Die Medienaufsicht ermittelt gegen den Gesundheitsminister und Google wegen eines möglichen Rechtsverstoßes beim staatlichen Internetportal gesund.bund.de. Was hat es damit auf sich, wie verhält sich das zu den neuen europäischen Vorschlägen zur Internetregulierung der Europäischen Union und was hat die Datenethikkommission dazu gesagt?

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Die EU-Kommission hat am 15.12.2020 neue Regelungsentwürfe für das Internet vorgestellt. Das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act) soll Netzdiensten unter anderem Pflichten für die Entfernung illegaler Inhalte, Vorkehrungen gegen vorschnelles Entfernen von Inhalten, Transparenzmaßnahmen und vieles mehr auferlegen.

Daneben soll ein Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act) Plattformen, die als "Torwächter" im Internet den Markt stören können, Grenzen setzen.

Das ist nötig, weil sie als Flaschenhälse zwischen Unternehmen und Verbrauchern fungieren oder gar ganze Märkte beherrschen. Solche Anbieter sind etwa große und weitverbreitete Suchmaschinen, soziale Netzwerke und Online-Vermittlungsdienste. Ihnen sollen unter Androhung hoher Bußgelder von bis zu 10 Prozent ihres Umsatzes unter anderem unlauterere Praktiken verboten werden. Diese können im Falle von Suchmaschinen etwa darin bestehen, Suchanfragen zu steuern, indem bestimmte Ergebnisse bei der Suche bevorzugt werden.

Haben Google und das Gesundheitsministerium gegen das Medienrecht verstoßen?

In Deutschland gilt eine derartige Grenze auch aktuell schon und zwar im sog. Medienstaatsvertrag, der seit dem 7.11.2020 auch Internetanbieter im Visier hat. Um die Vielfalt der Meinungen im Internet zu sichern, ist es Angeboten mit besonders großem Einfluss auf die Wahrnehmbarkeit von Netzinhalten verboten, bestimmte Inhalte zu bevorzugen und damit das Meinungsbild zu verfälschen. Das kann etwa geschehen, wenn ein Algorithmus ohne sachlichen Grund die Suchauswahl so verändert, dass zugunsten eines Angebots systematisch von der üblichen Ergebnisanzeige abgewichen wird oder wenn andere Angebote unzulässig behindert werden.

Ein solches Vorgehen vermutet die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH). Google bevorzuge nämlich Inhalte des Internetportals des Bundes gesund.bund.de gegenüber anderen Inhalten bei der Eingabe von gesundheitsrelevanten Suchbegriffen in die Suchmaschine. Die geschehe auf Grund einer Kooperation des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) mit Google etwa bei der Eingabe von Krankheiten wie "Asthma" oder "Migräne". Die staatlichen Vorschläge würden in der Ergebnisanzeige hervorgehoben.

Netzdienste dürfen Meinungen nicht bevorzugen

So wichtig die Meinung des Gesundheitsministeriums bei der Bekämpfung der Pandemie auch sein mag. Es ist nur eine Meinung unter vielen und jeder mündige Bürger muss sich selbst ein von Google unbeeinflusstes Bild davon machen können, wie er über Gesundheitsmaßnahmen in der Pandemie denkt.

Sucht man das Portal des Bundes selber auf, dann ist die Quelle eindeutig und die Herkunft einer Meinung transparent. Wird das Portal aber vom Algorithmus bevorzugt, ist das nicht neutral und die Transparenz aufgehoben. Genau dazu ist aber Google verpflichtet. Im Algorithmus muss sich die Vielfalt der Meinungen unbeeinflusst von äußeren Einflüssen oder entsprechend der Interessen von Google entfalten dürfen.

Der Lösungsvorschlag der Datenethikkommission

Dass Suchmaschinen und Soziale Netzwerke durch die Programmierung ihrer Algorithmen die freie Meinungsbildung beeinflussen können, hat vor einem Jahr bereits die Datenethikkommission der Bundesregierung als Gefahr für die Demokratie identifiziert. Zur Abhilfe hat sie in Handlungsempfehlung 66 ihres Abschlussgutachtens vorgeschlagen, dass Anbieter mit Torwächterfunktion dazu verpflichtet werden sollen, Nutzern "zumindest als zusätzliches Angebot auch einen Zugriff auf eine tendenzfreie, ausgewogene und die plurale Meinungsvielfalt abbildende Zusammenstellung von Beiträgen und Informationen zu verschaffen."

Dieser Vorschlag packt das Problem bei der Wurzel, weil er Vielfalt ermöglicht. Er bietet eine Lösung an, die den "Torwächtern" vielleicht nicht gefallen wird, weil sie bei der Programmierung ihrer Algorithmen nicht mehr frei schalten und walten können. Dafür schützt der Ansatz die freie Willensbildung gegen die Einflüsse von Google, Facebook & Co. und darauf kommt es an.

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