• Unregelmäßige Schichten, zu lange Lenkzeiten und unkomfortable Schlafplätze: Lkw-Fahrer, die für Subunternehmen von Amazon arbeiten, berichten von ihren Arbeitsbedingungen.
  • Das Recherchezentrum CORRECTIV hat ihre Erfahrungen zusammengetragen.
  • Ein Experte kritisiert: "Amazon zerstückelt seine Aufträge auf kleine Unternehmen, die bereit sind, anstelle von Amazon Verantwortung als Arbeitgeber zu übernehmen."

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Lkw-Fahrer, die für Amazon Pakete transportieren, kämpfen regelmäßig mit Übermüdung. Das zeigt eine neue Recherche vom gemeinnützigen Recherchezentrum CORRECTIV. In mindestens sieben Fällen, die CORRECTIV recherchiert hat, berichteten Fahrer über gefährliche Situationen am Steuer. Sie alle sind angestellt bei Subunternehmen, die im Auftrag von Amazon Pakete durch Deutschland fahren. Grund für die Übermüdung sind unregelmäßige Schichten, zu lange Lenkzeiten und unkomfortable Schlafplätze.

Die Recherche in Kooperation mit mehreren Lokalmedien zeigt, dass Amazon mehr Macht über seine Lieferkette gewinnen will. Das Ziel der Offensive mit dem Namen "Amazon Freight Partner", kurz AFP: Der Handelsgigant möchte besonders auf der sogenannten "mittleren Meile" in Deutschland angesiedelte Speditionen als Subunternehmen an sich binden. Für diese Fahrten werden häufig Fahrer aus Osteuropa beschäftigt.

Monatelang nur in Fahrerkabine übernachtet

Gewerkschaften sehen in der Abhängigkeit zwischen Amazon und ihren Subunternehmen ein Problem: "Amazon zerstückelt seine Aufträge auf kleine Unternehmen, die bereit sind, anstelle von Amazon Verantwortung als Arbeitgeber zu übernehmen", sagt Michael Wahl vom Beratungsnetzwerk "Faire Mobilität" des Deutschen Gewerkschaftsbunds. "Wenn dann etwas schiefgeht, kann Amazon den Transportauftrag kündigen und sich der Probleme einfach entledigen", sagt Wahl.

Mehrere Lkw-Fahrer geben an, dass der Lieferdruck zu hoch ist: Touren seien zu eng getaktet, es gebe zu viele Nachtfahrten. Die Tourenpläne für die gesamte Arbeitswoche gibt Amazon vor. Ein Wochenplan, den CORRECTIV einsehen konnte, bestätigt dies: kurz vor 2 Uhr nachts in einem Amazon-Lager in Niedersachsen, kurz nach 6 Uhr in einem weiteren Lager in Norddeutschland, nach 9 Uhr dann am Niederrhein. Dann beginnt eine längere Pause, bevor am späten Abend die nächsten Aufträge folgen.

Alle Fahrer berichten, sie würden ausschließlich in Fahrerkabinen übernachten. Problematisch wird es dann, wenn dies über einen längeren Zeitraum geschieht: Zwei Fahrer aus Litauen seien mindestens vier Monate ununterbrochen in Deutschland unterwegs gewesen und hätten dabei ausschließlich in ihrer kleinen Fahrerkabine übernachtet. Das wäre ein Verstoß gegen die EU-Verordnung 561/2006, die vorschreibt, dass Fahrer allenfalls zwei Wochen in dem Lkw verbringen dürfen.

Der Arbeitsrechtler Adam Sagan sieht die Verantwortung trotz der Subunternehmer-Strukturen bei Amazon. Insgesamt könne Amazon sich seinen gesetzlichen Pflichten nicht entziehen, indem es die Verantwortung über die Lieferkette hinweg aufspalte, sagt Sagan. "Es muss sich in angemessenen Zeitabständen darüber vergewissern und darauf hinwirken, dass die Subunternehmen die Transportaufträge mit zulässigen Lenkzeiten ausführen."

Amazon: Überprüfen Subunternehmen "von Zeit zu Zeit"

"Unsere Amazon Freight Partner verpflichten sich vertraglich, die geltenden Gesetze insbesondere im Hinblick auf Löhne, Sozialabgaben und Arbeitszeiten einzuhalten", teilt Amazon auf Anfrage von CORRECTIV mit. Sie würden mit mehr als 600 deutschen Speditionen zusammenarbeiten. Die Einhaltung der Gesetze und Vorschriften würden sie "von Zeit zu Zeit" überprüfen. Weiter schreibt ein Sprecher: "Die Ruhepausen sind vom Gesetzgeber klar geregelt und jeder Spediteur ist für deren Einhaltung verantwortlich. Wenn wir feststellen, dass ein Unternehmen gegen die Vorschriften verstößt, handeln wir sofort."

Diese Recherche ist Teil einer Kooperation im Netzwerk CORRECTIV.Lokal. Über sieben Monate haben Lokaljournalistinnen und -journalisten zu Arbeitsbedingungen bei Amazon und ihren Subunternehmen recherchiert. Zu den Recherchepartnern zählen die Nürnberger Nachrichten, Badischen Neuesten Nachrichten, Leipziger Volkszeitung, Nordstadt Blogger, Ostfriesen-Zeitung, Nordsee-Zeitung und weitere Medien.

Die vollständigen Recherchen lesen Sie hier.

Correctiv ist das erste spendenfinanzierte Recherchezentrum in Deutschland. Als vielfach ausgezeichnetes Medium steht Correctiv für investigativen Journalismus und Faktenchecks. Mehr dazu unter correctiv.org.
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