Das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen steigt. Wissenschaftler machen den Vorschlag: Versicherte sollen künftig verstärkt selbst für ihre Gesundheitskosten zahlen.

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Angesichts steigender Gesundheitskosten haben sich Fachleute für eine Wiedereinführung der Praxisgebühr und mehr Eigenbeteiligung der gesetzlich Krankenversicherten ausgesprochen. Die Praxisgebühr gab es in Deutschland zwischen 2004 und 2012: Patienten mussten einmal im Quartal zehn Euro bezahlen, wenn sie zum Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten gingen.

"Die Abschaffung der Praxisgebühr war ein Fehler. Statt der damaligen Praxisgebühr von zehn Euro pro Arztbesuch wäre es besser, zum Beispiel fünf Euro pro Arztbesuch zu nehmen", sagte der Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit am Rheinisch-Westfälischen Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Boris Augurzky, der "Bild"-Zeitung (Dienstagsausgabe). Ausnahme solle das Abholen von Rezepten sein.

Gesetzliche Krankenkassen mit Defizit

Das deutsche Gesundheitssystem gilt bereits als teuer - und offenbar reichen die Einnahmen derzeit trotzdem nicht, um die Ausgaben zu decken. 2023 mussten die gesetzlichen Krankenkassen 1,9 Milliarden Euro mehr ausgeben als sie einnahmen. Sehr vereinfacht gesagt gäbe es im jetzigen System zwei Wege das zu ändern: Entweder steigen die Beiträge, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenversicherung bezahlen. Oder die Krankenversicherten müssen mehr Kosten selbst tragen.

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Eine gewisse selbststeuernde Selbstbeteiligung von Versicherten solle ausprobiert werden, sagte Augurzky der "Bild". Das sei "fair gegenüber den Beitragszahlern, die derzeit fast die komplette Finanzierungslast schultern".

Höhere Beitragsbemessungsgrenze?

Der Gesundheitsökonom Stefan Greß sprach sich in der "Bild" für eine deutliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze aus. Die Beitragsbemessungsgrenze ist die Höchstgrenze, bis zu der Sozialversicherungsbeiträge prozentual zum Einkommen erhoben werden. Oberhalb dieser Grenze sind die Beiträge also gedeckelt. Sie solle schrittweise von derzeit 62.100 Euro pro Jahr auf 90.600 Euro pro Jahr steigen, schlug Greß vor. Damit könnten die Krankenkassen pro Jahr rund zehn Milliarden Euro zusätzlich einnehmen.

Der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen forderte zudem eine gehaltsunabhängige Gesundheitspauschale von 250 Euro pro Monat sowie eine Selbstbeteiligung von bis zu 1000 Euro im Jahr aus. Wer einen niedrigeren Selbstbehalt zahlen wolle, müsse seine monatliche Gesundheitspauschale erhöhen. "Bei Menschen, die zu wenig dafür verdienen, müssen die Kassen einspringen." (afp/fab)

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