Eine Frau verschwindet. Von ihrer Leiche fehlt jede Spur. Dennoch ist ein Mann in Hannover nun für den Mord an der Frau verurteilt worden. Das Gericht ist sich sicher: Er erstach das Opfer im Schlaf.

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Die Leiche wurde nie gefunden - doch das Gericht ist überzeugt, dass der 55-jährige Angeklagte eine Frau am Würmsee nahe Hannover ermordet hat. Am Montag wurde der Mann zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Landgericht Hannover stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Das heißt, dass eine Entlassung des Mannes aus dem Gefängnis nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Nach Überzeugung der Richter überfiel der Deutsche aus Warburg in Ostwestfalen in der Nacht zum 11. September 2022 eine alleinlebende 56-Jährige in ihrer Laube am Würmsee in Burgwedel. Beide kannten sich zuvor nicht. Der Angeklagte habe die nachts in ihrem Bett liegende arg- und wehrlose Frau erstochen, um Macht auszuüben, sagte der Vorsitzende Richter Martin Grote. Er habe sie als reines Objekt zur Triebabfuhr und zur Erhöhung seines Selbstwertes missbraucht.

Blut- und DNA-Spuren überführten Täter

Der schmächtige Angeklagte verfolgte die rund 45-minütige Urteilsbegründung aufmerksam mit ernstem Blick. Der 55-Jährige mit dem schütteren Haar und dem langen grauen Bart hatte während des Prozesses zu den Vorwürfen geschwiegen. Zahlreiche Indizien wie Blut- und DNA-Spuren überführten ihn dem Gericht zufolge aber als Täter, auch wenn die Leiche des Opfers nie gefunden wurde.

Der verheiratete Vater einer Tochter wurde zudem wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Wenige Tage vor der Tötung am Würmsee hatte er eine Seniorin in Warburg überfallen und zu Boden geworfen. Die 79-Jährige leidet noch heute seelisch und körperlich unter den Folgen des brutalen Angriffs auf einem Waldweg, wie sie als Zeugin beschrieb.

Mit dem Urteil folgten die Richter weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Anklagevertretung hatte allerdings noch für eine Anordnung der sogenannten Sicherungsverwahrung plädiert, mit der die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern geschützt werden soll. Die Verteidigung hatte dagegen einen Freispruch beantragt.

Richter: Täter wollte maximale Macht gegenüber wehrlosen Frauen ausüben

Der Vorsitzende Richter entwarf in seiner Urteilsbegründung ein Psychogramm des Angeklagten, der über weite Strecken seiner Biografie angepasst gelebt habe. In Stresssituationen sei er aber teils über Wochen in die Natur abgetaucht. Er habe versucht, durch Dominanzausübung gegenüber ihm unbekannten, wehrlosen Frauen sich Erleichterung zu verschaffen und sein angeschlagenes Selbstwertgefühl zu erhöhen. «Es geht ihm um eine maximale Machtausübung, ein maximales Ausgeliefertsein seines Opfers», sagte Grote.

Die Anklage hatte ihm Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs vorgeworfen. Dies konnten die Richter nicht eindeutig nachweisen, sahen aber die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe als belegt.

Bereits 2002 wegen versuchten Totschlags verurteilt

Der Mann war bereits 2002 wegen eines Messerangriffs auf eine ihm unbekannte Frau vom Landgericht Kassel zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe wegen versuchten Totschlags verurteilt worden. Damals war laut Grote ein Auslöser, dass er erfahren hatte, dass sein Bruder seit sechs Jahren drogensüchtig war. Diesmal soll die Vermutung des Angeklagten, sein Onkel könne in Wirklichkeit sein Vater sein, Auslöser für das Abtauchen und den Gewaltexzess gewesen sein.

Seiner Familie hatte der 55-Jährige in dieser Phase vor einem Jahr vorgespielt, er sei nach Portugal gereist. Tatsächlich hatte er nach Überzeugung des Gerichts schon tagelang die 56-Jährige in ihrer abgelegenen Holzhütte am Würmsee ausspioniert. Die Frau hatte dort mit ihrem Hund und ihrer Katze gelebt. Suizid oder ein freiwilliges Verlassen ihres Zuhause schlossen alle Prozessbeteiligten aus. Die Frau hatte am Abend vor der Tat noch Brötchen für eine Verabredung am nächsten Morgen mit einer Freundin gekauft. Ihr Sohn hatte sich von einem Anwalt als Nebenkläger während des Prozesses vertreten lassen.

Die Ermittler konnten trotz der verschwundenen Leiche sogar den Zeitpunkt des Angriffs rekonstruieren, denn am 11. September 2022 um 0.00 Uhr meldete das Handy der Frau einen Wassereintritt. Der mit einer Sturmhaube maskierte Täter habe kurz zuvor die Matratze ihres Wasserbettes zerschnitten, sagte der Vorsitzende Richter. Die Sturmhaube mit DNA-Spuren des 55-Jährigen fand sich zudem hinter dem Bett der Frau. (dpa/cgo)


  © dpa

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