Der Medienrat setzt sich für eine klarere Kennzeichnung von sogenannten "Scripted Realities" ein. Der Zuschauer soll deutlich erkennen können: Das hier ist nicht das echte Leben. Das eigentlich traurige an der Meldung ist, dass so eine Kennzeichnung tatsächlich nötig ist.

Mehr News über TV-Shows

"Berlin - Tag & Nacht" ist eine fiktionale Serie über einen Haufen Prolls in einer WG in Berlin. Von einer normalen Serie unterscheidet sie sich nur dadurch, dass die Schauspieler schlechter sind und die Drehbücher keine Dialoge enthalten, sondern nur eine Vorgabe, was in der jeweiligen Szene passieren soll. Wieso glauben dennoch Hunderttausende Menschen, dass sie hier reale Charaktere in ihrem Alltag begleiten?

Der Medienrat fordert jetzt, dass Serien wie "Berlin - Tag & Nacht", "Köln 50667" oder "Mitten im Leben" deutlicher als das gekennzeichnet werden, was sie tatsächlich sind: Frei erfundene Serien mit erfundenen Charakteren.

Dass diese deutliche Kennzeichnung nötig ist, ist ein Armutszeugnis. Die Begründung, vor allem Kinder und Jugendliche bräuchten diese Kennzeichnung, um die notwendige Distanz zu den Formaten entwickeln zu können, ist richtig. Viel wichtiger wäre es aber, dass sie solche TV-Formate erst ab einem Alter, in dem sie diese Distanz auch ohne Hinweis entwickeln können, zu sehen bekommen.

2,7 Millionen Menschen gefällt der Facebook-Auftritt von "Berlin - Tag & Nacht". Mehrmals täglich werden dort Statements von Charakteren aus der Sendung veröffentlicht. Und ein großer Teil der Fans hält das Geschriebene für echt.

Ole schreibt, dass er sich ab sofort vegan ernährt - 20.000 Leuten gefällt das und über 600 wünschen ihm dabei viel Erfolg. JJ klagt, dass sie sich nicht für ein Tattoo-Motiv entscheiden kann - über 1.000 Leute geben ihr Tipps wie "Hör auf Dein Herz" oder "Toten Kopf mit Rosen" - tatsächlich in dieser Schreibweise.

Was ist da schiefgelaufen? Haben die Eltern versagt, wenn ihre Kinder den Inhalt einer Serie für bare Münze nehmen? Hat das Bildungssystem versagt? Eigentlich klingt es wie ein Witz, dass die vom Medienrat geforderte Kennzeichnung nötig sein soll. Die bittere Realität ist, dass sie längst überfällig ist.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.