Als 007 wurde das schottische Arbeiterkind Sean Connery zum Millionär. Eigentlich wollte er Fußballer werden. Doch seine wahre Leidenschaft gehört der Heimat: Längst ist er als Agent für Schottlands Unabhängigkeit unterwegs - mit Kilt statt Kanone.

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Vor einigen Jahren ließ sich Sean Connery während des Edinburgh Film Festivals im Taxi durch die Stadt fahren. Er kannte den Namen jeder Straße. Der Taxifahrer war beeindruckt.

"Ich hab hier früher Milch ausgetragen", erklärte Connery. "Und was machen Sie heute so?", wollte der Fahrer wissen. Das sei etwas schwieriger zu erklären gewesen, so Connery.

Die Anekdote erzählte der Schauspieler in seiner 2008 erschienenen Autobiografie "Mein Schottland, mein Leben". "Being a Scot" heißt das Buch im Original.

Und es ist tatsächlich so: Connery wird regelmäßig zum beliebtesten James Bond aller Zeiten gewählt, er hat sein Talent für anspruchsvollere Rollen 1986 als Mönch in "Der Name der Rose" bewiesen und 1987 für "The Untouchables – Die Unbestechlichen" einen Oscar bekommen. Aber in erster Linie sei er Schotte, sagt er immer.

Er ist das bekannteste Mitglied und großzügiger finanzieller Unterstützer der Scottish National Party. Seit 2003 hat er keinen Film mehr gedreht, stattdessen war er als Agent für die schottische Unabhängigkeit von England unterwegs, mit Kilt statt Kanone.

Kindheit mit Gemeinschaftstoiletten

Man versteht seinen glühenden Patriotismus besser, wenn man liest, wie Sean Connery seine Kindheit in den Straßen von Fountainbridge beschreibt, einem Arbeiterviertel in Edinburgh.

Dort kommt Thomas Sean Connery am 25. August 1930 auf die Welt. Die Wohnung hat kein fließend Wasser und kein Bad, die Gemeinschaftstoiletten befinden sich vier Stockwerke tiefer außerhalb des Mietshauses.

Im Kino laufen vor allem Western und wöchentliche Krimiserien, aber Kinotickets können sich die Wenigsten leisten. Tam, wie der kleine Sean von seinen Freunden genannt wird, und seine Bande haben einen Trick: Sie legen zusammen und kaufen die Eintrittskarte für einen von ihnen. Während eines besonders spannenden Moments, wenn der Saal gebannt auf die Leinwand starrt, lässt der Junge die anderen durch den Notausgang herein.

Den Rest der Zeit spielen sie Fußball. "Nur atmen war mir wichtiger", schreibt Connery in "Being a Scot": Stundenlang kicken sie einen kleinen, billigen Gummiball (einen sogenannten "tanner ball") in den Hinterhöfen gegen mit Kreide auf die Hauswände gemalte Tore. Bis heute gilt es in Schottland als Kompliment, "tanner ball player" genannt zu werden: So einer hat das Fußballspielen gegen widrige Umstände auf der Straße gelernt.

Im Alter von 14 geht Sean Connery von der Schule ab

Mit neun Jahren steht Tam jeden Morgen um sechs Uhr auf und liefert Milchflaschen im Viertel aus. Mit zwölf hilft er dem örtlichen Metzger. Jetzt kann er seiner Mutter nicht nur einen Teil seines Verdienstes geben, sondern kommt jedes Wochenende mit Fleischresten nach Hause: "Meine Mutter freute das sehr und mich freute, dass meine Mutter sich freute." Seinen Vater bekommt er selten zu Gesicht, der arbeitet von zehn Uhr morgens bis zehn Uhr nachts in einer Gummifabrik.

Im Alter von 14 Jahren geht Sean Connery von der Schule ab: "Ich wollte arbeiten, Geld verdienen und Fußball spielen. Weil Krieg herrschte, kam ich damit davon." 1944 wird er Milchmann mit eigenem Karren und Pony und platzt vor Stolz. Das Gefühl sei so stark gewesen, dass er es später immer wieder für die Schauspielerei heraufbeschwor.

Als er viele Jahre später die Schottische Nationalbibliothek besucht, zeigt man ihm nicht nur Briefe von Charles Darwin und Maria Stuart, Königin von Schottland, sondern auch einen seiner ersten Lohnstreifen: Von der St.-Cuthberts-Molkerei über umgerechnet etwa ein britisches Pfund pro Woche.

Tich, sein Milchpony (und die Western im Kino) waren es auch, schreibt Connery, die seine lebenslange Liebe zu Pferden begründeten. In Filmen wie dem Western "Shalako" (1968) mit Brigitte Bardot oder "Highlander" (1986) absolviert er so viele der Stunts wie möglich selbst: "Mit jedem Pferd, das ich in Filmen reiten soll, unternahm ich einen Galopp bei Sonnenaufgang, damit wir zwei uns kennen lernen konnten."

