• "Sing meinen Song" startet in eine neue Staffel. Mit dabei ist diesmal Eurodance-Legende DJ Bobo.
  • Im Interview gibt er offen zu, dass er seinen SmS-Kollegen gesanglich unterlegen ist - und schildert, welcher Song ihm besonders schwerfiel.
  • Die gegenwärtige Situation der Konzertbranche macht ihn ratlos.
Ein Interview

Konzertfans müssen seit Monaten auf ihre Leidenschaft verzichten. Für manchen mag es da wenigstens ein kleiner Trost sein, dass "Sing meinen Song - das Tauschkonzert" am 20. April in eine neue Runde geht.

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Johannes Oerding ist in dieser Staffel zum Gastgeber aufgestiegen und begrüßt neben Gentleman, Stefanie Heinzmann und Joris auch "Mighty Oaks"-Frontman Ian Hooper und Rapperin Nura als seine Gäste. Der mit Abstand größte Star in dieser Runde ist jedoch unbestritten René Baumann alias DJ Bobo.

Zum Interview meldet sich ein gut gelaunter DJ Bobo am Telefon, der sich durchaus Zeit nimmt, um über die Frage nachzudenken - das erlebt man bei kurz bemessenen PR-Interviews nicht allzu oft.

Es ist ein kurzweiliges Gespräch über die Herausforderungen des Formats, die gesangliche Grenzen eines DJ Bobo und die Frage nach später Genugtuung für all die Häme, die man als Eurodance-Musiker erfährt.

Angesichts einer Pandemie, die Künstler, Clubs und Kulturveranstalter in eine existenzgefährdende Krise gestürzt hat, will man mit einem Veteranen der Branche - entgegen der Abmachung - aber nicht nur über eine Fernsehshow sprechen. Als die Sprache schließlich auf die Situation des Kulturbetriebs kommt, ändert sich die Stimmung. DJ Bobo klingt leiser, besorgt und ein bisschen ratlos.

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Herr Baumann - reagieren Sie eigentlich auf DJ Bobo, wenn man Sie so auf der Straße ruft?

DJ Bobo: Ja, klar reagiere ich darauf. Aber nenn' mich René.

Deine Auftritte zeichnen sich nicht in erster Linie durch den Gesang aus, sondern vielmehr durch spektakuläre Bühnenbilder und Choreografien mit vielen Tänzern, die Flickflack und Salto machen. Wie muss ich mir das bei "Sing meinen Song" vorstellen?

Ja, gar nicht! Das ging einfach nicht! Ich musste meine Komfortzone verlassen, das war's mit tollen Tänzern und Bühnenbildern! Ich musste dahin, wo die anderen auch sind: hin zur reinen Musik. Das war super, denn ich komme ja eigentlich von da. Aber das war natürlich unterschiedlich schwierig.

Bei welchem Song hast Du Dir besonders schwergetan?

Extrem schwer getan habe ich mich bei Nura, mit diesem Hardcore-Rap. Ihre Texte sind ziemlich derbe - aber ein DJ Bobo singt doch über Freiheit! Über die Liebe! Das Vokabular so radikal zu ändern, das war eine Riesenherausforderung für mich. Aber für die TV-Zuschauer kann es eigentlich nichts Besseres geben.

"Ich bin ja gesanglich limitiert"

Also hattest Du eher inhaltliche Schwierigkeiten als musikalische?

Musikalisch schon auch, da ich ja gesanglich limitiert bin. Gegenüber einem Johannes Oerding oder einer Stefanie Heinzmann, die unglaublich singen können, bin ich sehr eingeschränkt. Aber das wusste ich vorher. Rein vokal kann ich da nicht mithalten - also muss die Idee gut sein. Was mache ich aus einem Song? Das ging ganz gut und hat Spaß gemacht.

Ist Dir ein Song so richtig misslungen?

