• Seit nun fast 70 Jahren sitzt Queen Elizabeth II auf dem britischen Thron.
  • Berichte über gesundheitliche Probleme zwingen die Briten unterdessen, sich auf eine politische und emotionale Zäsur gefasst zu machen, sollte die Herrschaft der Monarchin enden.
  • Adelsexperte Michael Begasse erklärt, wie es nach der Jahrhundertkönigin weitergehen könnte und welche Rekorde Elizabeth noch brechen kann.
Eine Analyse

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"Eigentlich möchte ich darüber gar nicht reden", sagt Michael Begasse auf Nachfrage unserer Redaktion. Dass der RTL-Adelsexperte auf die Frage "Was passiert, wenn die Queen stirbt?" dennoch ausführlich eingeht, ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass er sich seit vielen Jahren auf diesen Tag vorbereitet.

Elizabeth II. ist 95 Jahre alt, der Tag des Todes der Jahrhundertkönigin rückt unwillkürlich näher. Dennoch ist der Gedanke, dass die Frau, die im Februar 2022 ihr 70-jähriges Thronjubiläum feiern möchte, eines Tages nicht mehr als Monarchin die Geschicke des Vereinigten Königreichs lenken soll, nahezu unvorstellbar – für die Royal Family, die britische Bevölkerung und natürlich auch die Journalistinnen und Journalisten, die den Weg der Regentin seit einer gefühlten Ewigkeit begleiten.

Dementsprechend groß ist die Sorge um den Gesundheitszustand der Queen, nachdem sie im Oktober einen Krankenhausaufenthalt absolvieren und im November Veranstaltungen absagen musste. Zuletzt verzichtete die Königin schweren Herzens auf ihre Teilnahme an der Zeremonie zum Remembrance Sunday am Cenotaph. Der Grund: ein verstauchter Rücken.

Ein Leben lang im Dienst der Krone

Dass die Königin aufgrund ihrer aktuellen gesundheitsbedingten Einschränkungen abdankt, hält Begasse für nahezu ausgeschlossen. Wie bereits nach dem Tod ihres Ehemannes, Prinz Philip, der im April im Alter von 99 Jahren verstorben war, gilt für die Queen: Sie hat ihr ganzes Leben in den Dienst der Krone gestellt – und daran wird sich nichts mehr ändern ("may it be long or may it be short"). Zudem habe nicht zuletzt der Remembrance Day laut Begasse gezeigt, dass ihre Familie perfekt funktioniert und die offiziellen Anlässe auch ohne die Monarchin in vorderster Front meistert. "Elizabeth II. hat ihr Feld bestellt."

Code "London Bridge is down"

Dennoch: Wenn die Königin offizielle Termine absagt, dann kommt dies nicht von ungefähr. Ihre jahrzehntelange Regentschaft ist von großer Disziplin geprägt. Wie groß die Angst vor ihrem Ableben ist, beweist die Tatsache, dass es für diesen Fall der Fälle einen offiziellen Code gibt: "London Bridge is down".

Die wenigsten Probleme damit dürfte die Betroffene selbst haben, wie der Adelsexperte versichert: "Die Queen weiß genau das, was auch ich oder andere Journalisten wissen, die sich mit dem royalen Geschehen beschäftigen. Sie weiß genau, wie die zehn Tage (exakt so lange dauert das Prozedere laut Protokoll) nach ihrem Tod ablaufen werden. Diesen Plan hat die Queen nämlich mit entworfen und abgesegnet." Daher sei es auch nicht pietätlos, über diesen "Tag Null" zu sprechen.

"Vom Blumenschmuck über die Gäste bis hin zur Aufbahrung und Beisetzung an der Seite ihres Mannes Philip in der St. George’s Chapel: Die Königin ist über alles im Bilde – mit der einen Ausnahme, dass sie nicht weiß, wie das Wetter wird", erläutert Begasse mit einem leichten Augenzwinkern.

Fest steht, dass – unabhängig davon, wo die Queen letztendlich das Zeitliche segnet – ihr Leichnam in den Buckingham Palace überführt wird. Von dort aus wird sie in die Westminster Hall gebracht, um der Bevölkerung die Gelegenheit zu geben, sich von ihrer verstorbenen Königin zu verabschieden.

An Tag neun werden die gekrönten Häupter, Präsidentinnen und Präsidenten aus aller Welt in London empfangen. Einen Tag später wird der Sarg dann von der Westminster Hall nach Schloss Windsor überführt, wo die Beisetzung stattfindet. "Das Prozedere wird übrigens der von Prinzessin Diana 1997 ziemlich ähnlich sein – zumindest was den öffentlichen Teil der Zeremonie angeht", verrät der royale Experte. All das geht aus der "Operation London Bridge" hervor, also aus dem Plan, der die Angelegenheiten nach dem Tod von Elizabeth II. regelt.

