Casting-Edition bei "Germany's next Topmodel" ist, wenn die Models um Jobs kämpfen, die es allerdings erst dann gibt, wenn die Models Models sind – was sie aber ohne Jobs nicht sind. Meint zumindest die Klum. Alles klar?

Christian Vock
Eine Kritik
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Wer hätte das gedacht? Da ist "Germany's next Topmodel" seit Jahren eine Paradebeispiel dafür, wie maximal entrückt man der Realität sein kann. Wahnwitzige Unterwassershootings, Schneesturm-Foto-Sessions auf Berggipfeln und Models, die auf High Heels Häuserwände hinunter stöckeln.

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"Germany's next Topmodel" ist nur schwer an Wirklichkeitsmaßstäben zu messen und nun erinnert uns ausgerechnet Deutschlands größte Gaga-Sendung an eine scheinbar längst vergangene Realität.

Wenn wir, wie an diesem Donnerstagabend, wie gewohnt vor dem Fernseher sitzen und den Damen beim Model-werden zusehen, dann sehen wir eine Zeit ohne Virus, Infizierten-Zahlen und Ausgangssperren.

Ja, wer hätte das gedacht? Lassen wir also für knapp zwei Stunden unsere Sorgen Sorgen sein und beschäftigen wir uns lieber mit den Sorgen anderer. Und die sind bei "Germany's next Topmodel" gerade arbeitsmarktbezogener Natur, wie die Klum erklärt: "In dieser Woche dreht sich alles um Jobs, Jobs und nochmals Jobs."

Dementsprechend hat sich die Klum ein Motto für die "Casting-Edition", wie sie diese Folge nennt, gesetzt: "Ein Model ohne Job ist kein Model." Das ist natürlich ebenso falsch wie richtig, in jedem Fall aber reichlich banal, denn sonst könnte ja jeder von sich behaupten, er oder sie sei ein Model.

GNTM: "Miteinander agieren, aber gleichzeitig hervorstechen!"

Doch vor den Job hat der Model-Gott das Casting gesetzt. Also geht es für die Truppe zum Anbieter von Haarreinigungsprodukten, denn dort wird das "got2b-Festival-Girl-2020" gesucht. Die beiden Damen vom Haarreinigungsproduzenten unterteilen die Bewerberinnen in 3er-Gruppen, die dann Faxen vor der Kamera machen sollen. Arbeitsauftrag für die Models: "Miteinander agieren, aber gleichzeitig hervorstechen!"

Also agieren die Damen miteinander und stechen gleichzeitig hervor, zumindest einige von ihnen. Johanna zum Beispiel hat "zu wenig angeboten", Tamara hingegen hat sehr überzeugend miteinander agiert und gleichzeitig hervorgestochen, weshalb sie sich nun den Titel "got2b-Festival-Girl-2020" ans Revers heften darf.

Doch das ist erst der Anfang, weshalb sich die Damen nur kurz erholen dürfen. Zuhause im Loft stürzen sich die Models erst einmal auf die bereitgelegten Make-up-Spiegel des Werbepartners wie ausgehungerte Löwinnen auf eine angeschlagene Antilope, ehe es zur Fashion-Show nach Berlin geht. Denn dort gibt es das, was laut Klum Models von Nicht-Models unterscheidet: Jobs.

Damit die aber nicht irgendwelche anderen Models bekommen, sondern die unserer GNTM-Auswahl, hat die Klum ein bekanntes Gesicht engagiert: Nikeata Thompson soll den Damen noch ein bisschen das Laufen vor Publikum beibringen und am Ende der Folge als Gastjurorin aussiebend tätig werden.

Also geht es von Casting zu Casting, bei denen vor allem Anastasia glänzt und zwei Jobs ergattert. Bei Johanna dagegen steigt der Frust von Absage zu Absage: "Ihr fehlt die 'Ich-feg-alles-weg-Einstellung", erklärt beispielhaft Designerin Anja Gockel über Johanna. Was die Frau Gockel nicht weiß: Johanna ist ein bisschen traumatisiert durch die jahrelangen Schmähungen wegen ihres Körpers. Da kann es schon mal bei der Wegfeg-Einstellung hapern.

Mareike geht freiwillig, Lijana sieht sich schon im Finale

Aber auch bei anderen Models läuft es nicht an der Job-Front. Zum Beispiel bei Julia P. Während die Konkurrenz eine Einladung zum Casting bei Wolfgang Joop bekommt, geht Julia P. mal wieder leer aus, was für Enttäuschung sorgt: "Sag mir eine Sache, warum ich jetzt glücklich sein sollte? Wolfgang Joop will mich nicht mal sehen." Ja, das geht uns allen so.

Bei Mareike macht sich auch Frust breit, aber aus einem anderen Grund. Ihr fehlt die Familie und dazu schwindet auch noch die Motivation, "Germany's next Topmodel" werden zu wollen – und auch das geht uns allen so. Kurzum, Mareike haut in den Sack und verlässt die Show auf eigenen Wunsch: "Mir fällt ein Stein vom Herzen."

Gute Nachrichten gibt es hingegen von Johanna zu berichten. Sie bekommt doch endlich einen Job und setzt damit andere Models auf die Streich-Liste, die sich ebenfalls schon einmal enttäuscht über ihre eigene Leistungsdaten geäußert haben.

So weit ist also alles im Kasten, bleibt noch kurz Zeit, Lijana als die Unsympathische der Staffel aufzubauen. Dazu gibt man ihr einfach ein bisschen überdurchschnittlichen Wortanteil und zitiert sie mit Sprüchen wie "Ich sehe mich selber am Ende der Staffel ganz weit vorne." Hätten wir das also auch.

Für den Entscheidungswalk macht die Klum dann nochmal ein bisschen Druck und da ein Model bekanntlich nur ein Model ist, wenn es einen Job hat, machen sich natürlich die Models einen Kopf, die keinen Job bekommen haben und per definitionem also auch keine Models sind. Schlussendlich ist es Julia F., die erst keinen Job und dann kein Foto von Heidi Klum bekommt.

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