- Die Coronakrise bringt für viele mit sich, mehr im Homeoffice zu arbeiten. Nicht alle kommen mit dieser Umstellung zurecht.
- Plötzlich verschwimmt die Grenze zwischen Privat- und Berufsleben, der Ausgleich und die zwischenmenschlichen Kontakte mit Kollegen fehlen.
- Eine Psychologin erklärt, wie Sie mit diesen Problemen umgehen können.
Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK in Nürnberg unter 2.000 Beschäftigten arbeiten in Deutschland seit März 41 Prozent der Befragten zumindest teilweise im Homeoffice, in Großbritannien liegt der Anteil bei 49 und in Frankreich bei 45 Prozent. Zwar nannten die Befragten viele positive Effekte des Homeoffice – wie zum Beispiel den Wegfall des Arbeitswegs oder die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Alltagsaufgaben – jedoch gab mehr als ein Drittel der Studienteilnehmer an, die fehlende Trennung zwischen Beruf und Privatem eher negativ zu sehen.
Rund ein Viertel leidet zudem an Einsamkeit und einem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl, weil der Kontakt und Austausch zu Kollegen wegfalle. Psychologin Marion Lemper-Pychlau ist Expertin für Arbeitsfreude und Motivation. Sie erklärt, wie man die größten Probleme im Homeoffice lösen kann.
Problem: Klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben fehlt
Die Arbeit im Homeoffice verlangt eine Menge Disziplin. Schließlich befinden wir uns in unserem privaten Rückzugsraum, überall wartet Ablenkung und man kann auch "eben mal kurz" Wäsche waschen, die Spülmaschine ausräumen und einkaufen gehen. Dieser ständige Wechsel zwischen Privatleben und Beruf sorgt dafür, dass die Grenzen verschwimmen.
Marion Lemper-Pychlau rät: "Die unmittelbare Arbeitsumgebung - wie der Schreibtisch - sollte frei sein von allem, was nicht zur Arbeit gehört. Wie auch im Büro sollte es nach Möglichkeit klare Unterteilungen in Arbeitszeiten und Pausen geben.
Und was auch ein wenig helfen kann: Sich kleiden und zurechtmachen, als wäre man an seinem gewohnten Arbeitsplatz und von Menschen umgeben. Die Arbeitskleidung kann uns in eine entsprechende innere Verfassung bringen. Man nennt das Stimulus-Kontrolle. Im Schlaf- oder Jogginganzug fühlt man sich eben ganz anders als in Kostüm oder Anzug."
Problem: Kein separates Büro in der Wohnung
Viele arbeiten im Homeoffice am Esszimmertisch – weil kein eigener Büroraum vorhanden ist. Beim Mittagessen werden die Arbeitsutensilien einfach kurz zur Seite geschoben und wenn die Kinder aus der Schule kommen, toben sie natürlich auch durch den Wohn- und Essbereich. Konzentration und Ruhe? Fehlanzeige…
Marion Lemper-Pychlau rät: "Man braucht nicht unbedingt ein eigenes Büro in der Wohnung. Es genügt vollauf, sich z.B. eine Ecke im Schlafzimmer als Büro einzurichten. Hauptsache, man hat einen Platz, an dem man sich konzentrieren und zurückziehen kann."
Problem: Kinder wollen Aufmerksamkeit während der Arbeitszeit
Wenn die Kinder von Kita und Schule nach Hause kommen – oder die Einrichtungen womöglich wegen Corona ganz geschlossen haben, stehen Eltern vor einem wahrlichen Kraftakt. Sie müssen nicht nur ihren Aufgaben als Arbeitnehmer gerecht werden, sondern sich gleichzeitig auch um ihre Kinder kümmern. Aber wie erklärt man seinen Kindern, dass man im Homeoffice nicht ständig für sie verfügbar sein kann?
Marion Lemper-Pychlau rät: "Die Kinder müssen neue Regeln lernen. Man könnte zum Beispiel feste 5-Minuten-Pausen einlegen, in denen man für die Kinder ansprechbar ist. Dann weiß ein älteres Kind z.B.: 'Ich darf jetzt gerade zwar nicht zu meiner Mutter oder meinem Vater ins Zimmer gehen, aber in 20 Minuten hat mein Elternteil Zeit für mich.'
Und natürlich kann man den Kindern die Situation auch schmackhaft machen: Wenn sie Mama oder Papa nicht stören, dürfen sie für eine begrenzte Zeit ein heiß geliebtes Computerspiel spielen oder einen Film sehen. Selbstverständlich spielt das Alter der Kinder eine große Rolle.
