Schwerer Stahl, große Karosserie - für die einen sind SUVs schicke Autos, für die anderen ein Feindbild. Nach dem Unfall in Berlin, bei dem vier Menschen starben, kocht die Debatte um die Fahrzeuge wieder hoch. Was man dazu wissen sollte.

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SUV - das war einmal ein neuartiges Auto-Segment, das Kürzel klang irgendwie nach Freiheit und Abenteuer. Heute ist SUV (Sport Utility Vehicle) ein Kampfbegriff, für manche gar ein Feindbild - nicht erst seit dem verheerenden Unfall in Berlin, der vier Menschen das Leben kostete.

Doch jetzt, wenige Tage vor der Automesse IAA, spitzt sich die Debatte zu, wird schriller. "Profit", "Panzer", "Protzerei", tönt es, "Klimasünder" sowieso. Gefordert werden Verbote, Obergrenzen, Strafsteuern.

Was ist eigentlich ein SUV?

SUV werden oft Sportgeländewagen genannt, sind aber keine Geländewagen im eigentlichen Sinne - auch wenn sie äußerlich daran erinnern.

Pkw-Modelle mit Offroad-Charakter definiert das Kraftfahrt-Bundesamt als SUV, wenn sie kein Allrad und keine Differentialsperre haben, was das Durchdrehen der Räder im Gelände verhindern würde, und eine bestimmte Bodenfreiheit unterschritten wird.

Das beginnt bei kompakten Modellen wie Nissan Quashqai und reicht bis zu Mercedes GLK und BMW X4.

Andere Modelle von VW Tiguan bis zur Oberklassekarosse Audi Q7 werden als Geländewagen geführt - auch der Porsche Macan, wie das Unfallfahrzeug von Berlin, den der Hersteller aber SUV nennt.

"Die meisten SUV, 70 oder 80 Prozent, sind Mittelklassefahrzeuge, sind Kompaktfahrzeuge-, sind Kleinwagengrößenfahrzeuge", sagt der Autoexperte der Uni Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer.

Gibt es in Deutschland besonders viele SUVs?

Es werden jedenfalls immer mehr. Im August kauften die Deutschen laut Kraftfahrt-Bundesamt erstmals mehr SUVs als jede andere Fahrzeugkategorie: 22 Prozent aller Neuzulassungen fielen in dieses Segment, weitere 10 Prozent waren Geländewagen.

Der Bestand wächst also: Zu Jahresbeginn waren 6,7 Prozent SUVs und 5,1 Prozent Geländewagen.

Ein Neuwagen hat nach Studien heute im Schnitt gut 150 PS unter der Haube - ein Kritikpunkt von Umweltschützern. Denn so sinkt der Schadstoffausstoß nicht, obwohl die Motoren immer effizienter werden.

Warum kaufen so viele Menschen solche Autos?

"Es ist mittlerweile so, dass der SUV in der Mitte der Gesellschaft bei den Autofahrern angekommen ist", sagt der Autoexperte Dudenhöffer.

Das habe auch damit zu tun, dass Neuwagenkäufer heute im Schnitt älter als seien als 55 Jahre. Diese Kunden suchten Autos, in die sie bequem einsteigen können. "Da ist der SUV ein ideales Fahrzeug." Weil man höher sitze, fühle man sich subjektiv auch sicherer. Das Design spiele auch eine Rolle. "Natürlich sieht es durch die größeren Reifen sportlicher aus, dynamischer."

Warum werden solche großen Autos gebaut?

Weil die Kunden es wollten, sagen die Hersteller. "Wenn wir es nicht tun, tun es andere", sagte Daimlers Vertriebschefin Britta Seeger erst am Vorabend des Unfalls bei einer Diskussion in Berlin.

Umweltschützer und Vertreter von Radfahrern und Fußgängern vermuten aber auch, dass die Konzerne die Wünsche erst weckten. Nach einer Studie für Greenpeace, über die das "Handelsblatt" berichtete, stecken die Hersteller jeden zweiten Werbe-Euro in Reklame für SUVs und Geländewagen.

Die Rendite in dem boomenden Segment gilt als hoch: An einem SUV verdienen die Autobauer in der Regel mehr als an einem Kleinwagen. Bei BMW sei schon jeder zweite verkaufte Wagen ein SUV, teilte der Autobauer am Montag mit.

Wie dreckig sind diese Fahrzeuge?

Im Durchschnitt sind SUVs etwas schwerer, verbrauchen also auch mehr und stoßen mehr Schadstoffe aus. Branchenexperte Dudenhöffer hat es einmal untersucht.

Im ersten halben Jahr haben neu zugelassene SUVs im Durchschnitt 144,1 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausgestoßen - nach Herstellerangaben. Das entspricht einem Verbrauch von 6,2 Litern Sprit auf 100 Kilometer.

Das war etwas mehr als der Durchschnitt aller Pkw-Neuwagen: Er lag bei 133,4 Gramm und 5,6 Liter. Große Geländewagen liegen häufig deutlicher darüber als SUV.

Sind SUVs gefährlicher als andere Autos?

Gefahr geht zunächst einmal vom Fahrer aus. Kommt es zum Unfall, spielen Tempo, Beschleunigung und Gewicht eines Fahrzeugs eine Rolle.

Der Unfallforscher der deutschen Versicherer, Siegfried Brockmann, nimmt als Beispiel einen Zusammenstoß mit einem Kleinwagen. "Da darf man davon ausgehen, dass der SUV-Fahrer im Zweifel die besseren Karten hat."

Bedeutender als das Gewicht sei aber die Geschwindigkeit. Ein Polo mit Tempo 70 sei für Fußgänger und Radfahrer gefährlicher als ein SUV mit 40 Kilometern pro Stunde.

Wie sieht die Unfallstatistik für SUVs aus?

In einem Wort: unauffällig. Ob zu schnelles Fahren, zu geringer Abstand oder fehlerhaftes Überholen - Fahrer von SUVs und Geländewagen sind nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts für etwa zwei bis rund dreieinhalb Prozent dieser Unfälle verantwortlich.

Unfällen mit Personenschaden sind nach der Statistik rund drei bis fünf Prozent von SUV- oder Geländewagenfahrern verursacht worden. Das ist jeweils weniger als der Anteil, den diese Fahrzeuge jeweils am gesamten Autobestand haben.

Wie reagiert die Politik nach dem SUV-Unfall in Berlin?

Der Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Oliver Krischer, forderte nach dem Unfall in Berlin eine Obergrenze für SUVs in den Innenstädten. Wie sie genau ausgestaltet und durchgesetzt werden soll, blieb zunächst offen.

"Ob das eine City-Maut, höhere Parkgebühren oder gestaffelte Preise für CO2-Ausstoß ist, diskutieren wir gerade intensiv", sagte die Fraktionschefin der in der Hauptstadt mitregierenden Grünen, Antje Kapek.

Aus FDP und CDU kam dagegen Kritik daran, der Unfall werde für politische Forderungen instrumentalisiert. Das Bundesverkehrsministerium erklärte, zunächst müsse die Unfallursache geklärt werden. (jwo/dpa)

Grüne wollen SUV aus der Stadt verdammen

Die Diskussion über die Sinnhaftigkeit der sogenannten Fahrzeuggattung SUV hat die Bevölkerung schon immer gespalten. Ein Unfall in Berlin mit vier Toten mündet in drastische Forderungen seitens der Gegner der mächtigen Karossen.
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