Psychologische Tricks und immenser technischer Aufwand: Welche Maschinerien Betrüger in Gang setzen, um arglose Menschen in die Falle zu locken, ist kaum zu glauben. Hier erzählt eine Betroffene ihre Geschichte, um andere zu warnen.

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Es ist die Hoffnung auf den einen oder anderen unerfüllten Traum. Auf etwas mehr Polster für die Rente. "Ich war immer ein eher misstrauischer Mensch, ich hätte mir nicht mal ein Los auf der Kirmes gekauft", erzählt Eva-Maria Schirmer (Name von der Redaktion geändert).

Doch als die 68-Jährige vor wenigen Monaten Lena Meyer-Landrut in einem Online-Video von einer Handelsplattform schwärmen sieht, weckt das bei ihr Vertrauen. Vielleicht gibt es in diesen Zeiten von schlechten Zinsen und hohen Kosten ja doch noch eine Chance, an mehr Geld zu kommen. Wenn eine Prominente von solchen Gewinnen erzählt, warum sollte das nicht funktionieren?

Was Schirmer nicht ahnt: Das Video ist nicht echt, sondern eine mittels künstlicher Intelligenz (KI) erstellte Fälschung. Lena Meyer-Landrut hat nie für die genannte Trading-Firma geworben. Der Satz "Man darf nur glauben, was man selbst sieht und hört" gilt in Zeiten der neuen digitalen Möglichkeiten nicht mehr. Denn auch was man mit eigenen Augen sieht, kann Fake sein. Bereits vor Jahren klärte die Sängerin ihre Fans darüber auf, dass sie nicht mit Bitcoins handele und derlei Werbungen gefälscht seien.

Warnung vor Fake-Werbung

  • Vorsicht ist geboten, wenn Sie Promis im Internet für Handelsplattformen oder beispielsweise Gesundheitsprodukte werben sehen: Künstliche Intelligenz ermöglicht raffinierte Fakes, die oft nicht auf Anhieb als solche zu erkennen sind. In der Vergangenheit wurden dafür schon Fotos oder TV-Interviews von Promis wie Barbara Schöneberger, Judith Williams, Til Schweiger, Eckhart von Hirschhausen und Sandra Maischberger bearbeitet oder mittels einer KI-generierten Stimme synchronisiert. "In Zeiten von künstlicher Intelligenz werden solche Betrügereien vermutlich noch zunehmen", warnt Susanne Punsmann, Rechtsanwältin im Projekt "Faktencheck Gesundheitswerbung" der Verbraucherzentrale. Wer sich unsicher ist, kann Links und Screenshots zur Prüfung and die Verbraucherzentrale schicken.

Beispiele für solche Fake-Werbung

Traumhaft einfache Konditionen und schnelle Gewinne?

Als Schirmer den Online-Clip sieht, zweifelt sie nicht an seiner Echtheit und gibt die Adresse der namentlich genannten Handelsplattform direkt im Browser ein. Sofort landet sie auf einer optisch ansprechenden Seite. Aktienkurse laufen durch einen Ticker, Zitate von Mitarbeitenden und angebliche Auszeichnungen schmücken das Portal.

Es scheint alles so unkompliziert. Kein Vertrag, keine Kündigungsfristen – nur eine Mindestlaufzeit von 14 Tagen und der Einsatz von 250 Euro sind für die Anmeldung nötig. Den Rest, also möglichst schnelle und hohe Gewinne, erledige die Firma für die Anleger.

"Irgendwas hat mich geritten, wenn es auch nur der Gedanke war: 250 Euro zu verlieren, könntest du ja gerade noch verschmerzen. Ich dachte mir, ich mach das mal", erzählt Schirmer. Nach einem Impressum sucht sie nicht. Ein Fehler, wie ihr heute klar ist. "Ich habe mich damit zufriedengegeben, dass unten eine Adresse und ein Support-Kontakt angegeben waren", sagt die Rentnerin aus Köln, die früher als Steuerberaterin tätig war.