Ja - aber ich darf Dir nicht sagen, welcher das war. Es ist noch geheim, welche Songtitel wir gespielt haben. Das galt übrigens auch lange für uns: Ich wusste nicht, welche Songs von mir interpretiert werden. Das ist genial! Ich sitze da und dann kommt Gentleman und sagt: "Ich sing von Dir diesen Song." Und ich dachte nur: "WTF! Bist Du wahnsinnig?"

Aber woran bist Du bei dem Song denn gescheitert?

Ich glaube, er war zu nah an dem, was man von mir gewohnt ist. Deshalb war es nicht außergewöhnlich. Manchmal ist die Idee viel entscheidender als die Umsetzung. Gerade bei "Sing meinen Song". Ob da mal ein Ton nicht sitzt, spielt keine Rolle. Ich fand es belanglos weil normal.

Hat das der Künstler, den Du gecovert hast, auch so gesehen?

Nö, da hat keiner gesagt: "Das hättest Du aber besser machen können, Kollege." Aber ich habe es selbst gespürt.

Hast Du Dir vorher überlegt, wie Du reagierst, wenn jemand einen Deiner Songs so richtig verunstaltet?

Ich hatte ja keine Erwartungen, weil ich nicht wusste, welche Songs von mir gespielt werden. Hätte ich vorher gewusst, Gentleman spielt "Everybody" oder so, dann hätte ich mir schon ausgemalt, was der daraus macht. Aber man wird total überrascht, das hilft. Und man juriert den Auftritt eigentlich nicht. Es geht um den Effort, den jemand an den Tag legt. Das ist die größte Hürde, vor einem Künstler aufzutreten und ihm zu zeigen, was man aus seinem Song machen könnte. Von daher zollt man dem Kollegen eigentlich nur Respekt.

"Hätte ich Nura gekannt, hätte ich wahrscheinlich kapituliert!"

Gibt es einen Musiker, bei dem Du von vornherein kapituliert hättest?

Hätte ich Nura vorher gekannt, ihre Texte, hätte ich wahrscheinlich kapituliert! (lacht) Aber nein, eigentlich nicht. Bei Musik ist alles möglich und ich bin offen dafür.

Im Gegensatz zu den anderen Musikern bei "Sing meinen Song" hast Du eine Fanbase, die seit Jahrzehnten zu Dir hält. Was muss man tun, damit Fans so lange die Treue halten?

Die Leute müssen merken, dass Du Dir den Arsch aufreißt. Ich versuche immer, mich und das Team weiterzuentwickeln, mehr aus uns rauszuholen. Solange dieser Anspruch da ist, folgen einem die Leute. Du darfst nicht stehen bleiben und dich treiben lassen. Das geht einmal, aber bei der nächsten Tournee nicht mehr. Die Menschen wollen spüren, dass Du Dir für sie Mühe gibst.

Gibt es eigentlich eine Jahrgangsgrenze, unterhalb der man Dich nicht mehr kennt?

Bei den ganz Kleinen wissen viele nicht mehr, wer der Onkel da ist. So bis zu den 15-Jährigen vielleicht, über 20 kennen mich die meisten. Also Szenen, in denen die Mutter zu ihrem Zehnjährigen sagt: "Schau, das ist ein ganz berühmter Mann! Der ist total bekannt, den musst Du kennen!", und das Kind nur Fragezeichen in den Augen hat, das gibt's schon mal.

Ist das für Dich auch ein Grund, an einer TV-Show wie "Sing meinen Song" mitzumachen? Dass Du vielleicht neue, jüngere Fans gewinnst?

Ich glaube, der Versuch wäre vergebens. Jeder Künstler hat seine Zeit und man nimmt die Fans aus dieser Zeit mit. Es kommen noch ein paar aus den Generationen links und rechts davon hinzu, aber als Zwölfjähriger kannst Du nicht DJ Bobo hören. In dem Alter hörst Du das, was Deine Kumpels hören. Du willst dazu gehören und bist nicht Fan eines älteren Herrn. Ich bin 53 - das wäre albern.

