Entführt, geschlagen, misshandelt: 2014 wird die Jesidin Jinan von Kämpfern des sogenannten "Islamischen Staates" entführt. Ihr Martyrium hat sie überlebt. In ihrem Buch "Ich war Sklavin des IS" schildert sie einen Schrecken, den sich kaum jemand auszudenken vermag.

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Jinan
"Jinan. Ich war Sklavin des IS", 208 Seiten, mvgverlag, 14,99 €. © mvgverlag

18 Jahre ist die Irakerin Jinan alt, als sie in die Fänge des "Daesh" gerät.

In ihrem Buch "Ich war Sklavin des IS", das jetzt auch in deutscher Übersetzung erhältlich ist, erzählt die Jesidin von ihrem mehrmonatigen Martyrium in IS-Gefangenschaft, von brutalen Kerkermeistern, Vergewaltigern und Henkern.

Sie beschreibt die unsägliche Angst vor der Perversität der IS-Milizen, vor der rohen Gewalt menschenverachtender Dschihadisten.

Bewegende Schilderung einer Versklavung

Fesselnd und bewegend schildert Jinan ihre Geschichte, die einer unbescholtenen jungen Frau. Einer 18-Jährigen, die vor ihrer Versklavung wohlbehütet aufgewachsen ist und das große Glück hatte, sich ihren Ehemann selbst auswählen zu dürfen.

Jinan ist eine Irakerin jesidischen Glaubens, die innerhalb weniger Wochen zur einer Frau heranreift, die unvorstellbares Leid ertragen und gesehen hat. Sie erzählt, wie Frauen auf das Schlimmste misshandelt wurden.

Jinans Martyrium beginnt, als Milizen des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) ihr Dorf angreifen. Die 18-Jährige muss fliehen.

Zusammen mit der Familie ihres Mannes sucht sie zunächst ihr Heil im Sindschar-Gebirge. Doch die Familie wird schon bald zusammen mit anderen Dorfbewohnern vom IS gefangen genommen.


"Ein Synonym für die Hölle"

Für die Jesiden beginnt eine Odyssee: Wie Tiere werden die Gefangenen von Ort zu Ort gekarrt und schließlich nach Frauen und Männer getrennt.

Aus Angst vor Vergewaltigungen wäscht sich Jinan nicht mehr, trägt immer das selbe Kleid. Sie ekelt sich vor sich selbst.

Im Gefängnis von Badush wird Jinan aufgrund der Strapazen und mangelnder Hygiene schwer krank. Das Zuchthaus ist ein "Synonym für die Hölle", meint Jinan in ihrem Buch, das sie zusammen mit dem französischen Journalisten Thierry Oberele verfasst hat.

Badush jage allen Frauen und Mädchen Angst ein. "Ich habe das Gefühl, in die tiefste Finsternis hinabzusteigen."

Jinan kommt in ein Krankenhaus. Wie Dutzende Frauen zuvor wird sie als Sexsklavin verkauft. An zwei Männer – an einen ehemaligen Polizisten und einen Imam.

Zusammen mit fünf anderen Frauen und Mädchen erlebt sie dort das nächste Grauen. "Wir fürchten die brutale Gewalt von Abu Anas und sind auf der Hut vor der Perversität Abu Omars."

In ihrer Gefangenschaft wird sie mit Nahrungsentzug und unter Androhung von Stromstößen gewaltvoll gezwungen, zu konvertieren.

"Ich werde dich an den Strom anschließen. (…) Ich werde das braune Kabel an deinem Ohr befestigen das grüne an deinen Geschlechtsteilen. (…) Deine Haut wird sich schuppen wie ein Fisch", droht einer der Angreifer einer Mitgefangenen, wie Jinan erzählt.

"Während wir gefesselt in der prallen Sonne sitzen, zwingen sie uns, aus dem Gefäß, mit den toten Mäusen zu trinken", berichtet sie in ihrem Buch weiter. Die Frauen passen sich schließlich den Umständen an. Sie gehorchen.


"Ich will sterben oder fliehen"

Gequält aber werden sie weiter. Jinan erlebt, wie ihre Freundinnen "des Widerstandes" vergewaltigt und schwer verletzt werden. Auch müssen sie sich mit ihren Peinigern Propagandafilme des IS anschauen, in dem Menschen geköpft werden.

In dem Haus ihrer Kerkermeister gehen Kämpfer und Menschenhändler ein und aus. Jinan berichtet, wie Frauen dort wie Vieh feilgeboten werden.

"Ich nehme Deine Baretta-Pistole für die Brünette", soll einer der Händler gesagt haben. "Falls du eine Barzahlung bevorzugst, macht das 150 Dollar."

Jinan versinkt nach und nach in Selbstmitleid. "Dunkle Gedanken schwirren in meinem Kopf herum. Ich will sterben oder fliehen." Letzteres gelingt ihr mit viel Glück.

Die Frauen finden einen Schlüsselbund und entkommen in einer Nacht- und Nebelaktion ihren Peinigern.

Jinan findet sogar ihren Mann Walid wieder, von dem sie inzwischen ein Kind erwartet. Ein Happy End - für Jinan.

Fazit:

Dieses Buch ist nichts für schwache Nerven. Es führt in eine Welt perfider, menschlicher Abgründe. Es lässt mit Jinan weinen, bangen, verzweifeln, hoffen.

Mal fühlt man sich wie die Protagonistin der Ohnmacht nahe, mal empfindet man unsägliche Verachtung für die Männer des IS.

Die Schilderungen der jungen Jesidin sind so ergreifend, dass man ein ums andere Mal das Buch zur Seite legen muss, um sich zu sammeln.

Trost spendet allein die Tatsache, dass Jinan ihr Martyrium überleben und ihre Geschichte der Welt erzählen wird: ein mitreißender Bericht, Anklage und Hilferuf zugleich.

Denn nicht viele Frauen und Mädchen haben das Glück, dem Grauen in den Fängen des "Islamischen Staats" zu entkommen.

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