlich hingehört, sondern übernimmt sie selbst. Etwa, als er immer wieder bei Cirkovic nach Reue bohrt, weil sie ihrem Sohn ihre kriminelle "Karriere" inklusive der Gefängnisaufenthalte zugemutet hat. Oder als er immer wieder klarstellt, dass die Taten Cirkovics keine "Gentleman-Verbrechen" sind, sondern in erster Linie Verbrechen – als wüsste der Zuschauer das nicht selbst.

Dabei hätte von Wilmsdorff das gar nicht nötig, denn dem Zuschauer ist durchaus zuzutrauen, das Gesehene selbst einzuordnen. Zum anderen aber sprechen die Aussagen seiner Protagonisten für sich selbst. Zum Beispiel, als Nikolas Cirkovic aufgrund seiner Erfahrungen sein Fazit zieht: "Wenn du dich entscheidest, ein Krimineller zu werden, dann kannst du das machen, solange es nur dich betrifft. Mit deinem Leben kannst du machen, was immer du willst. Aber du hast kein Recht, deine Eltern, deine Kinder, deine Lebensgefährten mit reinzuziehen und zu gefährden."

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