• Der Preis für Gas befindet sich auf einem langjährigen Hoch.
  • Es kommen mehrere Faktoren zusammen, die den Preis zuletzt stark in die Höhe getrieben haben.

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Gas ist teuer geworden: Die Kosten für Erdgas sind bereits seit Ende 2020 gestiegen und haben im Oktober 2021 einen langjährigen Höchststand erreicht. Das betrifft viele Menschen: "Jeder zweite Haushalt in Deutschland heizt mit Gas", sagt Ines Rutschmann, Finanztip-Expertin für Energie. Rund 85 Prozent des Gasverbrauchs in einem Haushalt entstehen durch das Heizen.

Wie setzt sich der Gaspreis zusammen?

Wie hoch der Gaspreis ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Dafür ist es wichtig zu wissen, wie der Gaspreis überhaupt entsteht. "Er setzt sich aus drei Kostenblöcken zusammen", sagt die Expertin:

Beschaffung: Rund 40 Prozent der Kosten für das Gas gehen an den jeweiligen Gasanbieter. "Den größten Teil wendet er auf, um Gas auf dem Großmarkt oder direkt bei einem Anbieter einzukaufen und teilweise zu speichern", sagt Rutschmann. In diesen Kosten steckt auch der Teil, den ein Gasanbieter als Gewinn erwirtschaftet.

Netzentgelt: Etwa ein Viertel der Gasrechnung gibt der Gasanbieter an den Netzbetreiber weiter. Dieser sorgt dafür, dass das Gas bis zum Haus transportiert wird und über den Gaszähler läuft, der den Verbrauch misst.

Steuern, Abgaben und Umlagen: Ein Teil des Gaspreises geht darüber hinaus an den Staat. "Auf den Nettopreis werden 19 Prozent Mehrwertsteuer aufgerechnet", sagt die Expertin. Hinzu kommen für jede verbrauchte Kilowattstunde 0,55 Cent Erdgassteuer und der CO2-Preis, der aktuell pro Kilowattstunde 0,46 Cent beträgt und sich bis 2026 jährlich erhöht. "Zudem erhalten die Kommunen eine Konzessionsabgabe, damit der Netzbetreiber den Boden der Gemeinden für das Gasnetz nutzen darf", sagt die Expertin.

Was hat den größten Einfluss auf den Preis?

"Es hängt vor allem von den Beschaffungskosten für Erdgas ab, wie hoch die Gaspreise für die Verbraucher sind", sagt die Expertin. Aktuell ist der Gaspreis mit mehr als 4 Cent pro Kilowattstunde auf einem langjährigen Höchststand. "Wegen der hohen Beschaffungskosten werden sich die Preise für alle Verbraucher erhöhen oder wurden bereits erhöht", sagt Rutschmann.

Einen Einfluss auf die Gaspreiserhöhung haben natürlich auch die Netzentgelte wie auch der CO2-Preis auf Erdgas. "Sinken im Gegenzug nicht Netzentgelte oder die Beschaffung, wird Erdgas immer teurer werden", sagt Rutschmann.

Warum ist die Beschaffung von Erdgas aktuell so teuer?

Mike Fulwood vom Oxford Institute für Energy Studies hat mit seinem Kollegen Jack Sharples untersucht, warum die Beschaffung von Gas aktuell so teuer ist. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass eine Kombination verschiedener Faktoren den Gaspreis in die Höhe getrieben hat. Im Kern handelt es sich dabei um eine Verknappung bei der Förderung auf der einen und um eine gestiegene Nachfrage auf der anderen Seite:

