In der neuesten Folge des NDR-Podcasts "Coronavirus-Update" spricht Christian Drosten über die Lockerungen hierzulande sowie den Einsatz von Antigen- und Speicheltests. Am Ende konnte die "NDR Info"-Journalistin dem Virologen sogar noch einen Allgemeinbefund zur Lage der Nation abluchsen.

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Die einen verspüren angesichts der Lockerungen in Deutschland ein Stück zurückgewonnene Freiheit, andere halten sie für das schlichtweg falsche Signal. Christian Drosten überraschten sie wenig. "Die Politik hat hier irgendwo einen Kompromiss gewählt. Wir alle haben ja die Chance, weiter die Übertragungsrate gering zu halten, denn in der Bevölkerung ist ja auch Bewusstsein entstanden", so der erstaunlich zuversichtliche Virologe in der aktuellen Folge des NDR-Podcasts "Coronavirus-Update". Kummer bereitete dem Experten jedoch der kommende Winter. "Da hoffe ich auf Medikamente beziehungsweise auf die Umnutzung von vorhandenen Medikamenten", so Drosten.

Kommende Antigentests: "Wichtig und nützlich" für die Vordiagnose

Thema im neuen Podcast waren dann auch Antigentests, die nach dem Prinzip des Schwangerschaftstests funktionieren. Was Drosten, der auf eine erste Studie dazu verwies, von diesen hält? "Das wird ein Testformat für eine erste Entscheidungsfindung, eine Vordiagnose der Infektiosität werden – und das ist unheimlich wichtig und nützlich." Vorstellen könne er sich diese Tests in zum Beispiel Arztpraxen oder Rettungswägen, aber auch etwa in Pflegeeinrichtungen. "Wo man ganz schnell eine Entscheidung bekommt, ob der Patient infektiös und eventuell gefährlich ist." Dem 48-Jährigen zufolge werden die Tests in ein paar Wochen aus dem asiatischen Markt als Massenprodukt kommen.

Corona-Speicheltests künftig Ergänzung, vielleicht sogar Alternative

Auch in Sachen Speicheltests, die in der Diagnostik von Atemwegserkrankungen an sich nicht üblich sind, gibt es neue Entwicklungen. Drosten verwies auf drei internationale Studien, die im Großen und Ganzen zu einem übereinstimmenden Ergebnis kommen. Für den Experten allemal beachtenswert. "In der Zusammenfassung lässt sich sagen, dass man in Situationen, in denen man über keine Abstrichtupfer verfügt, davon ausgehen kann, dass auch eine Speichelprobe ganz gut funktioniert – als eine Art Ergänzung oder sogar Alternative in gewissen klinischen Situationen", so der Leiter des Virologie-Instituts an der Charité in Berlin. Man müsse das aber weiter evaluieren.

Antikörpertest von "Roche" – Drosten hält sich zurück

Ebenfalls wurde der Antikörper-Test der Firma "Roche" von "NDR Info"-Journalistin Korinna Hennig und Christian Drosten im Podcast thematisiert, der ja schon bald in großer Stückzahl hierzulande auf den Markt kommen soll. Drosten wollte hier offenbar nicht groß Werbung für ein einzelnes Unternehmen machen. Der Experte: "Dieser Hersteller ist ja auch in Deutschland tätig, da liegt es nah, dass man in der jetzigen Situation auch mal Pressearbeit macht, um zu demonstrieren, dass wir hier in der deutschen Industrie durchaus etwas zu bieten haben." Drosten verwies aber auch auf andere Hersteller des Landes, die ihm zufolge "ziemlich sicher genauso gut" seien.

Virologe: "Wir haben ganz viel geleistet"

Am Ende des Podcasts wünschte sich die NDR-Journalistin von Christian Drosten noch einen Allgemeinbefund zur Situation in Deutschland und wollte wissen, ob das Glas des Virologen halbvoll oder halbleer sei? Dessen Antwort: "Wir sind hier in Deutschland in einer einmalig guten Situation im Moment. Wir haben ganz viel geleistet, und ich bin auch weit weniger kritisch, als das die deutschen Medien darstellen", äußerte sich Drosten. Zudem würde er vielen aktuellen politischen Entscheidungen schon zustimmen. Aus rein wissenschaftlicher Sicht hätte er sich aber mit Sicherheit noch ein etwas weiteres Eindämmen gewünscht. "Sei’s drum: Ich glaube, es ist nicht so schlecht, wie wir das in Deutschland machen." Länder wie zum Beispiel Indien, Brasilien oder die USA würden dem Virologen aber sehr wohl Kummer bereiten. Angesichts der Neuinfektionen, Todesfälle und vor allem hohen Dunkelziffern gebe es hier für ihn wenig Grund optimistisch zu sein.

Professor Dr. Christian Drosten ist Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité und einer der führenden Virus-Forscher Deutschlands. Der 48-Jährige gilt als Mitentdecker des SARS-Virus. Unmittelbar nach dem Ausbruch SARS-Pandemie 2003 entwickelte er einen Test auf das neu entdeckte Virus, wofür er 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. In der aktuellen Corona-Krise ist der gebürtige Emsländer ein gefragter Gesprächspartner, zwei Mal pro Woche gibt er Auskunft zur aktuellen Lage.
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