Wer solche Warnsignale übersieht und auf Fake-Trading-Plattformen reinfällt, dem drohe der Totalverlust, warnt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Schirmers Erfahrungen seien typisch: Nach ihrer Registrierung gratuliert ihr eine angebliche Mitarbeiterin der Trading-Firma zu ihrer "guten Entscheidung", es folgen telefonische Kontaktaufnahmen. Die Betrüger verstünden es, im Laufe der Kommunikation einerseits Vertrauen, andererseits Druck aufzubauen, um die Anleger zu noch mehr Investitionen zu drängen.

So auch bei Schirmer. Jeder Log-in auf der Seite löst zudem euphorische Gefühle aus, denn der Profit steigt angeblich stetig: Binnen kurzer Zeit liegt ihr angebliches Guthaben schon fast bei 300 Euro. Was sie allerdings beunruhigt: Ihr Startkapital von 250 Euro hat sie zu Beginn nicht an die Firma direkt, sondern auf eine Bank im Ausland überwiesen.

Wie sie sich denn ihre Gewinne auszahlen lassen könne, will sie von ihrem "Kundenbetreuer" wissen, der sie regelmäßig anruft. Jedes Mal von einer anderen Nummer, wie ihr schnell auffällt. Wann immer sie auf solche Ungereimtheiten zu sprechen kommt und Fragen stellt, bricht er unter einem Vorwand das Gespräch ab und vertröstet sie auf einen anderen Tag. Schriftliche Kommunikation findet – auch ein typisches Warnsignal für Betrug - ausschließlich über WhatsApp statt.

Ein mysteriöses Angebot

Nach wenigen Wochen macht er ihr einen ungewöhnlichen Vorschlag: "Da meine Geschäfte doch so prima liefen, würde mir die Firma 20.000 Euro zur Verfügung stellen. So würde sich der weitere Handel für mich, aber auch für ihn als Berater mehr lohnen", erzählt sie.

Was nach diesem vermeintlichen Darlehen wohl passiert wäre: Ihre – fiktiven – Gewinne wären weiter rasant gestiegen. Dann wäre sie aufgefordert worden, ihre Schulden zuerst zu begleichen, bevor ihr der Gewinn ausgezahlt werden könne. Oder es wären Gebühren fällig geworden. Das vermutet Dominika Kula, Sprecherin bei der Bafin, auf Anfrage unserer Redaktion: "Sie wäre statt ihrer anfänglichen 250 Euro dann schnell 20.000 Euro losgewesen. Die Kriminellen gaukeln ihren Opfern vor, eine hohe Summe stünde vor der Auszahlung – vorher sei allerdings noch eine Steuerzahlung oder ähnliches fällig."

Als Schirmer sich nicht auf das Angebot einlässt, reagiert der Betreuer unwirsch. Ihr angebliches Guthaben liegt zu diesem Zeitpunkt – nach nur wenigen Wochen – bereits bei 928 Euro. Ein eindeutiges Kennzeichen für Betrug: Das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter warnen immer wieder vor solchen unrealistischen Gewinnen.

Für Verbraucher, die ihr Geld anlegen möchten, ist wichtig zu wissen: Wer Finanzdienstleistungen anbietet, benötigt dafür die Erlaubnis der Bafin. Ob diese Lizenz vorliegt, kann jeder online nachschlagen. "Und das muss man vor einer Anlage auch unbedingt tun", betont Kula, "denn wenn Sie es mit jemandem zu tun haben, der in betrügerischer Absicht handelt, hat der logischerweise auch keine Erlaubnis. Vor solchen Fake-Anbietern und ihren zugehörigen Internetseiten warnen wir mehrmals täglich", erklärt sie und verweist auf aktuelle Warnmeldungen, in denen klangvolle Namen auftauchen wie "FX-GlobalMarkets" oder "finanzwelt.pro".

Wer ist die Bafin und welche Links sind für Verbraucher wichtig?

