Donald Trump musste nach seiner halbherzigen Verurteilung der rechten Ausschreitungen in Charlottesville massive Kritik einstecken – auch aus seiner eigenen Partei. Sein Rückhalt bröckelt. Auf wen kann sich der US-Präsident überhaupt noch verlassen?

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Film- und Sportstars, Wirtschaftsführer, Militärs, Ex-Präsidenten, hochrangige Vertreter der Republikaner - es gab fast keine gesellschaftliche Gruppe, aus der US-Präsident Donald Trump für seinen Relativierung der rechten Gewalttaten in Charlottesville keine Kritik einstecken musste.

Auch in Umfragen steht der 71-Jährige so schlecht da wie noch nie. Um seine politische Agenda umzusetzen, braucht Trump jedoch Mitstreiter.

Der Politologe Sergey Lagodinsky erklärt, wer noch hinter Trump steht, warum er nicht auf klassische Mehrheiten angewiesen ist und was der Abgang von Topberater Steve Bannon für das Machtgefüge im Weißen Haus bedeutet.

Herr Lagodinsky, wer steht nach den jüngsten Skandalen überhaupt noch hinter dem US-Präsidenten?

Sergey Lagodinsky: Donald Trump hat weiterhin die Unterstützung der wichtigsten Amerikaner - seiner Wähler. Obwohl diese Unterstützung leicht gesunken ist, steht er bei seinen Kernunterstützern noch gut da.

Für die meisten von ihnen gibt es auch nach Charlottesville keinerlei Grund für Zweifel. Ganz im Gegenteil – Trump hat ihre Erwartungen mit seinen Statements erfüllt.

Laut Umfragen sind 82 Prozent der republikanischen Wähler mit seiner Amtsführung zufrieden. Ein Wert, der sich sehr gut anhört.

Das stimmt zwar, aber die Unterstützung für Trump schrumpft. Sogar in Zeiten der Krise standen die Demokraten beziehungsweise Republikaner zu 90 Prozent zu Obama respektive Bush.

Bei Trump sind diese Werte niedriger. Allerdings erleben wir eine politische Landschaft, die zutiefst verunsichert und polarisiert ist.

Reicht Trump die Legitimation durch seine Wähler aus?

Die Legitimierung des Präsidenten sinkt nicht, wenn die Umfragewerte sinken. Solange Trumps Kernklientel weiterhin mehrheitlich zu ihm steht, bleiben republikanische Abgeordnete im Risikobereich.

Die Republikanische Partei hatte sich in den letzten Jahren gerade durch den Einfluss der Tea Party dermaßen nach rechts bewegt, dass die meisten Abgeordneten des Repräsentantenhauses bei den Primaries, also der Entscheidung für die Nominierung als Kandidaten der eigenen Partei, auf die Stimmen der Trump-Sympathisanten nicht verzichten können bzw. kein Risiko eingehen wollen.

Wie sieht es mit dem Senat aus, der zweiten Kammer des Kongresses?

Es ist bezeichnend, dass Kritik an Trump stärker unter den Senatoren verbreitet ist.

Die für fünf Jahre gewählten Senatoren haben weniger zu verlieren im Gegensatz zu Kongressrepräsentanten, die alle zwei Jahre um ihre Plätze fürchten müssen und in einem Jahr allesamt mitten im Wahlkampf stehen werden.

Ist Trump gar nicht so sehr auf klassische Mehrheiten angewiesen?

Trumps Legitimierung war nie durch Mehrheiten begründet. Sie liegt vielmehr in der Angst der republikanischen Eliten vor ihrer eigenen schwer einschätzbaren Wählerschaft. Solange diese Angst vorherrscht, wird Trump sich halten können.

Kann er davon ausgehen, dass seine Regierung loyal zu ihm steht? Mit Justizminister Jeff Sessions gab es ja erhebliche Spannungen, auch Außenminister Rex Tillerson soll unzufrieden sein.

An wichtigen Stellen der Regierung hat Trump Ex-Militärs oder Familienmitglieder platziert.