Zwei Jahre in der Royal Navy

Die Lust auf Abenteuer ist es auch, die Sean Connery mit 17 aus einer Laune heraus bei den Seekadetten der Royal Navy anheuern lässt. Als er einer Tradition folgend mit den Schiffskameraden zum Tätowieren geht, lässt er sich "Mom and Dad" und "Scotland forever" in den rechten Arm ritzen.

Dass er nach zwei Jahren wegen Magengeschwüren entlassen wird, führt Connery auf seine Unfähigkeit zurück, Befehle von Offizieren anzunehmen, die ihren Rang nur Standesvorteilen verdanken: "Ich hatte seitdem nie wieder ein Magengeschwür." Seine Wut nutzt er 1965 in Sidney Lumets Antikriegsfilm "Ein Haufen toller Hunde", in dem er einen gedemütigten Häftling spielt.

Aber erst einmal nimmt Connery ein Angebot der britischen Kriegsveteranen-Organisation an und lernt das Handwerk der Schellackpolitur. Vor allem Särge wird er eine Zeit lang auf Hochglanz polieren, aber "das schien mir doch eine ziemliche Zeitverschwendung".

Fußball spielt er immer noch, hat inzwischen mit dem Bodybuilding angefangen und verdient ein bisschen Geld als Model an der Kunsthochschule von Edinburgh. Er jobbt als Türsteher und als Rettungsschwimmer im Freibad, wo er als Komparse für das Stadttheater entdeckt wird - "erstaunlich einfach verdientes Geld". 1953 nimmt er mit ein paar Freunden spaßeshalber - und chancenlos – am "Mr. Universe"-Wettbewerb in London teil.

Dort schlägt ihm ein anderer Bodybuilder, der zum englischen Tournee-Ensemble des amerikanischen Musicals "South Pacific" gehört, vor, sich ebenfalls dort zu bewerben: "Man musste nur amerikanisch aussehen und ein paar Handstandüberschläge können." Weil der Wochenlohn mit zwölf Pfund so viel war, "wie ich noch nie verdient hatte", verpflichtet sich Connery für die Zwei-Jahres-Tournee durch Großbritannien: "Da hatte ich noch keine Ambitionen, Schauspieler zu werden, ich hab’s nur fürs Geld und zum Vergnügen gemacht."

Der Verdienst erscheint dem 23 Jahre alten Arbeitersohn dann auch reizvoll genug, um eine Schauspielkarriere dem Fußball vorzuziehen. Connery kauft sich ein Aufnahmegerät und arbeitet an seinem starken schottischen Akzent; und er arbeitet an seiner Bildung: In jeder Stadt, in der "South Pacific" Station macht, deckt sich der Schulabbrecher in der Bücherei mit Werken der Weltliteratur ein, die "mein intellektuelles Selbstvertrauen genauso stärkten", wie es zuvor das Bodybuilding für sein Körpergefühl getan habe.

007 ist Sean Connerys Durchbruch

Nach dem Ende der Musical-Tournee bekommt Connery kleinere Rollen in diversen Theater- und Fernsehproduktionen, macht allerdings die Erfahrung, dass es gar nicht so leicht ist wie angenommen, sein Geld als Schauspieler zu verdienen.

Doch dann suchen die Hollywood-Produzenten Albert Broccoli und Harry Saltzmann einen Hauptdarsteller für die Verfilmung von Ian Flemings populären "James Bond"-Romanen. Das Studio will Stars wie David Niven oder Cary Grant. Aber die sind verhindert oder wollen sich nicht wie verlangt für gleich mehrere Filme verpflichten. Und Broccoli will ein unbekanntes Gesicht, das er zu Bond machen kann.

Der selbstbewusste schottische Bodybuilder überzeugt die Produzenten 1961 sofort: "Connery betrat unser Büro mit einer Stärke und einer Energie, die ich faszinierend fand", wird Broccoli später erzählen: "Alles an ihm war an diesem Tag absolut James Bond".

Ian Fleming allerdings ist nicht begeistert, ihm ist Connery zu grobschlächtig, um seinen kultivierten Edel-Agenten zu spielen – Ähnliches wird Alfred Hitchcock sagen, als Connery 1964 für ihn in "Marnie" spielt.

Aber Broccoli und Saltzman wollen "einen sinnlichen Athleten, der in feinen Anzügen eine gute Figur macht". Für kaum zwei Millionen Dollar entsteht "007 jagt Dr. No". Der Film spielt 1963 weltweit knapp 60 Millionen ein. Der James Bond, den vor allem ältere Fleming-Fans für den einzig wahren James Bond halten, ist geboren.

Vier weitere Filme wird Connery drehen, darunter seinen Lieblings-Bond "Liebesgrüße aus Moskau" und den Klassiker "Goldfinger" mit Gert Fröbe als Bösewicht. Einer ist erfolgreicher als der andere. Der Milchmann ist jetzt Millionär und Superstar.

