• Von Meghans und Harrys Skandal-Interview bei Oprah Winfrey bis zum Tod ihres Ehemannes Prinz Philip: Die Queen blickt laut Michael Begasse auf "eines der schwierigsten Jahre ihres gesamten Lebens" zurück.
  • Im Interview mit unserer Redaktion analysiert der RTL-Adelsexperte das royale Jahr 2021.
  • Begasse erinnert an die schönsten und traurigsten Momente, die sich hinter den Palastmauern in Großbritannien, Spanien, der Niederlande und des Fürstentums Monaco abgespielt haben.
Ein Interview

Herr Begasse, das royale Jahr 2021 war sehr ereignisreich – in erster Linie mit Blick auf das britische Königshaus. Welche drei Momente waren besonders prägend und warum?

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Michael Begasse: Wenn ich das Jahr der Royal-Family Revue passieren lasse, dann fallen mir sofort drei besondere Momente ein, die jedoch alles andere als schön waren. Den ersten Knall gab es im Frühjahr, als Meghan und Harry in ihrem legendären Interview bei Oprah Winfrey mit der Institution abgerechnet haben. Bis heute wirkt dieses Gespräch nach und schlägt hohe Wellen. Ein großes Thema war zudem der Tod von Prinz Philip im April, verbunden mit der Tatsache, dass die Queen ihren Geburtstag – in diesem Fall ihren 95. – noch im selben Monat zum ersten Mal ohne ihren Ehemann verbringen musste. Der "Fels in der Brandung", wie die Königin ihn immer bezeichnet hatte, war plötzlich nicht mehr an ihrer Seite. Im Sommer folgte dann der 60. Geburtstag der 1997 verstorbenen Prinzessin Diana. Auch dies war kein royales Highlight, sondern eher ein Erinnerungstag, der nachdenklich machte.

Begasse: "2021 eher ein royales Nachrichtenjahr als ein Herzensjahr"

Sie beobachten die Adelswelt seit vielen Jahren. Wie würden Sie 2021 einordnen? Was war das für ein Jahr?

Ich bin seit nunmehr rund 25 Jahren in dem "royalen Business" tätig. Selten erlebte ich ein Jahr, das einerseits so spannend war und andererseits so wenige wirklich schöne Geschichten zu bieten hatte. Für mich war 2021 eher ein royales Nachrichtenjahr als ein Herzensjahr.

Die Nachricht des Jahres produzierten zweifellos Meghan und Harry im März im Interview mit Oprah Winfrey. Warum werden wir darüber auch noch Jahrzehnte später sprechen?

Weil es ein Paukenschlag war. Mir war das bereits in der Nacht klar, als ich mir das in den USA geführte Interview live anschaute. Ich saß in der RTL-Redaktion und konnte kaum fassen, was Meghan alles zur Sprache brachte. Es gab eine Kernaussage, die uns noch lange begleiten wird: Es war der Moment, als sie von ihrer Schwangerschaft mit Archie berichtete. Die Herzogin enthüllte, dass sich niemand aus dem Palast in dieser Zeit nach ihrem oder dem Gesundheitszustand ihres Babys erkundigt hatte. Vielmehr soll laut Meghan hinter vorgehaltener Hand über die Hautfarbe des noch ungeborenen Sprösslings getuschelt worden sein. Als ich diese Ausführungen hörte, stand für mich fest, dass dieses Interview in die royale Geschichte eingehen wird …

So kam es dann auch. Fühlten Sie sich an das nicht minder legendäre BBC-Interview von Prinzessin Diana aus dem Jahr 1995 erinnert?

Ja. Rückblickend lässt sich dieses Ereignis mit dem sogenannten Panorama-Interview von Diana vergleichen. Es schließt sich der Kreis, da ausgerechnet in diesem Jahr herauskam, dass die Mutter von Harry und William mit gefälschten Unterlagen zu diesem TV-Gespräch gedrängt wurde. Heute blicken wir also auf zwei Interviews zurück, die die royale Welt erschüttert haben – eines kam freiwillig zustande, das andere nicht. Jedenfalls wollte Meghan – und ich sage ganz bewusst Meghan und nicht etwa Harry – der Welt ihre Sicht der Dinge zeigen. Das hat sie getan. Die ganze Welt weiß nun, was angeblich hinter den Palastmauern passiert ist.

Können Sie sich vorstellen, dass diese rassistischen Bemerkungen tatsächlich aus dem Munde von Prinz Charles stammen, wie unlängst kolportiert wurde?