Wer den Chef des Sicherheitsrates H.R. McMaster sprechen hört, wird wissen, dass er - bei aller Distanzierung von einzelnen Aussagen des Präsidenten - stets darum bemüht ist, seinen Chef zu erklären, auch um Unterstützung für ihn zu gewinnen.

Mit Stabschef John Kelly hat Trump einen weiteren Unterstützer, der zur Zeit Struktur und Abläufe im Weißen Haus verbessert.

Insgesamt sind die Mitglieder der Regierung ziemlich farblos und wenig auffallend. Insofern bleibt es dabei: Indiskretionen und Distanzierungen stehen weiterhin auf der Agenda, aber keine Illoyalitäten.

Der Nationalist Steve Bannon hat als wichtigster Berater im Weißen Haus seinen Hut genommen. Rückt Trump nun mehr in die Realpolitik?

Es geht weniger um Realpolitik, vielmehr um eine Berechenbarkeit und globale Verantwortung der USA als führende Weltmacht.

Ob der Weggang von Bannon einen Wechsel in diese Richtung bedeutet, wird sich zeigen - zu unübersichtlich ist das Regierungssystem Trump.

Die Entscheidung des Präsidenten hinsichtlich der neuen Afghanistan-Politik deutet darauf hin, dass zumindest im Bereich der Verteidigungspolitik eine traditionellere Linie siegen könnte.

Was spricht dafür?

Dass sich jetzt nicht nur die sogenannte Fraktion der Globalisten (Ivanka Trump, Jared Kushner, Gary Cohn), sondern auch die Fraktion der Generäle um Trump herum (John Kelly, H.R. McMaster, James Mattis) gestärkt fühlen dürfte.

Zugleich sollte man aber nicht die Eigenständigkeit der Figur Trump unterbewerten: Er vertritt weiterhin den Stil eines Transaktionspolitikers, der politisches Handeln nach Kriterien von Geschäften erfasst und bewertet.

Der Sturm ist also noch nicht vorbei, auch wenn mit Bannon ein wichtiger Akteur des Unvorhersehbaren verschwindet.

Es heißt, Trump-Tochter Ivanka habe den internen Machtkampf gegen Bannon gewonnen. Was bedeutet das für ihre Stellung im Weißen Haus?

Ich habe meine Zweifel, dass der Kampf auf Ivanka gegen Bannon reduziert werden sollte. Das ist eine Boulevardblatt-Zusammenfassung der Geschehnisse, die zugleich nicht frei von subtilen Stereotypen ist – Ivankas jüdische Religion wird in diesem Zusammenhang immer wieder betont.

Ich glaube, die Rolle von Kelly, McMaster oder Cohn war hier genauso wichtig. Es wird deren Postionen insgesamt stärken.

Trump kann sich neben seinen Wählern weiterhin stark auf seine Familie verlassen. Gibt es in einer westlichen Demokratie ein vergleichbares Beispiel, wo ein Staatschef so sehr auf Familienmitglieder als wichtige Berater gesetzt hat?

Diese antidemokratische Tendenz erinnert mich an die späte Regierung Boris Jelzins, als die wichtigsten Entscheidungen in Russland durch seine Tochter getroffen und die wichtigsten Posten an loyale Vertraute vergeben wurden.

Das ist ein klarer Rückschritt in der politischen Kultur der USA und ein Zeichen für ein grundsätzliches Misstrauen Trumps gegenüber allen, die ihm vor der Wahl nicht familiär oder freundschaftlich verbunden waren.

Zugleich zeigt diese Praxis das fehlende Verständnis seitens des US-Präsidenten und seines Umfeldes für die Regeln der politischen Hygiene in einer liberalen Demokratie.

Zur Person: Dr. Sergey Lagodinsky ist Leiter des Referats EU/Nordamerika der Heinrich-Böll-Stiftung. Seine Fachexpertise liegt insbesondere in transatlantischen Beziehungen, Völker- und Verfassungsrecht sowie Recht und Politik der Vielfalt und Integration.
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