  • Die Nachfrage nach Gas hat insbesondere in Asien stark zugenommen. Dort hat sich die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder erholt. Insbesondere China hat in den ersten acht Monaten des Jahres mehr als 30 Prozent mehr verflüssigtes Erdgas aufgekauft als im Vergleichszeitraum 2019. Insgesamt fließt Erdgas verstärkt nach Asien, weil dort die Gaspreise höher sind und damit auch die Gewinne für die Anbieter.
  • Der Winter 2020/2021 war relativ kalt, sodass der Verbrauch auf der nördlichen Halbkugel höher war als in den Jahren zuvor. Dadurch sind die Speicher vielerorts leer und auch zu Beginn des Winters jetzt noch nicht wieder voll. Viele Versorger kaufen deshalb jetzt größere Mengen Gas, um sie aufzufüllen. Das führt zu einer weiteren Verknappung.
  • Die Gasproduktion innerhalb von Europa ist von Januar bis August 2021 im Vergleich zu 2019 um 12,5 bcm (billion cubic metres) zurückgegangen. Das liegt zum Teil daran, dass geplante Wartungsarbeiten an Anlagen aus dem Sommer 2020 wegen der Corona-Situation auf 2021 verschoben worden sind.
  • Darüber hinaus hat die Gasgewinnung in den Niederlanden stark abgenommen: Das Land hat die Gasproduktion gedrosselt und steigt komplett aus der Gasproduktion aus. Hintergrund ist, dass es in der Region rund um Groningen, in der viel Gas gefördert wird, immer wieder zu Erdbeben kommt.
  • Europa wird über Pipelines aus verschiedenen Ländern mit Gas versorgt. Aus Russland gab es den stärksten Rückgang. Vor allem durch die Ukraine floss deutlich weniger Gas nach Europa als noch 2019. Manche Experten vermuten, dass der russische Konzern Gazprom bewusst Gas zurückhält, um Druck wegen der umstrittenen Pipeline Nordstream 2 zu machen – oder auch um die hohen Preise durch eine künstliche Verknappung aufrechtzuerhalten. Ebenso möglich ist aber auch, wie Fulwood und Sharples herausstellen, dass Gazprom kein schlicht überschüssiges Gas hat, das es über die vertraglich zugesicherte Menge hinaus nach Europa transportieren könnte. Gazprom würde es sicherlich nicht öffentlich zugeben, wenn es Probleme gäbe, die Nachfrage zu bedienen, während bei voller Kapazität Gas gefördert werde, heißt es in der Studie.

Wie wird der Preis sich weiter entwickeln?

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Preise nicht wieder so stark sinken werden wie im vergangenen Jahr, als Erdgas extrem günstig war. "Die Preise sind aktuell nicht auf einem Allzeithoch, sondern wir haben das Preisniveau von 2014 beziehungsweise 2015 erreicht", sagt Rutschmann. "Vor zehn Jahren war der Gaspreis sogar noch höher als aktuell. Vielleicht haben wir uns in den vergangenen Jahren zu schnell daran gewöhnt, dass Gas billig ist."

Die Kosten für die Beschaffung von Gas werden aber nicht dauerhaft auf dem hohen Niveau bleiben, auf dem sie aktuell sind. So werden etwa die Wartungsarbeiten an Anlagen bald abgeschlossen sein und auch das Angebot an verflüssigtem Erdgas wird steigen, weil in entsprechende Anlagen und Infrastruktur investiert wird.

Das zeigt auch ein Blick auf die Energiebörse Powernet: "Lieferanten, die im Oktober 2021 für Herbst 2022 einkaufen, zahlen nur noch die Hälfte", sagt Rutschmann. "Ich gehe davon aus, dass die Preise in den nächsten Monaten auch wieder fallen."

Auf lange Sicht wird es aber eine Kostensteigerung beim Gas geben. "Die Gasbranche will vom Erdgas weg und grünes Gas liefern", sagt die Expertin. "Dafür ist ein erheblicher Umbau der Infrastruktur nötig, um die Gewinnung von grünem Wasserstoff und grünem Methan zu ermöglichen. Ich erwarte mindestens eine Verdoppelung der Gaspreise bis 2030 oder spätestens 2040."

Über die Expertin: Ines Rutschmann ist Energieexpertin beim unabhängigen Geldratgeber Finanztip. Sie befasst sich damit, wie sich die Preise für Strom und Gas entwickeln und wie Verbraucher ihre Kosten möglichst niedrighalten können.

Verwendete Quellen:

  • Anfrage bei Ines Rutschmann von Finanztip
  • Finanztip: Gaspreise: So teuer ist Gas jetzt und in Zukunft
  • Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle: Erdgasstatistik
  • The Oxford Institute for Energy Studies: Mike Fulwood, Jack Sharples: Why are Gas Prices so high? Oxford Energy Comment
  • Center for Strategic and International Studies: Nikos Tsafos: Lessons from the Rally in European Energy Prices
  • Statistisches Bundesamt: Strom- und Gaspreise für Haushalte im 1. Halbjahr 2021 um jeweils 4,7 % gestiegen
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