Es wird behauptet, dass vor etwa drei Jahren Charles diese Aussagen während eines Frühstücks mit Camilla getätigt haben soll. Wenn es sich so zugetragen hätte, muss es eine Bedienstete oder ein Bediensteter gewesen sein, die/der dieses Gespräch gehört und die Inhalte an die Medien weitergegeben hat. Diese undichte Stelle ließe sich doch mit einem Blick in den Dienstplan ausfindig machen. Daher glaube ich nicht an die Geschichte, dass es irgendjemand weitergegeben hat, denn diejenige oder derjenige wäre sofort enttarnt und entlassen worden.

Dennoch bleiben Zweifel. Gibt es innerhalb der Royal-Family Rassismus? Ist das eine Erkenntnis, die 2021 offenbart hat?

Aus 25 Jahren Berichterstattung über die britischen Royals weiß ich, dass es sich um einen Haushalt, eine Familie und eine Firma handelt, die natürlich auf althergebrachte Privilegien beruht. Ich spreche von dem Privileg weißer Männer, die über die Jahrzehnte zumindest einen latenten Rassismus vorgelebt haben. Es gab und gibt diese "Senior Royals", diesen royalen Männer-Klub, der sich auf die Tradition beruft und eine gewisse Überheblichkeit an den Tag legt. Ich glaube aber nicht, dass etwa Charles rassistisch ist. Er ist in einer anderen Tradition aufgewachsen, ja. Ich bin mir sicher, dass William als neue Generation alles andere als rassistisch ist. Und ganz sicher ist auch die Queen nicht rassistisch. In den kommenden Jahren wird die Aufgabe sein, diese Bedenken glaubhaft und endgültig auszuräumen.

Eine Herzogin Meghan, die afroamerikanische Wurzeln hat, hätte der Royal-Family in Sachen Außendarstellung gut zu Gesicht gestanden. Doch diese Chance wurde vertan. Wollte sie sich vor der Geburt ihres zweiten Kindes, Lilibet Diana, im Juni und vor ihrem 40. Geburtstag im August endgültig freischwimmen?

Definitiv. Den Termin mit Oprah im Frühjahr hat sie ganz bewusst gewählt, um mit der Royal-Family Tabula rasa zu machen. Ihre Verbindungen zum Königshaus sind damit gecuttet, sie möchte mit Harrys Familie nichts mehr zu tun haben. Vielmehr bereitet Meghan gerade ihre nächste Karriere vor, wie zum Beispiel ihr Auftritt kürzlich bei Ellen DeGeneres belegte. Oder um es mit den Worten der "Gala" auszudrücken: Sie ist "die neue Königin von Hollywood". Das trifft es perfekt. Ich traue Meghan zu, dass sie in ein paar Jahren eine eigene Talkshow moderiert oder eine Produktionsfirma leitet. Konsequent hat sie in den vergangenen Monaten ihren A-Promi-Status vorangetrieben.

"Harry wurde 2021 auf eine Statistenrolle degradiert"

Wenn Meghan "die neue Königin von Hollywood" ist, was ist dann eigentlich Harry? Um ihn ist es 2021 ruhiger geworden.

Diese Frage treibt mich ebenfalls um. Harry wurde 2021 auf eine Statistenrolle degradiert. Eine lange Zeit war Meghan "plus 1", nun ist es Harry. Von ihr werden wir in den kommenden Jahren noch viel zu hören und neue Projekte zu sehen bekommen. Ich habe aber keine Ahnung, wie es mit ihm weitergehen könnte. In diesem Jahr ist er mir ein bisschen verloren gegangen.

Ähnliches trifft auf seine im Juni geborene Tochter Lilibet Diana zu. Warum stand sie weniger im Fokus als Archie nach dessen Geburt?

Das erste Foto von Lilibet Diana haben wir über ein halbes Jahr nach ihrer Geburt zu sehen bekommen – und zwar in Form der traditionellen Weihnachtskarte, die Meghan und Harry kurz vor Heiligabend über die sozialen Medien verschickt haben. Dass es so lange gedauert hat, liegt daran, dass Meghan und Harry dieses Kind nicht zum Gegenstand der Öffentlichkeit werden lassen wollen. Ich bin erstaunt, dass es den Eltern gelungen ist, ihr Baby über diesen langen Zeitraum unter Verschluss zu halten. Mir ist kein vergleichbares Beispiel aus der Welt der Royals bekannt, wo das geglückt ist.

Genau einen Monat nach der Geburt von Lilibet Diana reiste Harry nach London, um an der Enthüllung der Statue seiner Mutter am 1. Juli teilzunehmen. Im Vorfeld war die Hoffnung groß, dass dieser Termin die beiden Brüder wieder näherbringen könnte. Die Realität war eine andere, oder?