"Grundsätzlich finde ich nichts Schlimmes daran, eine Frau zu schlagen"

1965 gibt er dem amerikanischen "Playboy" ein selbstbewusstes Interview. Ob er den plötzlichen Reichtum genieße? "Absolut. Ich nehme, was ich kriegen kann. Ich habe ein Recht darauf. Ich halte nichts von falscher Bescheidenheit. Ich glaube nicht an den Quatsch vom Verhungern in der Dachkammer oder daran, nur für die künstlerische Anerkennung zu arbeiten."

Er sei stolz auf seine Herkunft, heutzutage werde einem ja alles auf dem Silbertablett serviert. Ob ihn Bond abgesehen vom Geld verändert habe? "Nein. Ich bin, was ich immer war. Ein Schotte. Ein bisschen introvertiert. Ich erzähle keine Lügen und ich bevorzuge es, mit offenen Karten zu spielen. Die Geduld verliere ich nur bei Inkompetenz – meiner eigenen oder der der anderen."

Als Sean Connery gefragt wird, ob er auch so grob mit Frauen umgehen würde wie James Bond, antwortet er: "Grundsätzlich finde ich nichts Schlimmes daran, eine Frau zu schlagen." Eine Ohrfeige sei unter gewissen Umständen gerechtfertigt – "wenn alles andere nichts genutzt hat und es genügend Vorwarnungen gab." Diese Aussage wird ihn sein Leben lang verfolgen, zumal er sie 1987 in einem Fernsehinterview stur bekräftigt.

Connery ist aber zunehmend genervt von Bond. Keine seiner anderen Arbeiten zähle mehr und die penetrante Aufmerksamkeit erinnere ihn "an eine chinesische Geschichte, in der ein König zu Tode gestarrt wird". Als 1967 mit "Man lebt nur zweimal" der fünfte Bond in die Kinos kommt, bemerken Kritiker, dass man Connerys Spiel ansehe, dass er die Lust an 007 verloren habe. Es ist der erste Bond-Film, der weniger einspielt als sein Vorgänger - und der letzte, an den Connery vertraglich gebunden war.

Aber 1971 dreht er noch "Diamantenfieber" – nur wegen des Geldes. "Im Dienst ihrer Majestät" mit Einmal-Bond George Lazenby war nach 007-Maßstäben ein Flop gewesen und Sean Connery kehrt für die damalige Rekordgage von über 1,25 Millionen Dollar zurück: Er wird mit der Summe den Scottish International Educational Trust gründen, eine Stiftung, die begabten schottischen Studenten mit beschränkten finanziellen Möglichkeiten Stipendien ermöglicht.

Engagement für die schottische Unabhängigkeit

1985 allerdings kehrt er doch noch einmal zu Bond zurück: Für ein Remake von "Feuerball", weil die Rechte nicht mehr bei Broccoli liegen und Connery wohl auch eine Gelegenheit sieht, diesem eins auszuwischen. "Den größten Bond-Schurken" hat er den Produzenten einmal genannt, angeblich "nur aus Spaß".

Der Film ist ein gut gelaunter, halbernster Bond und bekommt nach einer Idee von Connerys Frau den Titel "Sag niemals nie". Als Bond in der letzten Szene gefragt wird, ob er wirklich nie wieder einen Auftrag annehmen werde, dreht sich Connery zur Kamera, zwinkert, und sagt: nichts.

Zuletzt war Connery - außer wegen des gelegentlichen Verdachts der Steuerhinterziehung gegen ihn oder seine Frau - vor allem wegen seines Engagements für die schottische Unabhängigkeit in den Schlagzeilen. Selbst die Autobiografie "Being A Scot" besteht vor allem aus kapitellangen Ausflügen in die schottische Geschichte. Dem Land mit seinen reichen Ölvorkommen, so eines der Argumente der Separatisten, würde eine Unabhängigkeit wirtschaftlich nur Vorteile bringen.

Kurz vor einem Referendum 2014 schreibt Connery im Magazin "New Statesman", auch Kunst und kreative Industrie könnten von einem autonomen Schottland profitieren. Es gebe "nichts Kreativeres, als eine neue Nation zu schaffen." Doch 55 Prozent der Schotten sprechen sich für den Verbleib im Vereinigten Königreich aus.

Das Leben auf den Bahamas

Inzwischen ist es still geworden um den stolzen Schotten, der mit seiner zweiten Frau Micheline Roquebrune auf den Bahamas lebt. Er lernte die französische Malerin mit marokkanischen Wurzeln 1970 während eines Golfturniers in Marokko kennen, seit 1975 sind sie verheiratet. Wenn Schottland sich von Großbritannien gelöst hat, werde er wieder in seine Heimat ziehen, hat er einmal verkündet.

Sein letzter Film ist "Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen" von 2003. Alle weiteren Angebote hat er seitdem abgelehnt, auch das Flehen von Steven Spielberg. Um allen Gerüchten ein Ende zu setzen, veröffentlicht Sean Connery 2007 ein Statement: Wenn ihn etwas zurückbringen könne, dann Indiana Jones. "Aber der Ruhestand macht einfach verdammt viel Spaß."

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