  • Bafin steht für Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Für ein stabiles Finanzsystem beaufsichtigt die Behörde Banken, Finanzdienstleistungs- sowie Zahlungs- und E-Geldinstitute, deutsche Zweigniederlassungen ausländischer Kreditinstitute aus dem Europäischen Wirtschaftsraum, Versicherer und Pensionsfonds sowie Kapitalverwaltungsgesellschaften und inländische Fonds. Link: Tagesaktuelle Warnungen der Bafin zu unseriösen Plattformen
  • Da es aber passieren kann, dass Verbraucher auf betrügerische Websites stoßen, die dort noch nicht erfasst sind, sollten Anleger online nachschlagen, wer die Erlaubnis der Bafin hat und somit seriös ist. Link: Unternehmensdatenbank der Bafin

Auch die Telefonnummern erweisen sich als Fake

Bald erlebt Schirmer die nächste Überraschung: Als sie sich in ihren Account einloggen will, ist die Webseite nicht mehr erreichbar. Über eine Google-Suche findet sie die Firma wieder – allerdings unter leicht geänderter Adresse im Internet. Nun schrillen alle Alarmglocken und sie versucht, ihren Kundenberater anzurufen. Über die abgespeicherten Nummern landet sie zuerst bei einer Hausfrau in Österreich, dann auf einem Anrufbeantworter in Belgien, schließlich bei einer offenbar ebenfalls völlig unbeteiligten Person in Frankreich.

Warnung vor Call-ID-Spoofing

  • Es ist möglich, Anrufe zu erhalten, die tatsächlich von einer anderen Nummer stammen als der auf Ihrem Display angezeigten. Man nennt diese Masche Call-ID-Spoofing. "Um eine Rufnummer zu manipulieren und bei Anrufen eine falsche Rufnummer zu übermitteln und anzeigen zu lassen, ist es nicht erforderlich, sich diese Rufnummer auf irgendeine Weise zu verschaffen, d.h. sie zu erwerben oder sie freischalten zu lassen", erklärt die Bundesnetzagentur. "Von der Manipulation betroffen sein können dabei einerseits real existierende – auch ausländische – Rufnummern, obwohl der Inhaber der Rufnummer mit dem Anruf nichts zu tun hat." Auch könnten bei diesem sogenannten Call-ID-Spoofing erfundene Rufnummern verwendet werden, die es also gar nicht gibt. Wer entsprechende Anrufe erhält, möge diese möglichst unverzüglich der Bundesnetzagentur melden, die dann unter bestimmten Voraussetzungen dann ermitteln kann.

Gefälschte Telefonnummern, veränderte Domains, exorbitante Gewinne – als der Kundenberater wieder anruft, spricht Schirmer ihren Verdacht offen aus, dass das alles Betrug sei: "Er wurde dann sehr ungehalten und verstrickte sich in abenteuerliche Ausreden: Firmen änderten ja öfter ihre Domains - er wollte mir also Schwachsinn verkaufen. Mir reichte es. Ich sagte ihm, ich werde Anzeige erstatten und Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um mein Geld zurückzubekommen."

Ein letztes Mal spielt ihr Anrufer auf Zeit und leitet sie am Telefon an, eine Auszahlung zu veranlassen. Das Geld werde nach zwei bis drei Werktagen ankommen. Das ist bis heute nicht der Fall. Schirmer hat inzwischen Anzeige erstattet und ihre Daten im Kundenbereich gelöscht. Ob die Betrüger diese damit nicht mehr zur Verfügung haben, ist mehr als fraglich. Laut Bundeskriminalamt sind Betrugsopfer besonders gefährdet, wieder ins Visier von Betrügern zu geraten. Häufig werden Daten an andere Kriminelle verkauft oder Betrüger melden sich mit vermeintlichen Hilfsangeboten: Sie geben sich als jemand aus, der dabei unterstützen will, das verlorene Geld zurückzuholen.