Diese "Operation" werde zweigleisig ablaufen. Zum einen sind exakt diese zehn Tage von der Bekanntgabe des Todes bis zur Beisetzung vorgesehen und strikt durchgeplant. Zum anderen werde man parallel dazu den neuen König, den jetzigen Prinz Charles, in sein Amt einführen – "Spring Tide" ("Springflut") heißt diese erste Zeit als neuer König. Der Sohn der Queen muss sich demnach auf harte Tage einstellen, in denen er sowohl um seine verstorbene Mutter trauern wird als auch gleichzeitig seinen royalen Pflichten nachkommen muss. Getreu dem nach wie vor gültigen Ausruf: "Die Königin ist tot, lang lebe der König."

Wird Prinz Charles überhaupt noch König?

Doch wird Charles, der seit einer gefühlten Ewigkeit Thronfolger ist und am 14. November bereits seinen 73. Geburtstag feierte, überhaupt noch König? Diese Frage stellt sich grundsätzlich nicht, wie Begasse ausführt: "In dem Moment, in dem der Hofarzt den Tod von Elizabeth II. offiziell feststellt, ist Charles König – und zwar von Großbritannien sowie aktuell 15 weiteren unabhängigen Staaten. Er wird gar nicht gefragt und muss auch nicht vom Parlament vereidigt werden."

Wenn Charles zu dem Schluss kommen sollte, nicht König werden zu wollen, dann müsste er noch zu Lebzeiten der Queen auf den Thron verzichten. "Eine spätere Entscheidung wäre gleichbedeutend mit einer Abdankung, welche die komplette Monarchie – so wie sie die Queen vorgelebt hat – durcheinander bringen", schlussfolgert der RTL-Adelsexperte.

86 Prozent der Briten kennen nur die Queen als Staatsoberhaupt

Dazu wird es nach Begasses Einschätzung allerdings nicht kommen. Ihn beschäftigt vielmehr die Frage, was der Alltag ohne "The Queen" für die Menschen, für die Britinnen und Briten, bedeuten wird. Eine Zahl, auf die der Adelsexperte bei den Recherchen zu seinem Buch "111 royale Momente für die Ewigkeit" gestoßen ist, ordnet die Bedeutung der 95-Jährigen besser ein.

Ungefähr 86 Prozent aller Briten kennen nur Elizabeth II. als ihr Staatsoberhaupt. "Es wird der Moment kommen, in dem diese 86 Prozent realisieren: Meine Königin ist tot! Ich garantiere, dass das gesamte Land unter Schock stehen wird", prognostiziert Begasse.

Ebenso sicher sei er sich jedoch, dass die Menschen Charles eine Chance geben werden, ein Übergangskönig zu sein – mehr sei mit Blick auf sein Alter nicht realistisch. Begasse: "Charles wird ein guter Übergangskönig sein. Er wird die Zeit im Sinne seiner Mutter nutzen, aber auch zukunftsgewandt den Weg für den nächsten König, Prinz William, ebnen."

Dass er trotz seiner 73 Jahre Visionen hat, die er – Hand in Hand mit William – versuchen wird, im Verlauf seiner Regentschaft umzusetzen, hat sein jüngster Auftritt bei der Weltklimakonferenz in Glasgow verdeutlicht, wo er seine Mutter vertrat. Dem stimmt auch Begasse zu, der sich an die 70er und 80er zurückerinnert: "Charles war zu dieser Zeit schon Öko-Bauer und wurde für seine Haltung zunächst verspottet. Er war damals schon modern."

Die Königin auf den Spuren des "Sonnenkönigs"

Die aktuelle Sorge um die Queen in Verbindung mit ihren gesundheitsbedingten Absagen hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Viele Britinnen und Briten erkennen dieser Tage, dass sie sich auf eine politische und emotionale Zäsur gefasst machen müssen. Denn nichts anderes wird der Tod und der Abschied von Elizabeth II., die den Menschen nahezu jeden Tag begegnet. Ob gedanklich aus einer fast sieben Jahrzehnte alten Gewohnheit heraus. Oder haptischer Natur in Form von Briefmarken und Geldscheinen mit dem Konterfei der Königin.

Noch ist es zu früh für einen Abgesang, sodass auch Adelsexperte Michael Begasse eine hoffnungsfrohe Botschaft bereithält: "Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass die Queen die Konstitution ihrer Mutter hat (Queen Mum wurde 101; Anm. d. Red.). Und in knapp drei Jahren wäre sie die bislang dienstälteste Monarchin aller Zeiten auf der ganzen Welt. Dann hätte sie sogar Ludwig XIV., der 72 Jahre und 110 Tage auf dem französischen Thron saß, überholt. Das wäre mein Wunsch."

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