Was ich mir eher vorstellen kann ist, dass einige Leute denken: "Ach, der Song von dem ist eigentlich saugut. Das dachte ich gar nicht." Eurodance war sehr erfolgreich, aber man hat darüber gelacht. Eigentlich komisch. Wenn jetzt ein Johannes Oerding einen Song von mir singt, dann denkt vielleicht jemand: "Wow, das ist gut." Also wenn ich mir etwas von der Show erhoffe, dann das.

Gibt Dir das eine gewisse Genugtuung, wenn die Leute nach all der Häme endlich erkennen, dass Deine Musik gut ist?

Nein, ich habe nie damit gehadert. Manche Kollegen aber schon. Ich hab mich nur immer gefragt, wie die Leute darauf kommen, dass die Musik schlecht und billig sei. In der Zeit hat Musik aus Europa die ganze Welt dominiert. Ich finde es unverständlich, dass die Europäer selbst ihre Musik als vermeintlich billigen "Eurotrash" abgetan haben. Wir waren komischerweise nicht stolz darauf, dass man in den USA unsere Musik gehört hat. Man hat sich stattdessen dafür entschuldigt. Warum, das habe ich nie begriffen. Techno kommt auch aus Europa, das finden alle cool. Aber gehadert habe ich damit nie. Ich fand die Musik gut und fertig.

Aber bedeutet es Dir etwas, dass Du in der aktuellen Staffel von "Sing meinen Song" der mit Abstand größte Star bist?

An den Abenden bei "Sing meinen Song" sind wir alle gleich. Mir ist aufgefallen, dass sich die Kollegen automatisch untergeordnet haben, aber das ist mir fast peinlich. "Ich darf nichts sagen, ich bin ja der Kleinste hier in der Runde", haben sie schon teilweise gesagt.

"Es ist eine Mischung aus Traurigkeit, Wut, Enttäuschung und Ungewissheit"

Bevor Du auf die große Bühne getreten bist, warst Du in der Klubszene als DJ zu Hause. Was geht Dir durch den Kopf, wenn Du an die aktuelle Situation der Clubs und der Konzertbranche denkst?

Es ist furchtbar für alle und ich habe große Fragezeichen auf der Stirn, wie jeder wahrscheinlich. Es ist eine Mischung aus Traurigkeit, Wut, Enttäuschung und Ungewissheit. Es ist schwer einzuordnen.

Zwischen Deinen Tourneen liegen immer mehrere Jahre Pause, zuletzt warst Du 2019 auf Tour. Insofern war 2020 eine reguläre Pause. Inwiefern ist die Pandemie für Dich ein Problem?

Für meine Mitarbeiter in erster Linie. Man hatte immer ein gemeinsames Ziel - die Tour in zwei Jahren. Dieses Ziel ist im Moment weit weg und ich merke, wie sich die Mitarbeiter langsam fragen, warum sie morgens überhaupt noch aufstehen sollen. Es muss zeitnah eine Perspektive her, eine gemeinsame Vision, sonst werden sie sich nach neuen Berufen umsehen. Das wird passieren. Du willst als Mensch wissen, wofür Du morgen aufstehst. Das fehlt in der gesamten Branche.

Aber es gibt ein gemeinsames Ziel: Für 2022 ist eine Tournee von DJ Bobo angekündigt.

Ja und nein, wir werden es wohl auf 2023 schieben. Sehr schade. Aber wenn Konzerte wieder möglich sind und auch internationale Künstler wieder spielen können, dann wird es erst mal einen Verdrängungskampf geben. Da weiche ich lieber aus und bereite mich und meine Mitarbeiter darauf vor. Dann kann ich ihnen wenigstens eine Vision geben, von der ich denke, dass sie funktioniert.

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