Matthias Jauerneck wollte im Mai ein Restaurant in München eröffnen. Als das Coronavirus Europa erreicht und auch die Gastronomie lahmlegt, wird klar: Die Eröffnung muss warten. Im Interview spricht Jauerneck über seine größte Sorge, Glück im Unglück und darüber, was er sich jetzt von der Gesellschaft wünscht.

Ein Interview

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Die Coronakrise trifft viele Menschen nicht nur gesundheitlich, sondern stellt sie auch beruflich vor ganz neue Herausforderungen. Manche stehen vor dem Nichts, andere haben die Möglichkeit, die Krise auch als Chance für etwas Neues zu nutzen. Wir haben die Geschichten unterschiedlicher Menschen gesammelt und präsentieren sie Ihnen an dieser Stelle als Artikelserie - alle Berichte im Überblick finden Sie hier.

HopDog hätte im Mai seine Türen für die Gäste öffnen sollen. Dann kam es im März zur Coronakrise. Ab welchem Zeitpunkt ist Ihnen bewusst geworden, was für Auswirkungen das Virus haben würde?

Matthias Jauerneck: Wir haben Mietvertrag, Ablöse und die ganzen Verträge unterschrieben, bevor die Krise in Europa angekommen ist. Am Anfang haben wir nicht geglaubt, dass Corona große Auswirkungen haben wird. Wir haben alle geglaubt, dass ist eine Grippe und das geht vorbei und ist nicht so schlimm. Dann ist es aber innerhalb weniger Wochen sehr dramatisch geworden. Da ist uns bewusst geworden, dass Corona auch auf unser Geschäft einen großen Einfluss haben kann. Es wurde relativ schnell alles geschlossen und wir haben angefangen, uns wirklich Sorgen zu machen.

Wie hat sich die Lage in den letzten Wochen entwickelt?

Wir hatten geplant, Mitte oder Ende Mai zu eröffnen. Dieses Datum wurde mit den Schließungen durch Corona natürlich utopisch. Zum Glück können wir nun zum 1. Juni starten. Wir sind nicht auf der Seite, die sagt, es muss dringend alles geöffnet werden. Das muss alles vernünftig passieren. Uns hat Corona insofern getroffen, dass alle Prozesse viel länger dauern und viel komplizierter sind. Gespräche mit Banken, mit Lieferanten und Behörden.

Wie gehen Sie selbst mit der Situation um?

Es geht an die Substanz. Eine Firmengründung, gerade in der Gastronomie, ist sehr anstrengend. Was uns die letzten Wochen abverlangt haben, war noch einmal ein ganz anderes Niveau. Vor allem emotional. Das hätten wir nicht erwartet. Man schläft sehr schlecht und wenig. Die Arbeitstage weiten sich auf 14 oder 16 Stunden aus. Man muss viel mehr bedenken, viel mehr Ideen haben und kreative Lösungen für die Gegebenheiten finden. Jetzt, wo wir wissen, dass wir am 1. Juni öffnen, haben wir etwas Konkretes, auf das wir hinarbeiten können. Das tut gut.

Corona verursacht bei vielen Menschen ganz unterschiedliche Sorgen. Was ist Ihre eigene größte?

Eine wirklich große Sorge ist die vor einer zweiten Welle und dass dann wieder Schließungen folgen. Die größte Sorge aber war die Finanzierung, die durch Corona viel schwieriger geworden ist. Aber wir sind über den Berg und freuen uns, dass es losgehen kann.

Gab es den Moment, an dem Sie dachten: Okay, das war's. Der Traum vom eigenen Restaurant ist geplatzt?

Nein, eigentlich nicht. Wir haben immer daran geglaubt, dass wir es schaffen können. Wir hatten Rückschläge, wenn beispielsweise ein Investor absprang oder die Verhandlung mit den Banken schwieriger wurde.

Was sind Ihre Hoffnungen für die nächste Zeit?

Wir hoffen, dass die Gesellschaft lernt, mit dem Virus umzugehen. Ich glaube, viele denken immer noch, dass das Ganze in vier oder acht Wochen vorbei sein wird und alle wieder ohne Maske aus dem Haus gehen können. Ich glaube, die Gesellschaft muss lernen, dass Corona etwas ist, das uns noch eine Weile begleiten wird. Bis es einen Impfstoff gibt, kann noch viel Zeit vergehen.

Wie geht es Ihnen als Gastronom, wenn Sie Menschen sehen, die Corona weniger ernst nehmen und beispielsweise in großen Gruppen und ohne Abstand zusammenstehen?

Das ist schon ärgerlich. Ich denke mir, es ist nicht so schwierig, Abstand zu halten. Es ist ja nicht so, dass man sich mit 1,50 Metern Abstand nicht mehr unterhalten könnte. Ich denke daran, was das für einen selbst bedeuten kann. Wenn es aufgrund dessen wieder Schließungen gibt, dann wird das unser Geschäft hart treffen. Das Problem der Gastronomie ist, dass entgangene Umsetze später nicht wieder reinkommen. Ein Auto, das ich mir im März nicht kaufe, weil ich in Kurzarbeit bin, kaufe ich mir dann im August, wenn ich wieder normal Geld verdiene. Aber ein Bier bei einem Gastwirt, das ich im März nicht getrunken habe, das trinke ich im Juni nicht mehr.

Wie stark verfolgen Sie die Corona-Berichterstattung in den Medien?

Ich bin persönlich von der Corona-Thematik betroffen. Meine Eltern waren beide positiv, mein Vater mit einer schweren Lungenentzündung erkrankt. Wir wollen schon wissen, wie die Entwicklung ist. Es ist uns auch wichtiger, dass der Umgang mit dem Virus vernünftig ist, als dass man nun alles blind wieder öffnet und dann riskiert, die Eindämmungen, die man in den letzten Wochen geschafft hat, wieder über den Jordan gehen.

Eine letzte Frage: Hatte HopDog im Gegensatz zu bereits laufenden Restaurants eher Glück oder Pech, was Corona betrifft?

Unser Timing für die Eröffnung war natürlich nicht ideal. Aber mit Corona konnte keiner rechnen. Wir haben im Gegensatz zu anderen Gastronomen echt Glück gehabt. Unsere Eröffnung kann pünktlich zu den Lockerungen der Corona-Maßnahmen stattfinden. Das hat genau zusammengepasst. Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen. Bekannte von mir haben in Hamburg Anfang März eine Bar aufgemacht, die sie nach zwei Wochen wieder schließen mussten. Die wissen nicht, wann und ob sie überhaupt wieder öffnen können. Wir können also echt nicht jammern.

Matthias Jauerneck ist einer der Mitbegründer des Hotdog- und Craftbeer-Restraurants HopDog, das am 1. Juni 2020 in München eröffnet.

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