Die Natur freut sich, die Meteorologen blicken hingegen mit Sorge gen Himmel: Mit der Coronakrise ist der internationale Flugverkehr fast zum Erliegen gekommen. Was kaum jemand weiß: Viele Flugzeuge transportieren nicht nur Menschen von A nach B, sondern liefern auch wichtige Wetterdaten. Diese fehlen jetzt – und machen Wettervorhersagen unsicherer.

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Wettervorhersagen sind eine heikle Sache. Sie sollen möglichst genau sein, am besten schon fünf Tage vorher das Wetter vom kommenden Wochenende vorhersagen und eine Fehlerquote von null haben. Damit das gelingt, nutzt etwa der Deutsche Wetterdienst allerlei Beobachtungssysteme.

"Um genaue Vorhersagen treffen zu können, nutzen wir zuerst einmal Beobachtungssysteme vor Ort, messen die Temperatur in der Luft und am Boden", sagt Detlev Majewski vom Deutschen Wetterdienst. Auch Wetterschiffe auf dem Meer zeichnen die Werte im Wasser und der Luft auf. Hinzu kommen noch Radarsysteme und Satelliten, die Werte aus der Ferne aufzeichnen.

"Zudem brauchen wir Werte, die aus der Höhe kommen. Wir sprechen hier von 35 bis 40 Kilometern in der Luft", sagt der Meteorologe. Dafür habe der Wetterdienst spezielle Ballons, die er an zehn Stationen in ganz Deutschland zweimal am Tag aufsteigen lasse. "Das ist ein gutes, aber auch sehr teures Messsystem", sagt Majewski.

Wettervorhersage: Das Ass im Ärmel fällt weg

Normalerweise hat der Deutsche Wetterdienst hier auch noch ein Ass im Ärmel: Flugzeuge.

"Wir haben weltweit Flugzeuge, die bei Start und Landung Temperatur, Druck und Winde messen. Neun weitere Flugzeuge der Lufthansa vermitteln uns die Luftfeuchte in der Höhe."

Das Flugzeug-System fällt nun aber aus. "Die Lufthansa hat derzeit 95 Prozent aller ihrer Flieger am Boden stehen. Seit dem 10. März ist der Flugverkehr drastisch zurückgegangen – und das merken wir."

Waren es noch im Januar 350.000 Beobachtungen für den deutschen Wetterdienst, belaufen sich diese momentan auf fast null in Europa.

"Noch haben wir den Vorteil, dass in Amerika viel geflogen wird und wir die Messungen von dort für unsere Vorhersagen nutzen können", sagt Majewski. Heißt: Kündigt sich in Kanada ein Sturmtief an, kann der Deutsche Wetterdienst dank der Daten berechnen, wann das Tief nach Europa zieht. Nur wie lange das noch so bleibt, ist unklar.

Starkes Sturmtief könnte erst kurzfristiger vorhergesagt werden

"Unser Problem ist: Die Flugdaten fallen einfach weg." Eine Situation, die es so noch nicht gab. Um einen Einblick zu bekommen, wie viel schlechter die Vorhersagen ohne Flugzeugdaten in der momentanen Coronakrise werden, hat das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen in Reading (UK) Vorhersagen aus dem vergangenen Jahr genommen und diese einmal mit und einmal ohne Flugzeugdaten berechnet. Die Folge: Die kurzfristigen Vorhersagen wurden schlechter, vor allem in der Höhe. "Ich würde sagen, ohne Flugzeugdaten haben wir eine Verschlechterung der Vorhersagen um zehn Prozent", sagt der Meteorologe. Das bedeute, die aktuellen Vorhersagen seien so gut wie vor zehn Jahren – als noch weniger Daten vorhanden waren.

"Im Einzelfall bedeutet das: Es kann sein, dass wir ein starkes Sturmtief nicht mehr drei Tage im Voraus vorhersagen können, sondern nur noch zwei. Oder wir uns in der Intensität des Tiefs irren."

Doch Majewski gibt Entwarnung: "Wir werden jetzt nicht Sonnenschein voraussagen und Regen bekommen. So schlimm ist es nicht."

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