"Promischweiß und Edelweiß": ProSieben hat das Trash-TV-Format "Die Alm" wiederbelebt und am Donnerstagabend zehn leidlich bekannte Menschen in eine karge Berghütte in den Südtiroler Alpen gesteckt. Herausgekommen ist der Versuch, Trash-TV der alten Schule zu machen, aber ohne die Eskapaden der jüngsten Vergangenheit. Kann das gelingen?

Christian Vock
Eine Kritik
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Es gibt sicher günstigere Zeitpunkte, eine alte Trash-TV-Show aus dem Vorratsschrank zu holen. Das Proll-und-Pöbel-Format "Promis unter Palmen" machte erst Schlagzeilen durch einen Mobbing-Skandal, eine Staffel später dann durch einen Homophobie-Skandal. RTLs Niedrig-Niveau-Pendant, "Das Sommerhaus der Stars", machte im vergangenen Jahr durch eine Spuck-Affäre von sich reden und ohnehin arbeitet der Kölner Sender gerade an seiner Qualitätsoffensive.

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Kurzum: Die Sender scheinen den Eskalationsbogen in ihren Trash-TV-Shows überspannt zu haben, die Zeit der Schrei- und Schimpf-Formate scheint vorbei. Wenn ProSieben nun "Die Alm" nach 2011 zum zweiten Mal wiederauferstehen lässt, darf man sich daher getrost nach dem Warum fragen. Hat der Sender die Zeichen der Zeit nicht erkannt oder folgt nach all den Debakeln nun eine Wohlfühl-Version?

Die Auswahl der Kandidaten lässt erst einmal keine Antwort auf diese Frage zu. Wirkliche Prominenz sucht man hier vergebens, am bekanntesten dürften Mirja du Mont, Fernsehkoch Christian Lohse und Turnerin Magdalena Brzeska sein. Wer einen oder eine der anderen Kandidaten kennt, sollte hingegen dringend an seiner Work-Life-Balance arbeiten – und zwar zugunsten der Arbeit.

2021 soll "Die Alm" Spaß machen

Bestes Beispiel ist Ioannis Amanatidis. "Ich war letztes Jahr Kandidat bei der 'Bachelorette' gewesen", erklärt Amanatidis auf die Frage Mirja du Monts, was er denn mache und vielleicht musste er bei seiner Antwort selbst lachen, dass das bereits für einen Promi-Status reicht.

Erfahrene Pöbel- und Provozier-Größen wie beispielsweise Désirée Nick fehlen bei "Die Alm – Promischweiß & Edelweiß" komplett, was darauf schließen lässt, dass ProSieben es tatsächlich ernst meinte, als der Sender vorab davon sprach, dass "'Die Alm' Spaß machen" und "alle Freude an der Produktion haben" sollen. Dass der Großteil der Truppe bisher einem breiten Publikum verborgen geblieben ist, um es mal höflich zu formulieren, könnte allerdings den einen oder anderen Kandidaten dazu verleiten, sich mit ein bisschen Eskalation und der Hilfe des Schnitts mehr Reichweite verschaffen zu wollen.

Dazu braucht es aber auch ein entsprechendes Konzept, das die Kandidaten beim gegenseitigen Auf-die-Nerven-gehen unterstützt und hier bleibt "Die Alm" in Folge eins noch unter ihren Möglichkeiten. Ein Plumpsklo, kochen am Holzofen, Stalldienst – das ganz harte Trash-Setting hat "Die Alm" nicht parat.

Und selbst der inzwischen 75-jährige "Alm-Öhi" Joseph Huber, der die Kandidaten sonst als eine Art Alpen-Drill-Instructor das Fürchten lehren sollte, hat in der dritten Staffel viel von seinem Schrecken eingebüßt. "Klar?", fragt Huber, als er den Kandidaten das Regelwerk erklärt und Katharina Eisenblut antwortet nur: "Nee, ich versteh den Dialekt nicht."

Streit zwischen Ioannis Amanatidis und Katharina Eisenblut

Was Eisenblut indes versteht, ist die Regel, dass sich bei jedem Regelverstoß die maximale Gesamtsumme von 50.000 Euro um jeweils 500 Euro reduziert. In Folge eins kommen so immerhin schon 3.500 Euro zusammen, die dem Gewinner am Ende fehlen werden – wenigstens ein bisschen Konfliktpotenzial. Ansonsten sind die größten Probleme der Kandidaten bisher, dass ein wenig Salz zum Kochen fehlt und dass die Streichhölzer feucht geworden sind.

Und so ist es ein bisschen bezeichnend, dass der Trash-TV-Eskalationsklassiker, der Nikotin-Entzug, zwar auch bei der "Alm" funktioniert, aber ganz anders als sonst. Katharina Eisenblut möchte sich nämlich wegen ihrer jugendlichen Fans vor der Kamera lieber kein Kippchen anstecken, woraufhin sich ein kleines Hüttendrama abspielt, als der Rest der Belegschaft seine Meinung dazu abgeben möchte, was wiederum Katharina missfällt.

Bereits im Vorfeld hatte Eisenblut mit Amanatidis Kommunikationsschwierigkeiten, als dieser ungefragt mehr über Eisenbluts Beziehung wissen wollte und unbeeindruckt von seinen bisherigen Wortbeiträgen der Meinung war: "Ich glaube, ich hätte Psychiater werden sollen." Nun glaubt der ehemalige Bachelorettetist, dass auch hier seine Meinung gefragt sei: "Das Problem ist: Du bist sehr sensibel und sehr angreifbar", erklärt Amanatidis Eisenblut, woraufhin sich ein längeres Wortgefecht entwickelt.

Katharina Eisenblut will "Die Alm" verlassen

An dessen Ende stehen dann zwei unterschiedliche Einschätzungen des jeweils Anderen: "Geisteskrank diese Frau", ist Amanatidis’ Fazit und Eisenblut ist sich sicher: "Ich mag ihn nicht mehr. Der hat einen Scheißcharakter." Und so fasst Reality-TV-Darsteller Aaron Hundhausen die Situation wie folgt zusammen: "Zwei verschiedene Menschen, falsch verstanden, eine Mimimi und einer Höhöhö."

Für Katharina Eisenblut ist das jedenfalls zu viel Unterschiedlichkeit und so entscheidet sich die Sängerin bereits an Tag zwei, "Die Alm – Promischweiß & Edelweiß" wieder zu verlassen: "Ich möchte jetzt nach Hause." Ob es tatsächlich zum angekündigten Almabtrieb kommt, erfährt der Zuschauer allerdings erst in der kommenden Folge.

Was sich aber bereits in der Auftaktfolge andeutet: ProSieben versucht bei der Wiederauflage der "Alm" die Uhren zurückzudrehen und den Spagat hinzubekommen, Trash-TV-Traditionen einzuhalten, aber gleichzeitig zu gucken, dass das Ganze nicht wie bei anderen Formaten zuvor in einem moralischen Desaster endet. Das kann natürlich funktionieren, kann aber auch stinklangweilig werden. Bisher geht es bei der "Alm" eher in die zweite Richtung. Vielleicht ist die Zeit von "Die Alm", dem "Sommerhaus der Stars" und Co. aber auch einfach abgelaufen.

"Die Alm", seit 24. Juni immer donnerstags um 20.15 Uhr auf Pro7.

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