Kleinere Kinder können sich einfach noch nicht ausreichend disziplinieren, um Vater oder Mutter nicht zu stören. Da muss man sich dann eine Betreuung beschaffen. Es wäre z.B. denkbar, dass Eltern zusammenlegen und gemeinsam eine Betreuungsperson organisieren, die dann z.B. am Nachmittag eine Zeitlang Aufsicht führt und die Kinder beschäftigt."
Problem: Die sozialen Kontakte und der Austausch mit Kollegen fehlen
Manche Kollegen sind vielleicht im Büro, andere im Homeoffice. Das Team ist also nicht gemeinsam an einem Ort. Da kann es durchaus vorkommen, dass sich die im Homeoffice arbeitenden Kollegen "abgekapselt" fühlen oder auch manche Themen einfach nicht mitbekommen, die für sie relevant sein könnten. Und auch das Gefühl, dass der Teamgeist auf der Strecke bleibt, kann dabei entstehen.
Marion Lemper-Pychlau rät: "Hier ist ein bisschen Eigeninitiative nötig. Aber man kann z.B. über Zoom ein Treffen organisieren, zusammen einen Kaffee trinken und sich dabei locker austauschen – so wie man es sonst auch tun würde, wenn man sich z.B. in der Teeküche begegnet. Das muss nur 10 Minuten dauern.
Wenn man das ritualisiert und sich immer wieder mal mit jemand anderem verabredet, wird man nicht so leicht abgehängt werden. Was den Teamgeist betrifft, ist es tatsächlich schwieriger, diesen aufrechtzuerhalten, wenn man sich nicht mehr persönlich begegnet, sondern nur noch am Computer trifft.
Die Frage ist aber, wie man diese Online-Begegnungen gestaltet. Humor oder Herzlichkeit lassen sich auch auf diese Weise noch spürbar machen. Letzten Endes kommt es darauf an, WIE man miteinander umgeht und weniger darauf, ob das online oder offline passiert."
Problem: Die digitale Kommunikation via Chats, Mails und Videokonferenzen nimmt enorm zu
Ständig ploppen neue Benachrichtigungen auf – das ist dank Social Media und Co. eigentlich keine neue Sache. Durch das Homeoffice wird das jedoch nochmal auf ein anderes Level gehoben. Ständig kommen Benachrichtigungen von allen Seiten. Ein ruhiges und konzentriertes Arbeiten ist so kaum möglich.
Marion Lemper-Pychlau rät: "All diese Faktoren stressen uns auch, wenn wir im Büro sitzen. Die Regeln fürs Homeoffice sind dieselben: Man braucht sich nicht von allem ablenken und unterbrechen zu lassen. Mails immer nur zu bestimmten Zeiten im Block abarbeiten. Das ist wesentlich effektiver, als jede Mail, die ankommt, gleich lesen und beantworten zu wollen. Und nicht jede Mail verdient eine Antwort..."
Problem: Im Homeoffice fällt einem schnell die Decke auf den Kopf
Vom Bett geht es morgens ins Bad, dann ins Homeoffice, abends auf die Couch und dann wieder ins Bad und ab ins Bett – die Abwechslung bleibt bei einem normalen Tag mit Homeoffice oft auf der Strecke. Wie kann man für Abwechslung sorgen?
Marion Lemper-Pychlau rät: "Nicht nur im Arbeitstrott verharren, sondern die Freizeit ganz bewusst gestalten. Zum Beispiel mit Spaziergängen oder Sport. Zwischendurch tut es auch mal gut, mit Freunden zu telefonieren, etwas Neues zu lernen oder sich einer privaten Herausforderung zu stellen."
Ob man nun im Büro sitzt oder im Homeoffice: Jede Arbeitsform hat ihre Vor- und Nachteile. Durch das Homeoffice wird das Arbeitsleben anders – aber nicht unbedingt schlechter. Mit ein bisschen Einfallsreichtum kann man manche Nachteile der Arbeit im Homeoffice auffangen.
"Die ideale Lösung für alle Probleme im Homeoffice gibt es nicht. Es hat viel mit der eigenen Einstellung zu tun. Wer dazu neigt, im Büro unzufrieden zu sein, wird es auch im Homeoffice sein. Wer aber bereit ist, sich an die Situation anzupassen und sich zu arrangieren, wird überall glücklich arbeiten können“, erklärt Marion Lemper-Pychlau. Neben all den vorgeschlagenen Lösungen ist also auch das richtige Mindset ausschlaggebend.
Verwendete Quellen:
- GfK Nürnberg: Deutsche im Home Office: Männlich, gebildet und mit Kindern
- Interview: Marion Lemper-Pychlau – Psychologin, Speaker und Coach. Schwerpunkte: Arbeitsfreude und Motivation
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