Wie lernt der Mensch am besten? "Durch das Formen von Assoziationen", sagt Professor Thomas Klausberger im Interview mit unserem Portal. Der Leiter der Abteilung für kognitive Neurobiologie am Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien sieht das spielende Lernen im Kleinkindalter als besonders wichtig.

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Was braucht der Mensch, um Informationen gut aufnehmen zu können?

Thomas Klausberger: Wichtig sind Assoziationen. Dabei werden neue und bestehende Informationen vernetzt. Das ist quasi die klassische Eselsbrücke: Die merkt man sich, weil Inhalte in Zusammenhängen dargestellt werden. Unabhängige Inhalte werden nicht so leicht abgespeichert, denn isolierte Informationen kann der Mensch nicht verarbeiten.

Was bedeutet das für den Schulalltag?

Wichtig ist, dass man etwas in einen Zusammenhang stellt. So ist der Unterricht im Idealfall multidisziplinär und fächerübergreifend. Die Uhrzeiten, zu denen Menschen am besten lernen, sind individuell unterschiedlich. Man kann auch nicht verallgemeinern, wie lange sich Menschen – in diesem Fall also Schüler – konzentrieren können. Das ist absolut von der Person abhängig. Natürlich ist individualisiertes Lernen demnach ein wünschenswertes Ziel. Wie das realisierbar ist, kann ich nicht sagen. Ich bin Wissenschaftler und kein Bildungsexperte.

Wie stehen Sie zum Frontalunterricht?

Ich denke, dass es heute notwendig ist, große Mengen an Wissen zu erwerben. Die Forschung ist weiter denn je – der Mensch muss sich mehr merken um im Beruf bestehen zu können. Wir haben die Möglichkeit, Informationen viel schneller zur Verfügung zu haben. Ein Medizinstudent vor 40 Jahren musste noch sezieren, heute kann er vieles per Computer lernen. Ich möchte den Frontalunterricht jedenfalls nicht verteufeln, denn er ist ein gutes Instrument um schnell viel Wissen zu vermitteln. Aber natürlich ist es wichtig, dass Kinder nicht nur lernen zu antworten. Sie sollen auch lernen Fragen zu stellen.

Sie sagen, dass der Mensch heute mehr wissen muss als noch vor 30 Jahren. Hat das Gehirn die Kapazitäten dafür?

Ja, das Gehirn hat sehr große Kapazitäten. Das Bild von der Festplatte, die wir nur zu 20 Prozent verwenden, ist allerdings falsch. Unsere Zellen im Gehirn arbeiten rund um die Uhr, alle Nervenzellen werden verwendet. Unser Gehirn kann aber nie voll sein, es kann jederzeit zusätzliche Informationen verarbeiten. Wir haben hierfür nahezu unendliche Möglichkeiten.

Ab welchem Alter wird es schwieriger zu lernen?

Die Plastizität des Gehirns ist immer gegeben. Aber mit dem Alter wird es schwieriger. Die Synapsen, also die Verbindungen zwischen den Nervenzellen, können verstärkt oder abgeschwächt werden. Das ist die Grundlage des Lernens. Die Fähigkeit, die Synapsen zu verändern, nimmt mit dem Alter ab. Das heißt aber nicht, dass man dann nicht mehr lernen kann. Je mehr man seine Synapsen verwendet und trainiert, desto besser ist es. Das beste Mittel gegen Demenz oder Alzheimer ist demnach geistig rege zu bleiben, etwa einen Sprachkurs in der Pension zu machen oder sich ein Hobby zu suchen.

Mit anderen Worten: Frühförderung ist ganz besonders wichtig?

Ja. Egal ob Eltern, Großeltern, Krabbelstube und Kindergarten: Das spielende Lernen ist für unsere Kinder besonders wichtig. Im Kindergarten kann noch vieles aufgeholt werden, was eventuell zu Hause nicht geleistet werden kann – aus welchen Gründen auch immer. Soziale Unterschiede lassen sich hier wohl noch am besten ausgleichen. Verstehen Sie mich nicht falsch, es geht nicht darum, dass Kinder im Kindergarten das Lesen oder das Rechnen lernen. Es geht darum spielend Erfahrungen und Entdeckungen zu machen und Fragen stellen zu lernen.

Professor Thomas Klausberger leitet die Abteilung für kognitive Neurobiologie am Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien.
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