Die Rückkehr zur Normalität während der Corona-Pandemie ist schwer - dennoch sollen Schüler in NRW nach und nach wieder in den Schulbetrieb einsteigen. Es regt sich Protest.

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Schule – nein danke! Das sagen die Schüler aus Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung sieht das anders: Der Schulbetrieb soll trotz der globalen Pandemie ab sofort Schritt für Schritt wieder aufgenommen werden. Zuerst sind die Abschlussschüler dran, ab 11. Mai sollen Grundschüler tageweise folgen.

Während Armin Laschet am Donnerstag mit Angela Merkel tagt, regt sich unter dem Hashtag #SchulboykottNRW seit Tagen bereits Protest. Viele Schüler und Lehrer sorgen sich um ihre Gesundheit und die ihrer Liebsten und fordern eine andere Lösung. Zustimmung bekommt die Schülergruppe auch von vielen Schülern und Lehrern aus anderen Bundesländern. Wir haben mit dem Co-Initiator von "Schulboykott NRW", David-Luc Adelmann, gesprochen.

Herr Adelmann, wie kam es zu "Schulboykott NRW"?

David-Luc Adelmann: Anfang der Osterferien haben bei mir ernsthafte Sorgen um den Abschluss und die Schulöffnung eingesetzt. In der Zeit wurden einige offene Briefe zu diesem Thema veröffentlicht. Zusammen mit einer Mitschülerin aus Hagen, Felicitas Heinisch, haben wir dann vor ungefähr zwei Wochen den Instagram-Account schulboykottnrw erstellt. Mittlerweile hat er mehr als 800 Abonnenten und mehrere Tausend Menschen erreicht.

Das Thema scheint für viele interessant zu sein.

Ja, wir haben uns dann mit weiteren Freunden zusammengetan und Demos auf die Beine gestellt. Am Montag und Dienstag vor der Staatskanzlei, am Mittwoch vor unserem Landtag. Unter strengsten Schutzmaßnahmen und sehr geringer Teilnehmerzahl haben wir unseren Protest stellvertretend für Tausende aus ganz Deutschland auf die Straße getragen.

Was befürchten Sie, wenn die Schulen wieder öffnen?

Wir fürchten zuerst einmal eine zweite Infektionswelle. Außerdem machen wir uns Sorgen, dass unsere Abschlussprüfungen schlechter ausfallen. Zudem darf nicht vergessen werden: Unsere Prüfungsvorbereitungen sind momentan abhängig vom gesundheitlichen Zustand sowie sozialen Status der Schüler. Alle Abschlussprüflingen stehen – wie uns viele schildern – unter einer hohen psychischen Belastung seit der Corona-Welle.

Und Sie fürchten einen Schulstart, der nur kurz darauf aufgrund eines erneuten Infektionsverdachts wieder abgebrochen wird.

Ganz genau. Außerdem gibt es bereits eine Knappheit von Masken und Desinfektionsmitteln, die immer noch dringend in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen benötigt werden. Schulöffnungen würden diese noch steigern.

Haben Sie bereits von gut verlaufenden Schulstarts gehört?

Ja, einige Schulstarts sind gut verlaufen. Diese Prüflinge können sich nun besser auf ihre Prüfung vorbereiten. Dies ist zwar gut, aber unfair gegenüber anderen, die diese Vorbereitung nicht bekommen.

Wie ist denn die Stimmung unter den Schülern?

Der Großteil der Schülerschaft ist von der Politik enttäuscht, wütend und macht sich Sorgen um die Gesundheit von Freunden und der Familie. Die Mehrzahl versucht sich trotz der Situation auf ihre Prüfung vorzubereiten. Viele wollen einfach zurück zur Normalität oder wenigstens einen vernünftigen Plan aus der Politik.

Wie könnte Ihrer Meinung nach eine Lösung aussehen?

Die Schulen werden frühstens nach dem Ende der bundesweiten Kontaktbeschränkungen wieder geöffnet. Der Vorschlag der KMK, einen Schichtunterricht für Schüler bis zu den Sommerferien anzubieten, ist vernünftig - unter der Bedingung, dass die geforderten Hygienemaßnahmen kontrolliert und flächendeckend umgesetzt werden. Dazu fehlt es im Moment an Masken und Desinfektionsmitteln.

Gibt es noch eine andere Lösung?

Ja, ein Durchschnittsabitur mit freiwilligen Prüfungen, um den sozialen Standards in NRW gerecht zu werden.

Wie schätzen Sie die psychische Belastung für Schüler ein, wenn sie jetzt wieder zur Schule müssen?

Sehr hoch. Uns erreichen nicht nur Berichte von Schülern, sondern auch von Lehrern hören wir Frustration und Sorge. In Kombination mit dem üblichen Prüfungsstress und einer katastrophalen Informationspolitik der Landesregierung Nordrhein-Westfalens gehen wir von enormer psychischer Belastung aus.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Sorgen der Schüler?

Ihre Gesundheit und die ihrer Angehörigen sowie ihre Note. Teilweise auch die Angst vor einer zweiten Infektionswelle.

Haben sich bei Ihnen schon Politiker gemeldet? Sind Sie bereits im Gespräch mit ihnen?

Die Landesregierung (CDU, FDP) ignoriert uns oder versucht, uns abzuwimmeln. Wir bekommen zu hören, alles sei in Ordnung und man solle doch einfach weiter machen wie bisher. Die Abschlussprüfungen seien alternativlos. Von anderen Parteien (Grüne, SPD, Linke) hören wir Zustimmung und Unterstützung, teils auch ähnliche oder gleiche Forderungen. Wir haben leider noch keine Gelegenheit bekommen, mit den Regierungsparteien beziehungsweise den Verantwortlichen zu sprechen.

Sie sind vor allem in den sozialen Medien aktiv: Wie sind die Reaktionen?

Wir bekommen auf Instagram Nachrichten von Unterstützern aus ganz Deutschland. In Kommentaren unter Zeitungsartikeln lesen wir auch viel Positives, aber auch die üblichen Vorwürfe von angeblicher Faulheit und anderen unschöneren Dingen.

Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?

Wir hoffen, die Landesregierung sieht ihren Fehler ein. Es ist traurig, dass es so weit gekommen ist, aber wir wissen auch: Am Ende des Tages sind Politiker auch nur Menschen.

Über den Gesprächspartner: David-Luc Adelmann ist Co-Initiator von "Schulboykott NRW" und Abschlussschüler.
  • Gespräch mit Abschlussschüler David-Luc Adelmann
  • Instagram von Schulboykott NRW
  • Twitter von Schulboykott NRW
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