• Es sieht aus wie ein lang aufgeschobener Familienbesuch, aber dann stellt sich heraus, dass Lenas Tante eine eigene Agenda verfolgt.
  • Ursula Werner spielt im „Tatort – Lenas Tante“ die pensionierte Staatsanwältin Niki Odenthal, die den Ermittlungen von Lena Odenthal und Johanna Stern in die Quere kommt.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Niki Odenthal (Ursula Werner) ist pensionierte Staatsanwältin, ungefähr halb so groß wie ihre Nichte, aber etwa doppelt so ungeduldig und hartnäckig. Und so wird Lenas Freude über den lang ersehnten Besuch bereits am Bahnhof gedämpft, wo es zu ersten Querelen kommt, die mit ruppigen Bemerkungen über Lenas Wohnort ("Ludwigshafen ist finsterste Provinz!"), Lenas Karriere ("An der Polizeiakademie ist Kriminalistik vakant!") und Lenas Kochkünste ("Das Essen ist nicht sehr gut!") weitergehen. Da ist der Koffer noch nicht einmal ausgepackt.

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Während Kommissarin Odenthal erste Zweifel über die schöne Zeit kommen, die sie eigentlich mit ihrer bewunderten Tante verbringen wollte, kümmert sich ihre Kollegin Stern um einen makabren Todesfall: Im Bestattungsinstitut wurde der Bewohner eines Seniorenheims bei lebendigem Leib verbrannt.

Ironischerweise ist es Johanna Stern (Lisa Bitter), die jetzt eine schöne Zeit hat: Ausgerechnet der übermüdete Hausarzt (Johannes Dullin) des Altenheims, der Nachtdienst hatte und der den Totenschein ausgestellt hat, hat es ihr angetan.

Die beiden kommen sich näher, und bei Pizza und Wein entwickelt die Kommissarin eine Theorie. Denn es stellt sich heraus, dass dem 96-jährigen Fritz Herrweg vor der Verbrennung eine gefährliche Menge Insulin gespritzt wurde. Der darauf folgende Tod scheint eher ein Versehen – versucht das Altenheim, seine Senioren medikamentös in eine für das Haus lukrativere Pflegestufe zu katapultieren?

Schatten der Vergangenheit

Im Zuge der weiteren Ermittlungen nun nimmt Lena Odenthals Ärger mit ihrer Tante eine neue, besorgniserregende Qualität an: Sie findet heraus, dass Niki nicht nur zu Besuch angereist ist. Dass Niki im Altenheim war – am Tag vor Fritz Herrwegs Tod. Zudem unternimmt Niki Odenthal heimliche Ausflüge, lügt ihre Nichte an und mischt sich hinter ihrem Rücken in Lenas Fall ein. Die Kommissarin hegt einen schlimmen Verdacht, der einen Keil zwischen sie und Johanna Stern treibt. Dann kommt es zu einem zweiten Todesfall.

Was die Ermittlerinnen und Ermittler betrifft, geht es in letzter Zeit ungewöhnlich familiär zu beim "Tatort": Der Kölner Neujahrs-"Tatort" handelte von Kommissar Freddy Schenks Tochter, in Dortmund tauchte Kommissar Peter Fabers Vater auf, und jetzt "Lenas Tante". Liegt das an den Feiertagen? Oder ist es einfach nur Zufall?

Denn was solche Familienhintergründe ermöglichen würden, nämlich horizontales Erzählen und ein tiefer gehendes Ausloten des Charakters der Kommissarinnen und Kommissare, ist innerhalb der öffentlich-rechtlichen "Tatort"-Planungsmaschinerie nur begrenzt zu realisieren. So haben diese Verwandtenbesuche meist etwas von Überraschungsgästen - ist die Party vorbei, geht man wieder zum gewohnten Alltag über.

Folgen wie "Lenas Tante" müssen sich deshalb am einzelnen Kriminalfall messen lassen.

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Eine Reise in die deutsche Geschichte

Und da gibt es hier – anders etwa als in der Dortmunder Episode "Du bleibst hier" mit Kommissar Fabers Vater – wenig auszusetzen. Stefan Dähnert nutzt den Besuch der alten Dame zu einer Reise weniger in Lena Odenthals als vielmehr in die deutsche Geschichte.

Die Tatsache, dass diese kämpferische und ruhestandsunwillige Ex-Staatsanwältin zufällig die Tante der ermittelnden Kommissarin ist, erhöht Lena Odenthals Engagement in die Angelegenheit und sorgt für eine reizvolle Dreierkonstellation zwischen den Odenthal-Frauen und Johanna Stern. Diese muss sich zwischen ihrer Bewunderung für Niki, ihrer Loyalität für Lena und ihrem Misstrauen gegenüber beiden zurechtfinden. Das sorgt für zusätzliche Spannung, die wiederum auch den Fall spannender macht.

Was nicht funktioniert, ist die angestrebte Komik in der Beziehung der beiden Querköpfe Lena und Niki Odenthal – dafür ist ihr Spiel zu hölzern, die Figuren sind zu sperrig angelegt. Die Widerborstigkeit passt jedoch gut in diesen "Tatort", den Regisseur Tom Lass ohne Pathos inszeniert hat. Und der mit einem konsequenten Ende ausklingt, das von einer versöhnlichen Familienfeier weit entfernt liegt.

Verwendete Quellen:

  • rheinpfalz.de: „Tatort“-Team um Ulrike Folkerts zu Gast auf der Parkinsel
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