Eines wurde bei diesem Pflichttermin deutlich: William fungierte wie Zeit seines Lebens als großer Bruder und Bestimmer, während Harry wie üblich als kleiner, lustiger Bruder in Erscheinung trat – im Bemühen, das Ereignis mit ein paar Späßchen aufzulockern. Ein Schulterschluss blieb allerdings aus. Das Verhältnis der Brüder wirkte genauso kalt wie das Metall der Diana-Statue.

"Die für mich emotional schönste Geschichte des Jahres"

Welches war für Sie der schönste royale Moment 2021?

Mir fallen spontan drei Momente ein, die sich in Spanien, der Niederlande und in Monaco abspielten. Die für mich emotional schönste Geschichte des Jahres lieferten die Fotos von dem Tag, als Letizia und Felipe von Spanien ihre Tochter Leonor zum Flughafen brachten. Die inzwischen 16-Jährige trat 2021 ihre Reise in ein Internat nach Wales an. Es war rührend, ein Elternpaar zu sehen, das sichtlich damit zu kämpfen hatte, erstmals ihr Töchterchen loszulassen. In diesem Moment waren sie nicht Königin und König, sondern Mama und Papa.

Das spanische Königspaar konnte Sie also berühren. Welche Oranje-Geschichte hat Ihnen dieses Jahr ein Lächeln ins Gesicht gezaubert?

Mich hat die Antwort des Ministerpräsidenten auf die Frage einer Journalistin begeistert, ob es theoretisch möglich wäre, dass die Thronfolgerin (Catharina-Amalia, die am 7. Dezember 18 Jahre alt wurde; Anm. d. Red.) eine Frau heiraten könnte. Mark Rutte sagte, dass dieses Szenario natürlich möglich wäre und dass die angeheiratete Dame in diesem Fall natürlich den Titel "Königin der Niederlande" tragen würde. Dieses Beispiel zeigt, dass es Monarchien gibt, die ihrer Zeit voraus sind. Diesen modernen und zukunftsorientierten Ansatz vermissen viele mit Blick auf das britische Königshaus.

Und wie hat das monegassische Fürstenhaus 2021 Ihr Herz erobert?

Der Moment, an den ich denke, war schön und traurig zugleich. Am Nationalfeiertag im Fürstentum Mitte November hielten die Zwillinge Jacques und Gabriella Schilder mit der Aufschrift "We miss you, Mommy" in die Höhe. Ihre Mutter, Fürstin Charlène, war nach ihrem siebenmonatigen Südafrika-Aufenthalt nur drei Tage zu Hause, ehe sie in eine Klinik eingeliefert wurde. Es tut mir so leid, dass die beiden Mäuse von zu diesem Zeitpunkt knapp sieben Jahren erneut auf ihre Mutter verzichten müssen.

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Welches war Ihr royales Bild des Jahres?

Für mich war "die einsame Queen" bei der Beisetzung ihres Ehemannes Prinz Philip das royale Bild des Jahres, auf das ich allerdings gerne verzichtet hätte. Das Foto, auf dem sie komplett alleine auf der Holzkirchenbank der St. George's Chapel sitzend zu sehen ist, ging um die Welt. Es war sehr traurig, sie so – von Kopf und Mundschutz bis Fuß in Schwarz gekleidet und ohne ihre Familie an ihrer Seite – zu sehen.

Zum Abschluss ein Ausblick auf 2022: Wird die Queen aus den schwierigen Momenten der vergangenen Monate gestärkt hervorgehen?

Die Queen blickt auf eines der schwierigsten Jahre ihres gesamten Lebens und ihrer fast 70-jährigen Regentschaft zurück. Ich würde nicht so weit gehen und von einem zweiten "Annus horribilis" sprechen, wie sie das Jahr 1992 bezeichnet hatte, als unter anderem ein Feuer in Windsor Castle ausgebrochen war. Privat war es für sie 2021 allerdings schon ein "Annus horribilis". Ich hoffe, dass sie sich körperlich und mental davon etwas erholen wird. Schließlich feiert Elizabeth II. im Februar 2022 ihr "Platinum Jubilee" und wird damit endgültig zur Jahrhundertkönigin. Vielleicht sieht sie darin einen Anhaltspunkt, dass es sich lohnt, sich nicht zurückzuziehen. Die Disziplin bringt sie allemal mit. An ihrer Einstellung, ihr ganzes Leben ("whether it be long or short") ihrem Volk und ihrem Land zu widmen, hat sich nichts geändert. Ich hoffe und glaube, dass 2022 das Jahr der Queen wird.

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