Mit der Rosetta-Mission erleben wir ein gigantisches wissenschaftliches Projekt. Die Sonde "Rosetta" ist mehr als zehn Jahre lang zum Kometen "Tschuri" gereist. Die Forscher konnten aus 500 Millionen Kilometern Entfernung den Lander "Philae" auf die Oberfläche des Kometen navigieren, um die chemische Zusammensetzung des Himmelskörpers zu untersuchen. Doch wofür genau wird dieser ganze Aufwand betrieben? Der Spezialist für Geobiologie Prof. Dr. Gert Wörheide erwartet bahnbrechende Erkenntnisse aus der Rosetta-Mission.

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Prof. Wörheide, was ist die ganz große Erkenntnis, nach der wir mit der Rosetta-Mission suchen?

Prof. Wörheide: Eine der grundlegenden Fragen der Wissenschaft ist, wie das Leben auf der Erde entstanden ist. Wir gehen ja davon aus, dass die Erde vielleicht der einzige Ort in unserem Sonnensystem ist, wo es Leben gibt. Und man weiß nicht, wo dieses Leben entstanden ist. Dazu gibt es verschiedenste Theorien aber keine ist im Augenblick so richtig belegt.

Eine dieser Theorien besagt, dass das Leben gar nicht direkt auf der Erde entstanden ist, sondern dass zum Beispiel bestimmte Aminosäuren, also die Bausteine der DNS, durch Kometen aus dem All auf unseren Planeten getragen wurden. Darauf hat man auch schon Hinweise in Kometenschweifen entdeckt. Aber solche spektroskopische Analysen geschehen auf die Entfernung, es fehlt noch der direkte Zugang. Und deswegen ist diese Mission so außergewöhnlich. Dadurch, dass der "Philae" gelandet ist, kann durch die Beprobung der obersten Schichten die Zusammensetzung dieses Kometen genauer erfasst werden. Und dadurch kann man dort eben unter Umständen auch organische Moleküle feststellen, die man jetzt von der Erde durch die Beobachtung der Schweife vielleicht nicht unbedingt erfassen kann.

Es heißt, Philae habe organische Moleküle gefunden. Ist das jetzt schon der erhoffte Beweis?

Nein, da würde ich jetzt erst mal warten, bis die ganzen Daten ausgewertet sind und mich nicht auf solche Schnellschüsse verlassen. Da müsste man wirklich erst eine wissenschaftliche Publikation sehen, in der das wirklich belegt ist. Dass man Hinweise gefunden haben könnte, glaube ich auf jeden Fall. Und das ist natürlich schon eine super Sache. Aber ich glaube, dass man da erst auf die komplette Analyse der Daten warten muss und schauen, welche organischen Verbindungen genau gefunden wurden.

Wenn "Tschuri" tatsächlich organische Moleküle enthält, ist das dann tatsächlich ein Hinweis darauf, dass die Bausteine des Lebens aus dem All kommen? Können auf der Erde nicht die gleichen Prozesse stattgefunden haben?

Die Erde in ihrem Urzustand war ein magmatischer Feuerball. Diese Moleküle können da gar nicht entstanden sein. Stellen Sie sich das vor wie ein großer See aus geschmolzenem Gestein. Da wären die ganzen Kohlenstoffverbindungen sofort weg. Das hätte erst entstehen können, nachdem die Erde abgekühlt ist und sich Wasser gebildet hat. Und wir wissen auch, dass das Wasser, das wir heute auf der Erde haben, zu einem großen Teil aus dem Weltall gekommen gekommen ist - in Form von solchen Kometen. Und es kann sein, dass diese Lebensbausteine auch mit auf die Erde gebracht wurden.

Welche Überraschungen könnten die Analyse-Ergebnisse bringen?

Es gab ja schon Berichte über Meteoriten, in denen man angeblich Bakterien gefunden hat. Irgendwelche eingefrorenen Lebensformen in einem Kometen: Das wäre natürlich der Knaller, das wäre die Sensation. Aber ob es soweit ist, das kann man jetzt natürlich noch nicht sagen.

Wenn organische Verbindungen auf dem Kometen nachgewiesen werden, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass es Leben außerhalb der Erde gibt?

Bloß weil organische Moleküle in so einem Kometen zu finden sind, ist jetzt nicht gesagt, dass wir irgendwie Aliens irgendwo anders haben. Da ist kein kausaler Zusammenhang zu machen. Das könnte sein, das muss aber nicht so sein. Nur die Frage nach dem Ursprung des Lebens oder der organischen Moleküle verlagert sich von der Erde ins Weltall und das ist noch eine ungelöste Frage.

Wie müsste die Nachricht lauten, die uns von der ESA erreichen würde, damit ganz großer Jubel ausbricht?

Die spektakulärste Nachricht wäre natürlich, dass da irgendwelche Lebensformen im Eis des Kometen eingefroren gefunden worden sind. Das halte ich aber für unwahrscheinlich. Das wäre natürlich die absolut spektakulärste Nachricht, die man erwarten könnte. Aber schauen wir mal.

Prof. Dr. Gert Wörheide hält den Lehrstuhl für Paläontologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und ist Direktor der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie.
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