Nach zwei Jahren Umbaupause nehmen Forscher ihre Experimente im Large Hadron Collider (LHC) an der europäische Organisation für Kernforschung Cern bei Genf wieder auf. In dem riesigen Teilchenbeschleuniger schießen Wissenschaftler Protonen aufeinander. Über die vielen Fragen rund um den LHC sprachen wir mit Heinrich Päs, Dortmunder Professor für Theoretische Physik.

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Das Cern hat in den vergangenen zwei Jahren den Teilchenbeschleuniger LHC umgebaut. Was ist in dieser Zeit passiert?

Heinrich Päs: Das Hauptziel war, den LHC auf seine Maximalenergie vorzubereiten. Bisher ist der Teilchenbeschleuniger mit der halben Energie gelaufen und hat tolle Ergebnisse erzielt, wie etwa, dass Forscher höchstwahrscheinlich das Higgs-Teilchen nachgewiesen haben. Jetzt ist er auf die maximale Energie erhöht worden. Die Wissenschaftler hoffen dadurch, neue Teilchen zu entdecken.

Was passiert bei den Experimenten im LHC genau?

Es werden in dem Ringbeschleuniger zwei Protonen beschleunigt und aufeinander geschossen. Die oft erwähnte Schwerpunktsenergie spielt dann eine Rolle. Das ist die Energie, die bei dieser Kollision frei wird und neue Teilchen erzeugen kann.

Was spielt sich im Inneren des Rings ab, wenn die Protonen aufeinander geschossen werden?

Dort gibt es verschiedene elektrische Felder und Magnetfelder, die einerseits die Teilchen beschleunigen, aber sie auch auf der Bahn halten. In den Detektoren werden die Teilchen dann zur Kollision gebracht. Durch die freiwerdende Energie entstehen viele verschiedene Abfallprodukte, die bei den Experimenten nachgewiesen werden sollen.

Es geht dabei um winzigste Teilchen, die man selbst mit dem Mikroskop nicht sehen kann. Wie weisen Forscher diese Partikel nach?

Es kommt auf die Sorte an. Aber typischerweise hat so ein Teilchen eine elektrische Ladung und kann ionisieren. Bei klassischen Detektoren ionisiert das Teilchen in der Luft. Die Elektronen werden dabei aus den Atomhüllen geschlagen und dann existiert eine Spannung, so dass die Elektronen bei den Messungen abgesaugt werden können. Dieses elektronische Signal können die Forscher nachweisen.

Stimmt das so: Je mehr Energie ich in die Experimente reinstecke, umso interessantere Ergebnisse bekomme ich?

Man will immer kleinere Unterstrukturen entdecken. Je kleiner etwas ist, umso mehr Energie muss man dabei aufwenden. Einen Tisch kann man noch per Hand zersägen, bei chemischen Elementen brauchen Wissenschaftler chemische Mittel. Bei Atomen benötigen sie noch mehr Energie und hier beim LHC geht es um noch kleinere Strukturen, da sind sehr hohe Energien im Spiel.

Bei LHC-Experimenten ist das Higgs-Teilchen wahrscheinlich nachgewiesen worden, das den Elementarteilchen die Masse zuweist. Sind damit alle Rätsel der Masse gelöst oder geht die Forschung damit erst richtig los?

Da gibt es das Standardmodell, nach dem das Quantenfeld des Higgs-Teilchens die Massen der Elementarteilchen durch eine Art Reibung erzeugt. Somit hätten wir vollständig verstanden, wie Masse erzeugt wird. Wir Forscher hoffen jedoch, dass am LHC neue Teilchen entdeckt werden, die im Standardmodell nicht vorgesehen sind, das Modell erweitern und weitere offene Fragen erklären.

Der LHC steht auch mit dem Urknall in Verbindung. Wie kommt das zustande?

Das Universum dehnt sich aus. Aber am Anfang herrschten hohe Temperaturen und Energien. In diesem Plasma waren die Strukturen aufgebrochen, es gab Elementarteilchen. Der LHC arbeitet auch mit hohen Energien, also simuliert er die Bedingungen, wie sie im frühen Universum vorherrschten.

Am LHC betreiben Wissenschaftler Grundlagenforschung, aber gibt es vielleicht trotzdem praktische Anwendungen aus den Forschungsergebnissen?

Ja, es gibt sogenannte Spin-Offs, also Ableger-Technologien. Die Experten testen zum Beispiel bei den Experimenten technische Grenzen aus. Es geht aber auch um Informationsverarbeitung von großen Datenmengen und die Art der Magnete ist neuartig. Nicht zuletzt ist das World Wide Web am Cern entwickelt worden, um dort die Daten zu verarbeiten. Und das Internet ist heute nicht mehr aus dem Leben wegzudenken.

Heinrich Päs ist Professor für Theoretische Physik an der Technischen Universität Dortmund und hat unter anderem mit seinem Buch "Die perfekte Welle" auch für Laien nachvollziehbar gezeigt, dass die Grenzen von Raum und Zeit nicht so starr sind, wie wir allgemein glauben.
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