Hinter dem Betrug stecken riesige Netzwerke

Welche Maschinerie allein hinter Schirmers Fall steckt, was Betrüger also alles in Bewegung setzen, um Menschen zu täuschen, ist erstaunlich. Die Bafin bezeichnet an Schirmers Erfahrungen als typisch, dass nie erklärt wird, wie die Kapitalanlage eigentlich genau funktioniert. Kein Wunder, sind doch auch die Gewinne viel zu hoch, um wahr zu sein. Eingezahlte Gelder werden nie einer Kapitalanlage zugeführt. Alles ist Fake. Das Geld wird nie ausgezahlt, sondern ist längst auf ausländische Konten verteilt.

Mit 250 Euro Verlust hatte sie noch "Glück im Unglück", weiß Schirmer, denn andere verloren durch Cyber Trading Fraud, wie Anlagebetrug auch genannt wird, schon Zigtausende Euro. Die Dimensionen zeigt auch ein Schlag gegen Anlagebetrug aus dem vergangenen Jahr: Eine einzige Bande hatte allein in Deutschland einen Schaden von 22 Millionen und international 89 Millionen Euro verursacht.

"Es sind gewaltige betrügerische Netzwerke, die da agieren und sich die Arbeit professionell aufteilen", erläutert Kula: "Die einen erstellen die Websites, die anderen agieren aus Telefoncentern, andere sorgen für den schnellen Geldtransfer ins Ausland, wo die Zuständigkeit deutscher Strafverfolgungsbehörden aufhört. Das erschwert die Ermittlungen. Und auch Domains lassen sich nicht so einfach sperren, wie wir uns alle das wünschen würden, wenn sie im Ausland gehostet sind", informiert sie.

Umso wichtiger sei die Aufklärung von Anlegern und immer wieder der Appell, intensiv zu recherchieren, bevor man Geld investiert: Impressum suchen (wer ist der potenzielle Vertragspartner und wo hat er seinen Sitz?), Firmennamen googeln und bei der Bafin eingeben und auch eine Google-Rückwärtssuche der Bilder kann im Handumdrehen aufdecken, dass hier gar keine echten Mitarbeitenden abgebildet sind. Im Zweifelsfall könne man sich auch an die Verbraucherzentrale wenden.

Die psychologischen Tricks der Kriminellen

"Die Betrüger spielen ja mit unserer 'Fear of missing out', der Sorge, etwas zu verpassen: Das Angebot könnte weg sein, wenn ich heute nicht zuschlage. Dieser Trick ist reine Psychologie und erwischt Menschen aus allen Schichten. Schlafen Sie immer darüber, wenn es um Ihr Geld und Ihre Daten geht und recherchieren Sie gründlich", warnt die Expertin der Bafin.

"Man sollte nie sagen: Mir kann das nicht passieren."

Betrugsopfer will andere davor warnen, in die gleiche Falle zu tappen

Die betrügerischen Handelsplattformen seien letztlich leere Hüllen im Internet, schnell erstellt und sogar immer wieder gleich unter verschiedenen Domains, deren Unterseiten oft schon ins Leere führten. Doch sie werden immer raffinierter. "Und die Betrüger sind mit ihren Anrufen vehement und hartnäckig. Hier muss man gesunden Menschenverstand walten lassen: Warum sollte mich jemand drängen zu investieren und mich unter Druck setzen, wenn er offenbar selbst die Lizenz zum Gelddrucken entdeckt hat?", gibt Kula zu bedenken.

"Heute weiß ich all das und es macht mich so wütend", sagt Schirmer. Im Internet fand sie weitere unseriöse Plattformen und will nun andere warnen: "Ich war wirklich immer wachsam. Ich habe noch nie so einen Blödsinn gemacht – und dann das. Man sollte nie sagen: Mir kann das nicht passieren."

Verwendete Quellen

Google Rückwärtssuche bei Bildern: So geht es

In Sekunden: Google-Kniff hilft, Betrug zu erkennen

Im Internet wimmelt es von betrügerischen Fake-Shops und Handelsplattformen. Beim Erkennen kann die Google-Rückwärtssuche der entscheidende Kniff sein: Damit finden Sie blitzschnell heraus, ob ein Foto beispielsweise von einer ganz anderen Website stammt.
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