Im Netz kursiert die Behauptung, es gebe bislang keine Impfungen gegen HIV, Grippe und Krebs – während COVID-Impfstoffe in kurzer Zeit entwickelt wurden. CORRECTIV.Faktencheck hat dazu recherchiert.

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Das Thema Impfungen ist derzeit ein Dauerbrenner, auch in der Welt der Desinformationen. Seit Monaten kursieren verschiedene Behauptungen und Gerüchte dazu, CORRECTIV.Faktencheck behandelt das Thema daher immer wieder.

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Häufig taucht etwa die Behauptung auf, die Impfstoffe seien "zu schnell" entwickelt worden, um wirklich gut und wirksam sein zu können. Dieses sehr subjektive Gefühl wird teils von angeblichen Belegen oder anderen Behauptungen begleitet, wie in einem aktuellen Beispiel: In einem viralen Facebook-Beitrag wird behauptet, dass es bislang keine oder keine wirksamen Impfungen gegen HIV, Grippe und Krebs gebe, wohingegen die Entwicklung des COVID-Impfstoffs nur kurze Zeit in Anspruch nahm.

CORRECTIV.Faktencheck hat recherchiert und festgestellt: Das stimmt so nicht. Es existieren Impfstoffe gegen Influenza und es gibt Impfstoffe, die das Risiko, an manchen Krebsformen zu erkranken, verringern. Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen HIV beschäftigt momentan noch die Forschung.

Die Recherche in Kürze zusammengefasst:

Impfstoffe gegen HIV sind in der Entwicklung

Es werden laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) aktuell Impfstoffe gegen HIV entwickelt. Diese befänden sich in verschiedenen Phasen klinischer Erprobung. Bislang hat sich jedoch noch kein Impfstoff als wirksam erwiesen.

Laut Deutscher Aidshilfe liege das unter anderem daran, dass HI-Viren sich ständig verändern: "So entstehen unzählige Formen von HIV. Manche Antikörper zum Beispiel, die eine bestimmte Variante von HIV erfolgreich bekämpfen, helfen bei einer anderen überhaupt nicht."

Es gibt eine wirksame Grippeimpfung

Die Behauptung, es gebe "keine wirksamen" Impfstoffe gegen die Grippe, ist falsch. Es gibt laut Paul-Ehrlich-Institut verschiedene saisonale Impfstoffe gegen Influenza. Diese können sich in ihrer Wirksamkeit je nach Saison unterscheiden, etwa weil Virustypen sich verändern. Die Schutzwirkung der Influenza-Impfung sei daher zwar geringer als bei vielen anderen von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen, schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI).

Aber das RKI schreibt auch: "Bei einer sehr guten Übereinstimmung der zirkulierenden Influenza­viren mit dem Impfstoff wurde bei jungen Erwachsenen eine Schutzwirkung bis zu 80 Prozent beobachtet. Ältere Menschen haben oft eine reduzierte Immun­antwort, sodass die Impfung bei ihnen weniger zuverlässig wirkt. […] Dennoch können auch ältere Menschen ihr Risiko, an einer Influenza zu erkranken, im Mittel durch die Impfung in etwa halbieren. Dies bedeutet bei einer Wirksamkeit von 41 bis 63 Prozent bei älteren Erwachsenen: Wenn im Laufe einer Influenzasaison von 100 ungeimpften älteren Erwachsenen zehn an Grippe erkranken, erkranken von 100 geimpften älteren Erwachsenen nur etwa vier bis 6."

So ist der Stand in der Krebsforschung

Die Behauptung, es gebe "nach 100 Jahren Forschung" keine Impfstoffe gegen Krebs, ist größtenteils falsch. So ist die Forschung an Impfstoffen komplexer und schwieriger als beispielsweise die gegen das Coronavirus, weil sich Tumorzellen ständig weiterentwickeln. Dennoch gibt es Schutzimpfungen gegen Erreger, die indirekt Krebs verhindern und so die Zahl der durch Infektionen ausgelösten Krebsarten senken können, schreibt das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Auch eine Impfung gegen das Hepatitis-B-Virus existiert. Eine schwere Erkrankung an Hepatitis B kann bei einem chronischen Verlauf Leberkrebs auslösen, schreibt das RKI. Zudem gibt es "therapeutische Ansätze, die nach dem Prinzip einer Impfung funktionieren", wie die Deutsche Krebsgesellschaft erläutert. Das sind Impfungen, die durchgeführt werden, wenn eine Person bereits an Krebs erkrankt ist. Sie sollen den Krankheitsprozess günstig beeinflussen, beziehungsweise in frühen Stadien vielleicht sogar zu einer Heilung führen können. Mit der mRNA-Technik beschäftigt sich die Krebsforschung schon seit Jahren. Das Ziel ist: für jeden Krebspatienten eine individuell passende mRNA-Therapie zu entwickeln.

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Warum innerhalb weniger Monate ein Impfstoff gegen COVID-19 entwickelt werden konnte

Die Beiträge in sozialen Netzwerken suggerieren mit dem Vergleich mit anderen Erkrankungen, dass es zweifelhaft sei, dass Impfstoffe gegen das Coronavirus innerhalb kurzer Zeit entwickelt werden konnten.

Es gibt dafür jedoch verschiedene Gründe: Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) schreibt zur Beschleunigung des Verfahrens etwa auf seiner Webseite, die Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Impfstoffe sei enger gewesen und man habe die Prozesse effizienter gestaltet, "ohne Abstriche bei der Sorgfalt zu machen".

"Dies hat auch zu deutlichen Optimierungen der Verfahrensabläufe und einem Zeitgewinn bei der Entwicklung geführt." So seien Daten statt nach den klinischen Studien bereits parallel von der EMA ausgewertet worden ("Rolling-Review-Verfahren").

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