Tönnies-Vertreter Gereon Schulze Althoff erklärt den Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb des Unternehmens mit den gekühlten Räumen. Doch verbreitet sich das Virus bei Kälte tatsächlich besser? Falls ja, was erwartet uns dann ab Herbst?

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Mehrere Hundert Mitarbeiter des Schlachtereibetriebs Tönnies in Rheda-Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen haben sich mit dem Coronavirus infiziert. Wie konnte es dazu kommen?

Einer Expertin für Infektionskrankheiten zufolge ist es "extrem unwahrscheinlich", dass die Corona-Fälle auf Familienbesuche am Wochenende zuvor zurückgehen.

Tönnies-Vertreter Gereon Schulze Althoff erklärt sich den Corona-Ausbruch mit den gekühlten Räumen, in denen die Angestellten arbeiten müssen. Diese würden die Übertragung des Virus auf viele Personen fördern. Doch begünstigt die kalte Luft in Schlachthöfen tatsächlich die Ausbreitung des Erregers? Falls ja, was erwartet uns dann im Herbst, wenn die Temperaturen wieder sinken?

Drosten: "Virus wird bei Kälte besser übertragen"

Als weitgehend gesichert gilt, dass die Ausbreitung von SARS-CoV-2 derzeit durch einen Sommereffekt vermindert wird - allerdings wohl nur ein bisschen. Der Effekt beruht auf Faktoren wie UV-Licht, Wärme und darauf, dass sich Menschen nun eher draußen statt drinnen treffen.

Geschätzt könne dadurch eine halbe Einheit des Basisreproduktionswertes abgezogen werden, hatte der Berliner Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast erklärt. Ähnlich wie auch Grippeerreger sind Coronaviren generell im Winter am aktivsten. "Wenn es kälter wird, wird das Virus besser übertragen", bemerkte Drosten.

Eine vergangene Woche vorgestellte Studie hatte zudem Hinweise darauf ergeben, dass sich das Corona-Infektionsgeschehen besonders stark in Regionen mit ähnlicher Temperaturspanne und Luftfeuchtigkeit abspielt. Stark betroffene Städte hatten demnach 20 bis 30 Tage vor den ersten Coronatoten Durchschnittstemperaturen von fünf bis elf Grad und eine spezifische Luftfeuchtigkeit von drei bis sechs Gramm pro Kilogramm Luft. Klar ist aber auch, dass bei der Ausbreitung viele weitere Faktoren Einfluss haben - nicht zuletzt die jeweils getroffenen Schutz und Eindämmungsmaßnahmen.

UV-Licht macht Viren schneller unschädlich

Bekannt ist außerdem, dass UV-Licht Viren schneller unschädlich machen kann. Temperatur und Luftfeuchtigkeit beeinflussen, wie rasch die Tröpfchen verdunsten, über die das Virus etwa beim Sprechen, Singen oder Husten von Mensch zu Mensch getragen wird. Des Weiteren wird SARS-CoV-2 nach derzeitigem Kenntnisstand auch über Aerosole - winzige Tröpfchenkerne aus Flüssigkeit und Virenpartikeln - übertragen. Sie können lange in der Luft bleiben und sich in geschlossenen Räumen ansammeln.

Wie infektiös Aerosole unter Kühlhausbedingungen sind, lässt sich noch nicht sagen. Prinzipiell könnten sie sich in geschlossenen Räumen sogar über Stunden halten und infektiös sein, wie der frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, Gerhard Scheuch, sagte. Ein Atemstoß enthalte etwa Tausend Teilchen. "Draußen ist die Verdünnung stark, innen sammelt es sich."

Bei der Luftfeuchtigkeit deuteten erste Analysen darauf hin, dass in der kalten Jahreszeit womöglich Luftbefeuchter das Ansteckungsrisiko in Räumen verringern könnten, wie Stephanie Pfänder von der Ruhr-Universität Bochum erklärte.

Bei trockener Raumluft bleiben Viruspartikel länger infektiös

Denn von anderen Atemwegsinfektionen ist bekannt, dass trockene Raumluft die Tröpfchen mit Viruspartikeln eintrocknen lässt. So bleiben diese länger infektiös. Zudem kann der Körper solche Erreger bei feuchter Luft besser abwehren. Die hohe Luftfeuchtigkeit in Schlachthöfen dürfte die Verbreitung daher eher vermindern als verstärken.

Entscheidend ist: Die Dosis macht das Gift. Im Freien verflüchtigen sich ausgestoßene Viruswolken wesentlich rascher als in Innenräumen - so sie nicht sehr gut gelüftet werden. Virologe Drosten hält das vermehrte Zusammensein in geschlossenen Räumen im Winter für einen entscheidenden Faktor beim Ausbreitungsrisiko. Studien haben gezeigt, dass die Coronavirus-Konzentration innerhalb von Gebäuden meist höher ist als an öffentlichen Plätzen.

Kritisch wird es also vor allem, wenn Menschen sich wieder mehr drinnen als draußen treffen - was letztlich natürlich auch ein Temperatureffekt ist. Ob es im Herbst und Winter zu einem rasanten Anstieg der Fallzahlen kommen wird oder nicht, hängt Experten zufolge vor allem von der Zahl der Infizierten im Spätsommer ab. Also davon, wie gut es gelingt, Infektionsketten früh aufzuspüren und zu unterbrechen - und von unser aller Verhalten. Abstand bleibt das Gebot, so lange sich die Pandemie nicht durch Impfungen stoppen lässt. (dpa/lh)

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