In Staffel zehn des Dschungelcamps hat RTL ganze Arbeit geleistet. Die Rollenverteilung ist zwar die gleiche wie in den letzten Jahren, aber die Prominenten sind diesmal auch willens, das abzuliefern, was von ihnen erwartet wird: Häme, Zoff und Tränen.

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Die vergangene Staffel von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" scheiterte vor allem an der Verweigerungshaltung seiner mehr oder minder prominenten Insassen.

So katastrophal das für Zuschauer und Sender war: Ehrlichere Kandidaten nahmen nie an der Show teil. Die C-Promis im Dschungelcamp haben in der Regel finanzielle Probleme oder suchen die erneute Aufmerksamkeit des Publikums, gern auch beides gleichzeitig.

In Staffel neun verhielten sie sich entsprechend. Sie duckten sich weg und versuchten das Geld mit möglichst geringem Aufwand zu kassieren. Selbst die offen zur Schau getragene Verachtung von Publikum und Moderatoren konnte sie nicht davon abbringen.

Die "Ich bin nur wegen der Erfahrung hier drin"-Floskel entpuppte sich als eben solche.

O-Ton-Maschinen mit klarem Auftrag

In der aktuellen Staffel von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" sorgt RTL jetzt eindrucksvoll dafür, dass sich dieses Desaster nicht wiederholt. Jeder der Kandidaten ist eine "O-Ton-Maschine", wie es einer der Autoren des Camps bereits vorher ankündigte.

Die Rollen, die die Prominenten übernehmen, sind natürlich die gleichen wie in den vergangenen Jahren, nur eben noch überdrehter.

Man nehme zum Beispiel Ex-Soap-Schauspieler David Ortega. Gegen ihn wirkt Joey Heindle aus Staffel sieben wie ein Geistesathlet. Kleine Kostprobe gefällig? "Die Dinosaurier müssen ja Scheiße gebaut haben. Sonst wären die nicht ausgestorben."

Und das ist noch einer seiner verständlicheren Sätze. Den Rest der Zeit bleibt der Zuschauer ratlos zurück.

Dazu gesellen sich die klassischen Stereotypen: der tattrige Alte (Rolf Zacher), der Nudist (Gunter Gabriel), die Duschhasen (Sophia Wollersheim, Nathalie Volk) und die Irren (Thorsten Legat, Helena Fürst).

Sie alle ließ RTL ab Minute eins des Dschungelcamps miteinander kollidieren, der Sender hatte ihnen offensichtlich eindringlich deutlich gemacht, was von ihnen erwartet wird.

Es spricht für die Qualität des Dschungelcamps, dass diese Rollen spätestens nach ein paar Tagen trotzdem bröckelten. Am eindrucksvollsten ließ sich das bei Helena Fürsts Dschungelprüfung am Montag beobachten.

Sie ist in dieser Staffel der mittlerweile schon übliche Seriensündenbock der Zuschauer, der in der ersten Woche jede Ekelaufgabe absolvieren musste. Zuzuschreiben hat sie sich das selbst.

Ihre Taktik für die Show war, neben dem offenen Geständnis das Geld zu kassieren und möglichst viel Sendezeit zu ergattern, nach außen hin möglichst hart und schroff zu wirken, so als könne sie nichts erschüttern.

Eine Steilvorlage für das Publikum, das sie mit sadistischem Genuss so lange mit Kakerlaken übergoss, bis von dieser Fassade nichts mehr übrig blieb.

Der Rest benötigte nicht einmal das. Ganz ohne Insekteneinfluss offenbarten die Prominenten ihre Abgründe. Gunter Gabriel, der während einer besonders desaströsen Beziehung die Wohnung seiner Frau demolierte, nachdem sie ihm eine Waffe an den Kopf gehalten hatte.

Sophia Wollersheim, die sich aus Minderwertigkeitskomplexen die Brüste überdimensional aufpumpen ließ und einen Zuhälter heiratete. Thorsten Legat, der von seinem gewalttätigen Vater missbraucht wurde und ihn mit 15 K.o. schlug.

Es ist ein Sammelsurium aus Abgründen und nicht verarbeiteten Traumata, die nur noch eine Steigerung kennen: Menderes Bagci.

Vom Vater ignoriert, von den Frauen ebenso, dazu noch eine seltene Darmkrankheit - mehr persönliches Elend hat der Dschungel noch nicht erlebt.

Menderes: Sympathien für einen Anti-Helden

Was tut so einer, dem das Leben immer wieder Baumstämme zwischen die Beine wirft, in seiner Desorientierung und auf der Suche nach ein bisschen Aufmerksamkeit? Er geht zum Fernsehen, in eine neue Show: "Deutschland sucht den Superstar".

Und dort gerät er dann an sein Pendant, einen, der genauso traumatisiert ist wie er, weil er zwar der erfolgreichste Musikproduzent der Republik ist, aber eben über die Jahre stetiger Häme ausgesetzt, wegen seiner Frisur, seiner kratzig-hohen Stimme, den immer gleich aussehenden Freundinnen: Dieter Bohlen.

Vor 13 Jahren war das und es ist schon eine Ironie des Schicksals, dass beide aus dieser Begegnung eine Karriere formten. Bohlen, der Zuchtmeister der Nation, und Bagci, sein alljährlicher Prügelknabe.

Dass für den 29-Jährigen ausgerechnet "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" der Wendepunkt in seinem Leben sein könnte, ist bezeichnend für die Sprunghaftigkeit des TV-Publikums.

Zum ersten Mal überschütten die Menschen Menderes nicht mit Spott, sondern mit Zuneigung. Die Zuschauer honorieren, dass sich da einer nicht verstellt, vielleicht auch gar nicht verstellen kann.

Menderes gilt für viele als der aussichtsreichste Kandidat auf den Sieg bei der Jubiläumsstaffel.

Und egal, ob er am Ende wirklich auf dem Thron sitzt oder Thorsten Legat ihn im letzten Moment mit irrem Blick in kleine Fetzen zerbeißt: Das ist etwas, was ihm niemand mehr nehmen kann.

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